Claus Beese (Hrsg.)

Dünen, Sand und Meer


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Die Sonne strahlte von einem leuchtendblauen Himmel herab und ihre schon kräftigen Strahlen wärmten Körper und Seele. Hannes und Winni liefen ihre Runde am Strand bis hinauf zum nördlichen Bogen, wo die Insel einen Knick nach Norddorf hin macht. Beide waren angespannt und gaben sich heute nicht dem unbefangenen Spiel mit Ball und Stöckchen hin. Ihre Blicke suchten die Umgebung ab, doch die merkwürdige junge Frau zeigte sich nicht.

      Erst als die Sonne weit im Westen in der Nordsee versank und der Abend dämmerte, sah Hannes den grauen Mantel auf einer der Dünen. Er leuchtete kurz im letzten Sonnenlicht auf, dann verschwand das Himmelsgestirn hinter dem Horizont. Winni saß stocksteif im Sand und knurrte leise. Hannes gab ihm einen leichten Stoß.

       „Da ist sie. Los, Winni! Lauf zu ihr!“

       Doch der Hund machte keine Anstalten, sich zu erheben, geschweige denn loszulaufen. Stattdessen drehte er den Kopf zu seinem Herrchen und warf ihm einen Blick zu, als wolle er sagen: „Das kannst du nicht von mir verlangen!“

       Hannes wurde fordernder.

       „Winni! Such! Los, Winni! Such!“ Sein Finger wies dabei unmissverständlich die Richtung, und plötzlich jagte der Hund los, genau auf die hohe Düne zu, auf der noch immer die Gestalt mit den schönen Beinen und dem langen blonden Haar stand. Sie hielt ihre Schuhe in den Händen und rührte sich nicht, während der Hund über den Strand genau auf sie zu stürmte. Jetzt hatte Winni die Düne erreicht, gleich würde er den Hang hochrennen und bei ihr sein, da hörte Hannes seinen Hund aufheulen. Winni jaulte kläglich, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Er überschlug sich im Sand, sprang dann auf seine Pfoten und rannte wie von Furien gehetzt zurück zu Hannes. Mit eingeklemmter Rute suchte er Deckung hinter seinem Herrchen, drängte sich dicht an seine Beine. Hannes schaute verdutzt auf den Hund, dann zurück zur Düne. Sie war leer, das Mädchen mit dem blonden Haar war nicht mehr zu sehen.

      Die Dunkelheit schritt voran, es hatte wenig Sinn noch etwas zu unternehmen. Doch eines war Hannes klar, er würde nicht aufgeben, nicht von der Insel abreisen bevor er wusste, was hier gespielt wurde.

      Am nächsten Vormittag waren er und Winni wieder an der Düne. Nichts deutete auf irgendetwas hin, mit dem der Hund hätte zusammenstoßen können. Auf dem Dünenscheitel gab es auch keine Fußspuren, wie Hannes sie erwartet hatte. Der Sand schien seit geraumer Zeit unberührt, der Wind hatte ihn glattgefegt. Winni hingegen schien ein Kaninchen gewittert zu haben. Er schnüffelte aufgeregt am Fuß der Düne umher, begann dann im Sand zu scharren. Hannes stieg vom Dünenkamm und setzte sich neben seinen Hund, der etwas aus dem Sand gebuddelt hatte. Hannes achtete nicht auf ihn, seine Gedanken wirbelten umher auf der Suche nach einer Spur, die ihm die Lösung dieses Rätsels bringen konnte. Seine Finger griffen mehr automatisch tief in den Sand, bis sie auf etwas stießen. Etwas war dort, etwas hemmte das Spiel seiner Finger im Sand. Sein Blick fiel auf Winni, der vor ihm lag und an den Überresten eines alten Schuhes kaute. Es war ein weißer Riemchenschuh mit einer sehr hohen Plateausohle, wie man sie in den siebziger Jahren trug.

      Unwillkürlich tasteten seine Finger weiter im Sand herum, bekamen etwas Weiches zu fassen und zogen daran. Sandkörner rieselten zur Seite, als er einen Zipfel grauen Wollstoffes erkannte, den er jedoch nicht weiter aus dem Sand herauszuziehen vermochte. Hannes ahnte dunkel warum. Er hatte das Mädchen mit den blonden Haaren und dem Minimantel gefunden.

      Der Bullenhai

      Von Klaus-Dieter Welker

       Ein schöner junger Bullenhai

       schwamm einmal voll Behagen,

       an Helgoland so knapp vorbei,

       da knurrte ihm der Magen.

      Nun ja, das war bei ihm nicht neu,

       sein Hunger war unbändig.

       Beim Fressen kannte er keine Scheu,

       drum fraß er eigentlich ständig.

       Da kam ihm grad der Dicke recht,

       der in den Wellen hat gestrampelt.

       Der war für ‘n Anfang gar nicht schlecht,

       so wurde er angerampelt.

       Ein kleiner Happs, das Bein war ab,

       danach der Kopf mitsamt Toupet

       Zwar war das Fleisch ein wenig schlapp,

       doch der Hai war kein Gourmet.

       Danach der Bauch, ein schöner fetter,

       er fraß ihn mit Behagen.

       „Oh, Mann“, dacht er, „´s wird noch netter,

       der füllt fast meinen Magen.“

       Als Dessert blieb nur der Arsch,

       er musste zweimal schlucken,

       doch der Geschmack war ihm zu harsch,

       so tat er ihn ausspucken.

       Auf Nordseewellen trieb er nun,

       die Witwe sah´s mit Grausen.

       Die Seenotretter hatten schwer zu tun,

       als sie zogen ihn nach draußen.

       Auf Helgoland ist er verblieben,

       dort ließ sie ihn voll Schmerz bestatten.

       Und auf den Grabstein steht geschrieben:

       „Hier ruht der Arsch von meinem Gatten“.

       Ein schöner junger Bullenhai,

       mit proppenvollem Magen,

       hört auf dem Wege nach Shanghai,

       die Witwe lang noch klagen.

      Der Hafenmeister

      Von Jürgen Niemeyer

      Es war wieder einer der Termine, die zeitlich verdammt knapp lagen, aber er hatte ihn gerade noch pünktlich geschafft. Gut, der Kunde hatte nicht unterschrieben, noch nicht. Doch Jörn hatte überzeugende Argumente gehabt, denen sein Interessent sich nicht verschließen konnte. Es war nur eine Frage der Zeit. Jetzt musste Jörn noch mal ins Büro.

       „Dann ist aber Feierabend“, dachte er. „Wie lange bin ich jetzt unterwegs? Oh, es ist spät, wieder mal so spät. Da steht mein Auto. Mensch, bin ich müde.“

      Der Wagen kam ihm wunderbar bequem vor und er reckte sich auf dem Fahrersitz, so gut es ging. Es nieselte, die Dämmerung brach herein. Die Straßenlaternen spiegelten sich auf dem bläulich-grauen Kopfsteinpflaster. Der Widerschein ihres Lichtes machte das Fahren nicht einfach. Es strengte die Augen doch sehr an. Jörn erschrak, als ihm jemand direkt vor seinem Wagen die Vorfahrt nahm. Routiniert konnte er gerade noch abbremsen und den Zusammenprall verhindern. Was war das denn für ein Spinner, schoss es Jörn durch den Kopf. Hatte der Knaller denn keine Augen im Kopf? Jetzt gestikulierte der auch noch blöde in seinem Wagen rum. Und was sollte das denn? Zeigt ihm dieser Esel auch noch den Stinkefinger.

      „Der tickt doch nicht ganz sauber! So ein Blödmann“, entfuhr es Jörn. Der andere fuhr eine Weile vor ihm her, um dann endlich abzubiegen. Noch knapp eine Stunde Fahrt. Jörn gähnte.

      „Gleich auf der Autobahn wird es bestimmt besser“, tröstete er sich. “Ah, da kommt ja schon die Auffahrt. Noch ein bisschen mehr Gas geben, dann kann ich mich vor dem LKW noch einfädeln. Geschafft! So, nun kann ich ruhig meinen Stremel runterfahren.“

       Jörn verspürte Vorfreude auf Daheim. Nur noch kurz ins Büro, dann würde er seine Frau in den Arm nehmen und einen leckeren Ostfriesentee mit ihr trinken. Ach, was würde das schön sein, nach dem langen Arbeitstag das gemütliche Zuhause zu genießen und sich ausgiebig zu entspannen.

       „Ich brauche Ruhe, muss unbedingt neue Kraft für morgen sammeln“, dachte er und warf einen Blick in den Rückspiegel. Der Lastwagenfahrer hinter ihm schien ein Problem zu haben. Die Scheinwerfer des LKWs blinkten andauernd auf. Sie blendeten Jörn im Rückspiegel. Was saß da bloß für ein Schwachmat am Steuer?