gibt es keinen Sir William Mowbray mehr, dann bricht die Ewigkeit für den Millionär an.
Mowbray schüttelte gekonnt den Mixbecher. Er hatte sich das von einem Barkeeper in Sankt Moritz mal zeigen lassen. Seither konnte er es genauso gut wie jeder Profi. Unwillkürlich warf Mowbray einen Blick auf die Terrassentür.
Der Unbekannte zuckte von der Fensterscheibe weg. Er machte ein paar Schritte zurück und überlegte kurz, auf welche Weise er den Mord begehen sollte.
Sein Blick fiel auf die nächste Tür.
Der Raum dahinter war unbeleuchtet. Sofort huschte die Bestie darauf zu. Die Terrassentür war verschlossen, aber ein kurzer, harter Schlag genügte, und an der Stelle, wo eben noch ein Griff war, befand sich nun ein schwarzes Loch.
Grinsend drückte das Wesen die beiden Flügel nach innen weg. Sie knarrten leise, aber das war nebenan bestimmt nicht zu hören. Tief durchatmend betrat der Unheimliche das Haus seines ahnungslosen Opfers. Seine Augen versuchten die herrschende Dunkelheit zu durchdringen. Es gelang ihm halbwegs. Er Mann schaute sich kurz um. An den Wänden reichten Regale bis zur Decke hinauf. Tausende Bücher standen auf den Brettern. Ein hüfthoher Globus stand neben dem Lesetisch.
Die Bestie befand sich in der Bibliothek. Nebenan summte der Millionär. Ein teuflisches Grinsen verzerrte die Fratze des Unheimlichen. Noch summte Sir Mowbray. Noch erfreute er sich seines Lebens, das ihm Reichtum und die Zuneigung der attraktiven Frau, die gerade nackt unter seiner Dusche stand, beschert hatte.
Doch nun würde es ihm den Tod bescheren!
Die Bestie schlich weiter in die tiefschwarze Dunkelheit hinein, übersah einen kleinen Schemel, stieß dagegen und warf ihn um. Ein Poltern war die Folge, das Wesen erstarrte.
Hatte Sir Mowbray dieses Geräusch nebenan vernommen?
Der Millionär war gerade dabei, den Cocktail in einen hohen Schwenker zu gießen.
Plötzlich das Poltern nebenan!
Mowbray hob erstaunt den Blick. Er blickte zu jener Tür, die in die Bibliothek führte.
„Nanu“, sagte er irritiert.
Er konnte sich das Geräusch nicht erklären. An diesem Abend hatten alle seine Dienstboten Ausgang, außer den Personenschützern, aber die patrouillierten im Garten.
War Anne vielleicht nebenan? Unmöglich. Sie befand sich noch im Bad. Wenn er genau hinhörte, konnte er das Rauschen der Dusche vernehmen.
Nein, Anne konnte es nicht sein. Wer aber dann?
Sir Mowbray lauschte unruhig. Fast war er versucht, das Poltern zu vergessen, es einfach mit einem unbesorgten Kopfschütteln abzutun. Aber dann ließ ihm die Sache doch keine Ruhe. Er trank die Hälfte des starken Cocktails. Nicht, um sich Mut zu machen – das war nicht nötig -, sondern weil der Drink gerade die richtige Temperatur hatte.
Dann kam er um den kleinen gebogenen Tresen herum und ging mit entschlossenen Schritten auf die Tür zu, die in die Bibliothek führte. Mit raschem Griff umfasste er die vergoldete Klinke. Er drückte die Tür auf und tastete nach dem Lichtschalter. Die Beleuchtung sprang grell an.
Der Schein der kristallenen Deckenlampe riss eine schlanke Gestalt aus der Dunkelheit!
Der Anblick ließ ihn fast das Bewusstsein verlieren. Sir Mowbray starrte entsetzt in eine Raubtierfratze, die stechenden gelben Augen starrten ihn gierig an. Das Maul war weit geöffnet und entblößte lange spitze Zähne.
Mit einem Mal war ihm klar, dass er rettungslos verloren war!
Der letzte weiße Schaum glitt an meinem Körper herab. Er strich an meinen schlanken Beinen entlang und strebte dann dem gurgelnden Abfluss zu, wo er von einem kreiselnden Strudel erfasst und in die Tiefe gerissen wurde.
Ich drehte die nadeldünnen Brausestrahlen ab. Mit einem Handtuch rieb ich mich trocken. Hinterher nahm ich einen roten Bademantel vom Haken und schlüpfte leicht fröstelnd hinein. Der Mantel gehörte William. Deshalb war er mir auch rundherum zu groß, aber das störte mich nicht. Ich wickelte mich darin ein, zurrte vor dem Bauch den Bindegürtel fest und schlug die Ärmel dreimal um. Mit offenem Haar verließ ich das Bad.
Die kurze Unterbrechung hatte meine Leidenschaft nicht zum Erkalten gebracht. Im Gegenteil. Ich sehnte mich nun mehr denn je nach William.
„So, mein Liebling“, sagte ich mit einem erwartungsvollen Lächeln, als ich das Wohnzimmer betrat. „Da bin ich wieder ...“
Ich stockte, blieb an der Tür stehen, die ich zu schließen im Begriff gewesen war, und schaute mich suchend um.
„William?“
Mein Blick fiel auf den Shaker und auf das halbvolle Glas daneben.
„William?“
Ich bekam keine Antwort. Das beunruhigte mich, ohne dass ich zu sagen vermochte, weshalb. Vielleicht war es mein gefährlicher Job, der meinen sechsten Sinn geschärft hatte. Jedenfalls bildete ich mir in diesem Moment ein, ganz deutlich Gefahr zu wittern.
„William!“, rief ich erneut. Besorgnis färbte meine Stimme und machte sie eine Spur heiser.
Schnell drückte ich die Tür hinter mir zu. Fröstelnd nahm ich den Halsausschnitt des Bademantels mit der rechten Hand zusammen.
Die Tür zur Bibliothek stand offen. Im Raum nebenan brannte Licht. Und trotzdem antwortete William nicht auf mein Rufen.
Ein eiskaltes Gefühl beschlich mich. Ich glaubte zu wissen, dass irgendetwas Schreckliches passiert war. Hastig eilte ich auf die Bibliothek zu.
Im nächsten Moment sprang mich das Grauen wie eine reißende Bestie an!
Ich presste beide Hände hart an die bleichen Lippen. Meine Augen weiteten sich in namenlosem Entsetzen. Fassungslos starrte ich auf den Mann, dem meine große Zuneigung gehört hatte.
William lag auf dem Boden!
Seine Haltung war seltsam verkrümmt. Er lag auf dem Rücken, das fahle Gesicht zur Decke gewandt, die gebrochenen Augen blickten ins Jenseits hinüber. Seine Kehle war zerfetzt, nur noch eine Masse Fleisch. Der Fußboden um seinen Körper war von seinem Blut getränkt.
Der Schmerz zerriss mir beinahe das Herz. Tränen füllten meine fiebrigen Augen.
3
Joseph Baring war einer von den Gangsterbossen, die es schon fast geschafft hatten.
Er hatte mit einem Komplizen jahrelang zahlreiche Coups gelandet, die ihm die Polizei niemals nachweisen konnten. Die Verbrechen hatten ihm und seinen Leuten einen Haufen Geld eingebracht, und Baring hatte sich beizeiten die Frage gestellt, wie er die ergatterten Moneten am besten anlegen sollte. Nun steckte sein dreckiges Vermögen im Geldinstitut eines Strohmannes, den Baring fest in der Hand hatte. Und Joseph Baring war auf dem besten Wege, mit achtundvierzig Jahren einer der ganz großen Kredithaie von London zu werden. Er besaß so ziemlich alles, was man sich für Geld kaufen kann, einschließlich einer Superblondine, in der er wie ein Primaner vernarrt war und die seine Zuneigung sogar ehrlich erwiderte.
Baring überhäufte Lucy Cavendish fast jeden Tag mit Geschenken. Und Lucy dankte ihm seine Großzügigkeit auf die einzige Art, die ihr die Möglichkeit gab, sich zu revanchieren – sie gab sich ihm hin, sooft er danach verlangte. Und jedes Mal war sie bestrebt, die Begegnung zu einem unvergesslichen Erlebnis zu gestalten.
An diesem Abend trug sie eine tizianrote Perücke. Baring war leicht angetrunken. Es hatte absolut keinen Grund zum Feiern gegeben. Er hatte sich von Lucy einfach ein paar Drinks zu viel mixen lassen. Sie konnte die herrlichsten Drinks zubereiten. Kein Wunder, sie war mal Bardame gewesen. Inzwischen war sie froh, dass dieser verdammte Job der Vergangenheit angehörte. Seit sie mit Joseph zusammen war, hatte sie keine Sorgen mehr. Und die kleinen Spielchen, die sie mit ihm hin und wieder trieb, freuten sie beinahe mehr als ihn.
Ihr flammender