Reinhold Vollbom

Grüße von Charon


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sei nicht so. Wo hast du hingezielt?«

      Freddy Hamstedt hatte in der Aufregung vergessen, dass das Telefon noch eingeschaltet war. »Ich habe auf seinen Oberkörper gezielt, auf sein Herz. Bist du jetzt zufrieden?«

      »Er ist also tot, der Arme?! Du hast ihn in Notwehr erschossen. Ich konnte am Telefon alles genau verfolgen. Honey, sei nicht traurig, ich bin dein Zeuge, dass du nur in Notwehr gehandelt hast.«

      Freddy Hamstedt sprach zum Telefon gewandt: »Er hat etwas von einer Ehefrau gesagt. Bist du etwa mit ihm verheiratet?«

      »War ich, mein Schatz, jetzt ist er ja tot. Nun bin ich seine Witwe.«

      »Warum hast du mir davon nichts erzählt. Überhaupt, was soll das ganze Theater?!«

      »Hast du das immer noch nicht mitbekommen, Freddy-Boy?« Ina Cumpax’ Stimme klang kühl schneidend aus dem Telefon. »Ich wollte möglichst schnell Witwe werden und habe jemanden gesucht der mir dabei behilflich ist. Und wer kam da besser in Frage, als mein Freddy-Boy?«

      »Soll das heißen, du hast deinen Ehemann auf mich gehetzt, damit ich ihn umbringe und du an sein Erbe kommst?«

      »Rege dich nicht auf. Es soll dein Schaden nicht sein. Für deine Verteidigung bekommst du die teuersten Anwälte der Stadt. Keine Angst, du wirst das Gefängnis nicht von innen sehen. Und als Entschädigung, sozusagen, erhältst du eine hübsche Summe Geld von mir. Ich habe nun genug davon.«

      »Du hinterlistige Schlange.«

      Die Antwort aus dem Lautsprecher des Telefons war ein kühles hämisches Lachen, das mit einem Mal abrupt schwieg. »Was war das?« Mehrere Sekunden war es verhalten geräuschlos. Kurz darauf fragte Ina Cumpax forsch nach: »Honey, ging da eben nicht deine Wohnungstür? – Honey, sag doch was! Bist du taub?!«

      Freddy Hamstedt, der neben dem Telefon stand, sprach mit gelöster und beherrschter Stimme. »Richtig Ina, eben öffnete sich meine Wohnungstür.«

      Die Sprechweise aus dem Apparat klang abgehackt, hektisch und aufgebracht. »Aber die Polizei … die kann das doch noch gar nicht sein … Du hast ihn doch erschossen?«

      »Als ich den Schuss auf seinen Oberkörper abgab, hat er sich sichtlich erschrocken. Er konnte nicht ahnen, dass ich so schnell eine Waffe zur Hand hatte …«

      »Was heißt erschrocken?!«

      »Nun, in meinem Revolver sind doch nur Platzpatronen …«

      »Wie bitte! Seit wann das?!«, kreischte Ina Cumpax.

      »Schon immer, Ina. Damals, als du noch bei mir wohntest, habe ich dich nur beruhigen wollen und dir erzählt, dass es sich um scharfe Munition handelt. Du hattest fürchterliche Angst vor Einbrechern. Aber richtige Patronen, und einen Menschen umbringen, so etwas würde ich nicht fertig bringen.«

      »Soll das heißen, dass Jani jedes Wort mitbekommen hat, worüber wir gesprochen haben?«

      Freddy Hamstedt reagierte auf die Frage nicht. »Sollte dein Jani wirklich so impulsiv sein, wie du ihn mir geschildert hast, dann wird es jetzt Zeit für dich.«

      »Was meinst du damit?«

      »Vermutlich wird er etwa eine halbe Stunde brauchen, bis er bei dir zu Hause ist. Solltest du dann noch da sein, wird es dir höchstwahrscheinlich an den Kragen gehen.« Er fügte hinzu: »Oder du suchst freiwillig das Weite.«

      An einem kaum hörbaren Klicken aus dem Lautsprecher erkannte Freddy Hamstedt das sie aufgelegt hatte.

      Wenige Tage später las er in der Zeitung, dass die Ehefrau des Industriellen Jani Cumpax, aus bisher unerklärlichen Gründen verschwand. Freddy Hamstedt hätte einiges gegeben, um zu erfahren, ob sie die Ankunft ihres Gatten abgewartet hatte.

      Der gestohlene Mantel

      In dieser Stadt gab es nur Platz für ein Syndikat. Aufgrund dessen war Alberto seit einem Jahr damit beschäftigt, die gegnerische Gang zu zerschlagen. Und das erfreulich erfolgreich. Dank Albertos Nachhilfe wanderten die Banden-Mitglieder von Rudolpho Kowalke, nach und nach ins Gefängnis. Erste Gerüchte kamen auf, dass seine Gang bereits unterbesetzt wäre. Für einzelne Coups griff er auf selbständig arbeitende Einzelgänger zurück. Für Alberto war dies das sichere Zeichen, dass Kowalke am Ende war. In Kürze würde er alle Fäden in der Hand halten und sein Syndikat hätte die uneingeschränkte Macht in der Stadt.

      Jeden Freitagabend saß Alberto, genauso wie heute, im besten Restaurant der näheren Umgebung: dem Ciruela. »Den Aperitif wie gewöhnlich.« Auf den fragenden Blick der Bedienung sprach er weiter. »Ich erwarte heute einen Gast. Wir werden nachher bestellen.«

      Dass man auf ihn ein Kopfgeld ausgesetzt hatte, war für Alberto klar. Ebenso einleuchtend fand er, dass man ihn hierüber in Kenntnis setzte, wer die Absicht hatte sich das Geld zu verdienen. Heute Abend, sobald Alberto das Ciruela verließ, hatte der Mörder vor, ihn zu erschießen. Er kannte den Burschen flüchtig von früher. Wenn ihn die Polizei ertappte und ausquetschte, sang der Kerl. Das passte ausgezeichnet in seine Überlegungen.

      »Hallo, wie geht es dir?!«

      Alberto war in Gedanken versunken, dass er Manuel Merkur erst bemerkte, nachdem dieser mit einem Mal vor ihm stand.

      »Manuel, alter Junge, wie lange haben wir uns nicht gesehen?! Na ja, ist auch egal. Hauptsache wir können mal wieder über die alten Zeiten quatschen, nicht wahr?!«

      »Alberto, du willst doch nicht sagen, dass du mich hierher bestellt hast, um mit mir über vergangene Zeiten zu reden?«

      Im Grunde hatte Manuel Merkur recht. So viel Gemeinsames hatten die zwei nicht. In Haarfarbe, Aussehen und Körperstatur ähnelten die beiden wie ein Ei dem anderen. In ihrem Charakter waren sie jedoch grundlegend verschieden. Alberto, der knallharte Chef einer Verbrecherorganisation. Manuel Merkur, der Langfinger, den er früher einen Eier-Dieb nannte.

      »Manuel, du hast vielleicht davon gehört, dass mein Unternehmen immer größer und größer wird.« Er sah den anderen konzentriert an. Nachdem der keine Reaktion zeigte, sprach er weiter. »Ich brauche also auch mehr Mitarbeiter. Solche, auf die ich mich verlassen kann. Sei ehrlich, so viel gibt es davon in unserer Branche nicht, oder? Du bist einer von denen, die ich einschätzen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass du gut in das Team passt …«

      »Alberto«, unterbrach ihn Manuel, »Alberto, du weißt, dass ich ein Einzelgänger bin und nur dann aktiv werde, wenn die Kohle knapp wird.«

      »Manuel, bei mir kannst du Geld verdienen, so viel du möchtest.«

      »Das ist nett von dir gemeint. Aber ich bleibe lieber unabhängig. Mit dem Gesetz möchte ich nur in Konflikt kommen, wenn es ums Überleben geht.«

      »Hast du dich schon mal im Spiegel gesehen, Manuel?« Bei den Worten warf Alberto seine Garderobenmarke auf den Tisch. »Da, schau dir in der Garderobe meinen Mantel an. Dieses Kleidungsstück kostet so viel, wie du in zehn Jahren für deine ganze Kleidung zusammen ausgibst. Einen Zweiten habe ich davon zu Haus, wenn dieser in der Reinigung ist. Normalerweise spreche ich über derartige Lappalien gar nicht. Verstehst du, was dir vielleicht entgeht?!«

      »Luxusgegenstände brauche ich nur, um sie in bares umzuwandeln. Wirklich, Alberto, ich möchte unabhängig bleiben.«

      »Du willst also ein kleiner Eier-Dieb bleiben, der alten Omas das Brot aus der Einkaufstüte klaut?«

      »Manchmal mische ich in größeren Vorgängen mit.« Bei diesen Worten öffnete Manuel Merkur sein Jackett.

      Alberto bemerkte die sich darunter befindliche Pistole. Unverhohlen erstaunt sah er ihn mit halb geöffnetem Mund an.

      Manuel lachte kurz auf. »Ich wusste gar nicht, dass man dich noch so überraschen kann. Hierbei handelt es sich um einen winzigen Fehlschlag«, korrigierte er gleich. »Um dir zu zeigen, dass durchaus auch ein einfacher Taschendieb Geld haben kann, wollte ich dich heute Abend zum Essen einladen. Auf dem Weg hierher hatte ich die Absicht von