Kurt Pachl

Bodos zornige Seele


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Krawatte war leicht geöffnet, und der obere Knopf des blauen Hemdes war offen.

      Mit raschen Blicken musterte der Angesprochene die vier Männer, welche den Inhaber des »Let’s go« begleiteten. Er hielt es für angebracht, mit einem »Guten Tag Mr. Bryant« zu antworten.

      Der zweite, etwa Dreißigjährige, mus­terte mit seinem Frettchengesicht verschlagen jeden der Eingetretenen ausführ­lich. Das Frettchen roch den Ärger. Instinktiv zog er seine Krawatte zurecht, ohne jedoch zuvor den obersten Knopf zu schließen.

      »Okay Sergeant Monfort«, begann Bradly nun betont höflich. »Meine Freunde hier sind Umweltschützer, die helfen wollen. Sie sind alle ausgewiesene Experten für Ölunfälle. Spätestens bis zum Sonntag wird hier jede Hand gefragt sein. Wir wollten Sie ….«

      Der Sergeant unterbrach ihn barsch.

      »Wir haben genug Experten. Am Wochenende wird hier eine ganze Armada anrücken. Denen könnt ihr euch anschließen. Ihr bekommt sogar Geld dafür.«

      »Mein Freund kennt sich hier gut aus«, versuchte Bodo, freundlich das Wort zu ergreifen. »Wir möchten Sie bitten, uns Ausweise auszustellen und uns ein Gebiet zu nennen, welches auch aus Ihrer Sicht besonders schützenswert ist.«

      Montforts Gesichtsausdruck wurde finster.

      »German?«

      »Ja, Mister Montfort«, fuhr Bradly fort. »Und die anderen Herren kommen aus Italien und Spanien.«

      Der Sergeant sprang auf. Angriffslustig beugte er sich nach vorn.

      »Ihr Umweltfuzzis glaubt wohl, dass wir Typen aus Europa brauchen.« Er starrte Bodo bösartig an.

      »Noch dazu einen Nazi.«

      Bodo hatte aus seinem Augenwinkel beobachtet, dass das Frettchen mit der rechten Hand sich Millimeter für Millimeter an sein Handy herantastete. Bodo blickte Ole an und stellte fest, dass dieser den Vorgang ebenfalls beobachtet hatte. Dieser flüsterte nun Nuncio etwas ins Ohr, der daraufhin rasch den Raum verließ.

      Bodo hob beide Hände.

      »Bitte verzeihen Sie. Wir dachten, dass Sie daran interessiert sind, ihre Heimat möglichst professionell zu schützen«, versuchte er es mit seiner ausge­sucht ruhigen und freundlichen Stimme. Mit diesen Worten trat er einige Meter nach rechts. Montfort sollte damit signalisiert werden, dass er fortan ruhig sein würde. Bodo stand nun genau vor dem Schreibtisch des Frettchens. Jetzt konnte er das Namensschild auf dem Schreibtisch lesen.

      Das Frettchen hieß Sam Bourquoi – und es machte den Fehler, eine Taste seines Handys bedienen zu wollen. Blitzschnell packte Bodo den hageren Beamten, und zog ihn über den Schreibtisch, als sei er eine Puppe. Sam Bourquoi flog in hohem Bogen zunächst bis zur Mitte der Baracke. Dort überschlug er sich, donnerte gegen die Holz­wand, und blieb zitternd und mit aschfahlem Gesicht am Boden liegen.

      Montfort blieb mit aufgerissenen Augen einige Sekunden wie angewurzelt stehen. Erstaunlich schnell glaubte er, die Situation erkannt zu haben, und versuchte nun zum Revolver zu greifen.

      »Stopp!« Bodos Stimme war laut und befehlend. »Lassen Sie diesen Unsinn.«

      Der Sergeant behielt seine Hand am Revolvergriff.

      »Du Nazi. Willst du mir etwa drohen?«

      »Ja«, sagte Bodo und nickte.

      »Wenn es sich um wichtige Dinge handelt, bin ich völlig humorlos.«

      Wie von Geisterhand hatten Paco und Ole plötzlich ihre Pistolen in den Händen. Die Schalldämpfer der Pistolen waren auf Montfort gerichtet.

      Blitzschnell nahm der Sergeant seine Hand vom Revolvergriff und hob beide Hände in Brust­höhe.

      In diesem Augenblick betrat Nuncio die Baracke. Er hatte eine rote Schwimmbarriere geschultert, die er auf den Boden krachen ließ.

      Umberto trat rasch hinzu. In wenigen Sekunden hatten sie die Barriere in zwei Teile geschnit­ten. Nuncio breitete eine Hälfte in der Mitte der Baracke aus. Das Frettchen begann zu zittern. Es schien förmlich zu riechen, dass diese Vorbereitungsarbeiten Unheil bedeuteten; großes Unheil.

      Der Sergeant starrte mit großen Augen zunächst auf Nuncio und dann auf Umberto. Danach blickte er Bodo fragend an. Ihm war inzwischen klargeworden, dass Bodo diese Gruppe befehligte – und, wie dieser gerade gesagt hatte, völlig humorlos zu sein schien.

      Ole zog sich theatralisch gummierte Handschuhe an. Dabei blickte er Nuncio kurz an, und schloss für zwei Sekunden seine Augen. Mit raschen Schritten stand Nuncio plötzlich bei dem jungen Beamten und packte ihn mit einer Hand an dessen Uniform. Mit einer kräftigen Bewegung zog er ihn hoch, und stellte den schlotternden Mann auf die Mitte der ausgebreiteten Schwimmbarriere.

      »Ich habe Familie«, wimmerte Sam.

      Im Raum entstand Stille. Die Geräusche von Venice wehten durch ein halb­offenes Fenster herein.

      Ole bewegte sich nun auf Bodo zu. Dabei musste er am Schreibtisch von Montfort vorbei. Dieser hielt seine beiden Hände noch in Brusthöhe. Mit blei­chem Gesicht sah er nun, dass Ole fast an ihm vorbeiflog. Mitten in diesen drei großen Sätzen hatte dieser plötzlich etwas in der Hand. Und dieses Etwas fühlte Montfort nun um seinen Hals. Der Graumelierte sackte in die Knie, und versuchte vergeblich mit beiden Händen unter die Schlinge der Garrotte zu greifen. Seine Augen waren vor Schmerz und Angst weit aufgerissen. Seine Zunge rutschte aus dem Mund.

      Nuncio zog anerkennend die Augenbrauen hoch. Umberto schaute inte­ressiert. Bodo verzog keine Miene, während Bradly unwillkürlich an seinen Hals griff. Er wusste inzwischen, wie sich eine Garrotte anfühlte.

      Der junge Beamte war im Begriff, vor Entsetzen zu schreien. Doch Nuncios Klinge war schneller. Die beiden Beamten der Küstenwache starben gleich­zeitig.

      Während das Team Bradly und Nuncio sowie Paco und Umberto die beiden Leichen in die rote Folie wickelten, verstaute Ole die Garotte in eine kleine mitgebrachte Plastiktüte, die er dann in seiner Gesäßtasche verschwinden ließ. Anschließend sah er sich zusammen mit Bodo prüfend im Raum um. Es durften keine Spuren zurückbleiben. Alle Aktivisten waren angewiesen worden, keine Gegenstände zu berühren. Ole nickte schließlich zufrieden.

      Bradly und Paco warfen die roten Plastikbündel über ihre Schultern. Bradly hatte sich beim Hinausgehen eine gelbgrüne Schirmmütze mit dem Konzern­logo geschnappt, und zog diese tief ins Gesicht. In Venice kannten ihn viele Fischer. Aber heute war ihnen nicht nach einem Plausch zumute.

      Bodo, Nuncio, Umberto und Tajo gingen voraus und bahnten sich einen Weg. Bradly und Paco wurden mit ihren Paketen in die Mitte genommen. Julio und Ole bildeten die Nachhut. Ole hatte inzwischen seine Handschuhe abgestreift und eingesteckt. Mit raschen Bewegungen hatte er zuvor ein kleines Stückchen Tuch aus seiner Jackentasche gezogen, um damit die innere und äußere Türklinke abzuwischen.

      Stoisch, den Blick nach unten gerichtet, stapfte die seltsame Kolonne ruhig zur Yacht zurück. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass sich später jemand an die acht Männer erinnern würde. Dass man gegenwärtig rote Schwimm­barrieren geschultert hatte, war eine alltägliche Szene.

      Nach zehn Minuten waren sie auf der Yacht. Kurz hinter Venice in Richtung der East Bay blickte Bradly vom Steuerrad auf.

      »Das Mississippi-Delta bringt uns kein Glück. Lass uns am Sonntag zu den Breton Islands fahren - zu deiner Insel. Auch dort braucht man unsere Hilfe. Denke an die vielen Braunen Pelikane. Was hältst du davon, wenn wir dort kurz vorbeifahren? Es ist ja kein Umweg.«

      Bodo nickte. »Gute Idee. Einverstanden.«

      Zwei Stunden später ging Bradly an der gleichen Stelle vor Anker, an der sie vor einigen Tagen übernachtet hatten. Unterwegs hatten sie sich auf offener See der beiden Bündel entledigt.

      Am Freitag hatte sich der Wind gedreht. Stürme peitschten auf das Land zu. Die viele hundert Kilometer langen Ölsperren tanzten auf den Wasserkronen. Der Ölteppich schwappte über die Sperren und über die Boote mit tausenden von Fischern und Helfern