Alexander Winethorn

Endgame


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wo man sie schließlich verkaufen würde. Der Handel mit gestohlenen Fahrzeugen zählte zu einer der Hauptgeldquellen des Sirius-Kollektivs.

      A1 und Peter gingen zu einem großen Metalltisch, auf dem bereits etliche Molotowcocktails standen. Während Peter mit A1 trainiert hatte, zeigte man seinem Kameraden A2013, wie diese speziellen Cocktails hergestellt werden. Und nach der Anzahl der fertigen Flaschen zu urteilen, musste A2013 fleißig gewesen sein.

      »Ich will euch noch einen gut gemeinten Ratschlag geben«, sagte A1. »Wenn ihr mit dem Feuer spielt, dann kann euch das passieren …« Zuerst zog er seinen schwarzen Pullover aus und entblößte seinen Oberkörper, danach legte er seinen rechten Lederhandschuh ab. Peter und A2013 holten tief Luft, als sie die Brandnarbe von A1 sahen. Die Wunde bedeckte den rechten Teil seiner Schulter, ging weiter zum rechten Arm und endete an der rechten Hand, die teilweise entstellt war. Die Fingerkuppen und Nägel waren komplett abgebrannt.

      »Das passiert, wenn euch die Angst beherrscht und ihr zuviel nachdenkt, anstatt zu handeln«, sagte A1 und zog sich wieder an. »A2013, zeig‘ deinem Kameraden, was du gelernt hast.«

      Peter legte seine Axt auf dem Boden und nahm eine leere Flasche, die auf dem Tisch stand. A2013 lehrte ihm, wie man Molotowcocktails herstellte. Peter gefiel es. Es war anders und vor allem aufregender als die Dinge, die er in der Schule lernen musste.

      Zuerst konnte ich die Axt stehlen und nun lerne ich das hier, dachte er. Das sind die besten Sommerferien meines Lebens.

      Nachdem er fertig war, überprüfte A1 seine Arbeit. Er schien zufrieden zu sein. »Sehr gut. Nehmt die Flaschen gleich mit, wir werden sie für die Operation: Magischer Wald benötigen.«

      »Was ist Operation: Magischer Wald?«, fragte A2013.

      »Das werdet ihr noch früh genug erfahren.«

      »Und wohin soll es gehen?«, wollte Peter wissen.

      Ein sadistisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht von A1 aus, als er fragte: »Wann wart ihr das letzte Mal im Zoo?«

      Kapitel 3: Aufstellung

      Der Zoo befand sich auf einer Anhöhe östlich der Stadtmitte. Mit seinen Wiesen, Bäumen und Tiergärten wirkte er wie eine grüne Insel inmitten von grauem Beton. Eine Insel, deren Einwohner aus einheimischen, aber auch exotischen Tieren bestand, die aus allen Teilen der Welt importiert wurden. Mit seinen fast achttausend verschiedenen Tierarten und einer Fläche von etwa zweihundert Hektar gehörte diese Einrichtung zum ambitioniertesten Bauprojekt des Landes.

      Der Zoo selbst wurde in zwei Bereiche unterteilt, dem Tiergarten und dem Aquarium. In beiden Arealen lebten unzählige Tiere – von Pandabären, Giraffen, Schimpansen, bis hin zu Nashörnern, Zebras und Kängurus.

      Der Tiergarten und das Aquarium boten genügend Freiraum und Auslaufmöglichkeiten, um die Bedürfnisse der unterschiedlichen Gattungen zu decken. Die Tiere wurden entweder in Käfige oder in spezielle Gehege untergebracht. So hatten etwa die Pinguine ihr eigenes Terrain, das der antarktischen Umwelt entsprach, inklusive Eiswasser und Eisschollen. Die Elefanten konnten sich in einem weitläufigen Naturgebiet bewegen, und Haifische trieben sich in ihren eigenen Schwimmbecken herum.

      Letztes Jahr hatte die Regierung beschlossen, ein spezielles Biotop – den Biodom – hinzu zu bauen, und bereicherte damit den Zoo um eine weitere Attraktion. Der Biodom war eine gewaltige Kuppel aus Glas, unter der eine Umwelt reproduziert wurde, die es ermöglichte, den exotischen Lebensformen aus den tropischen Gebieten ein artgerechtes Zuhause zu bieten.

      Obwohl der Biodom eine architektonische Meisterleistung darstellte, stieß das Bauprojekt aufgrund der exorbitanten Kosten, die für die Errichtung und Instandhaltung nötig waren, auf heftigen Widerstand. Für lange Zeit galt das Vorhaben als unfinanzierbar. Präsident Pollux gelang es jedoch, das Parlament und das Finanzministerium davon zu überzeugen, dass der Biodom eine zusätzliche Aufwertung für die Stadt und das Land bedeuten würde. Viele Kritiker bezeichneten den Biodom als ein Mahnmal menschlicher Dekadenz. Sie warfen dem Präsidenten vor, er hätte das Projekt nur aus Eitelkeit unterstützt. Später stellte sich heraus, dass die Baufirma, die mit der Errichtung des Biodoms beauftragt wurde, in engem privatem Verhältnis mit dem Präsidenten stand.

      Obgleich der Zoo mit seinem Tierpark, dem Aquarium und dem Biodom zum beeindruckendsten Wahrzeichen der Stadt gehörte, blieb selbst die Natur nicht vom großen Wirtschaftskollaps verschont. Und so hatte die Regierung keine andere Wahl, als auch beim Zoo den Rotstift anzusetzen. Während Noah seine Arche mit jeder Tierspezies auffüllte, um sie vor dem Ertrinken zu bewahren, so musste die Stadt die Tiere loswerden, um nicht selbst in Schulden zu ertrinken.

      Die ersten Einsparungen trafen das Aquarium. Ein Großteil der Unterwasserwelt musste geschlossen werden. Die Wale brachte man ins Meer zurück. Kurze Zeit später wurden sie von Walfängern gejagt, getötet, ausgeschlachtet und verkauft. Nach diesem Vorfall entschied die Regierung, den Tieren nicht einfach so die Freiheit zu schenken. Freiheit machte nämlich keinen Profit. Man beschloss daher, einige Tiere zu verkaufen. Es gab eine große Auktion, bei der die Tiere an den Meistbietenden versteigert wurden. Immerhin konnte man dadurch die Staatskassen wieder einigermaßen auffüllen.

      Natürlich protestierten die Tierschützer dagegen, aber ohne Erfolg. Das meiste Geld verdiente die Stadt durch den Verkauf der vierköpfigen Löwenfamilie. Eigentlich wollte man sie einzeln versteigern, jedoch verkauften sie sich als Familienset zu einem weitaus besseren Preis. Der Privatbesitzer, der die Löwen ersteigert hatte, versprach, sie gut zu behandeln, und nur die Hälfte von ihnen bei der Jagd zu erschießen und auszustopfen.

      Aber nicht nur die Tiere litten unter den Einsparungen, auch das Zoopersonal bekam die Geldnot des Staates zu spüren. Dem Großteil des Personals wurde gekündigt, und so führte es dazu, dass die Einrichtung stark unterbesetzt war. Für ein Areal dieser Größe standen lediglich eine Handvoll Wachmänner zur Verfügung. Der Zoo selbst war aufgrund der Ausgangssperre geschlossen.

      ****

      Der Transporter brachte Adam, Lukas und den Blonden sowie die restlichen Männer und Frauen der Polizei zum Parkplatz des Zoos. Als sie ankamen, arbeiteten bereits einige Demonstranten fleißig an den Vorbereitungen für den Protestmarsch, der ein Mal um den Zoo gehen sollte. Nicht weit von den Demonstranten entfernt standen die Nachrichtenteams und berichteten live vor Ort.

      Einige Demonstranten trugen Tiermasken oder imitierten Tierlaute. Eine Frau entledigte sich sogar all ihrer Kleider, mit der Absicht, sich nackt in einen Käfig einsperren zu lassen. Unter anderen Umständen wäre die Frau wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet worden, aber in dieser chaotischen Nacht fiel eine derartige Aktion kaum noch auf. Manche der Teilnehmer hielten Protestschilder in die Höhe, auf denen Sprüche geschrieben standen wie etwa: WIR SIND KEINE TIERE, ALSO BEHANDELT UNS AUCH NICHT SO! – oder – DIE WAHREN AFFEN SITZEN IM PARLAMENT!

      Adam empfand letzteren Spruch als besonders beleidigend und musste dabei an Eva denken, die ehrlich darum bemüht war, die missliche Lage zu entschärfen. Er wollte Lukas abermals um das Telefon bitten und versuchen, sie anzurufen, entschied sich jedoch dagegen. Dies war weder der richtige Ort noch der geeignete Zeitpunkt für ein Privatgespräch mit seiner Verlobten.

      Die Polizeitruppe, die aus insgesamt 13 Personen bestand, teilte sich nach der Ankunft in Zweiergruppen auf. Die Beamten versuchten, so gut es ging, die Demonstranten zu überwachen. Mittels Walkie-Talkie blieben sie über Funk in Kontakt. Adam hielt mit Lukas vor dem geschlossenen Eingang des Zoos Wache, während der Blonde sich mit seinem Partner am Rande des Parkplatzes positioniert hatte.

      Lukas wirkte sichtlich nervös. Sein Helm rutschte ihm ständig nach vorne ins Gesicht, sodass er ihn jedes Mal aufs Neue nachjustieren musste.

      »Bleib ruhig«, sagte Adam zum jungen Mann. »Lass dir nichts anmerken, und lass dich von niemandem provozieren. Wahre stets einen Sicherheitsabstand, und behalte immer deinen Helm auf und das Schutzvisier unten. Verstanden?«

      Lukas nickte.

      Die Zahl der Demonstranten wurde von Minute