Wilhelm Kastberger

Zwischen Heinrich und Jeanniene


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auf gar keinen Fall. Nur beim Gewicht gilt das anders herum. Da fehlen mir gut und gerne an die zwanzig Zentimeter für das angebliche Idealgewicht. Dafür darf sich die andere Jeannine Laube Moser (ohne Bindestrich) nicht ohne Schutzkleidung in den Garten stellen, um nicht als Schreckgespenst verwechselt zu werden. Mein Großvater mütterlicherseits bezeichnete zu seinen Lebzeiten derartige Figuren vergleichsweise als Vogelscheuchen. Eine Ausdruckform dieser großväterlichen Sprache würde ich gewiss niemals nie verwenden. Diese Formulierung kann man ohne Bedenken aus dem Manuskript herausradieren, oder so …

      Doch das Beste kommt aber noch.

      Tätowierungen soll sie auch auf ihrer keineswegs glatten Haut herumtragen. An welchen Körperstellen bei ihr Bildnisse der Tätowierkunst platziert sind, das weiß ich nicht bestimmt. Man hört allerdings einiges. Von Neidlosen wurde sie ja auch schon öfters im Bikini gesehen. Jedenfalls kursieren Gerüchte davon, dass es einen Drachenkopf geben soll, der an einer eher missverständlichen Stelle ihres Körpers mit einer roten langen Zunge platziert ist. Wie schon gesagt, von Gerüchten halte ich nicht sehr viel.

      Ist mir auch egal. Ich habe keine Tätowierungen, das können sie mir schon glauben, weder an dieser Stelle hier, noch dort hinten.

      Mein Gott! Ja so sind wir Frauen halt einmal. Wir sehen unsere Geschlechtsgenossinnen immer nur aus dem unzweifelhaften und völlig bejahenden Blickwinkel. Über mögliche Schattenseiten wird kaum getratscht. Glauben sie mir, Beleidigungen kommen bei den Frauen untereinander und bei mir schon gar nicht über die Lippen. So bin halt. Ein aufrechter Mensch, immerhin was die Wirbelsäule betrifft.

      Nun muss ich aber wieder rasch rückwärts rudern, um den vorwärtsdrängenden Meister der Erzählkunst, wie er gerne genannt werden möchte, Platz einzuräumen. Sie verstehen, denn der wortgewandte Schöpfer – ich meine nicht den dort oben - kennt mir gegenüber kein Erbarmen.

      So, das war jedenfalls nur ein kleiner Streifzug rückwärts. Sozusagen eine untypische Aufwärmrunde in die jüngste Vergangenheit. So quasi ein kurzer Ausflug auf den typischen Nebengeleisen. An sich hat so eine Querfeldeinwanderung, wie sie eben in nichtblumiger Weise geschildert wurde, mit der folgenden Geschichte wenig bis gar nichts am Hut.

      Doch das entspricht auch wieder nicht der in der Unschuld vermuteten Wahrheit. Weil diese rundumstrapazierte Wahrheit im Grunde immer öfter in die selbst errichteten Stolperfallen tappt und das ist nicht nur für die Ehrenhafte schmerzhaft.

      Soweit zur Klarstellung!

      Besonders aufwendige oder gar durchkomponierte Gedankenspiralen sind auch ansatzweise gar nicht erforderlich, wenn man das zuvor Geschilderte mit dem bereits im ersten Absatz erwähnten Blütengartenmeer in Einklang bringen möchte.

      Es ist im Grunde ja relativ einfach zu überdenken und man wird Gedankenjongleure kaum in die nächste Runde miteinbeziehen müssen.

      Aber warum denn nicht?

      Weil bei den wenigsten Individuen, wenn sie auch offensichtlich nur bescheiden mit krimineller Energie bedacht worden sind, können sie sich lediglich mit einem Minimum an Freude ihrer zeitlos eingerosteten Intelligenz befriedigen.

      Anders formuliert: Solche Menschen sind pflegeleicht. Überdies sind sie handsam und entsprechend widerspruchslos. Sie lassen sich nicht nur von den Vorgesetzten befehligen. Weiters haben sie zweifellos das Talent zur Unterordnung, sind manipulierbar und deshalb auch gern gesehene Mitläufer bei den Antreibern. Diese können sich wiederum glücklich schätzen, wenn sie solche Handlanger in ihrer Umgebung verfügbar haben. Weil sogenannte machtgierige Bosse gibt es immer und überall. Meist sind es dem Anschein nach schwer begüterte und selten kirchenmausarme Mitmenschen. Doch alle ziehen sie am Seil der Befehlsgewalt und versuchen gleichzeitig nicht in den Sümpfen zu versinken, über die sie ständig schweben.

      Wenn vorhin von Blütenmeer die Rede war, dann sind nicht unbedingt die Botaniker gemeint, die fleißig ihre großzügig gestalteten Gärten betreuen. Nein, in diesem Fall haben Blüten eine völlig andere Bedeutung als im Gartenbau. Obwohl auch hier wie dort hochqualifizierte Blütenjäger emsig an ihnen arbeiten.

      Meist sitzen diese gottbegnadeten Leute bei künstlich geschaffenem Tageslicht oder vor einer Petroleumlampe in den finstersten Kellerräumen. Selten erleben sie das frische Ozon, so wie die Gartenbauer über der Erde, die in der freien Natur wahrscheinlich tagtäglich und bei jedem Wetter am eigenen Leib die Veränderungen ihrer Produkte leibhaftig verspüren.

      Nein, diese armen unterdrückten Spezialisten, die hier in dieser Sekunde gemeint sind, hocken im Regelfall völlig auf sich alleingestellt vor einem niemals aufgeräumten Tisch, umgeben von Spezialwerkzeugen, Spezialpapieren und überquellenden Aschenbechern.

      Hin und wieder verwenden diese Leute neuerdings auch modernere Maschinen, die sie quasi als eine dritte helfende Hand einsetzen. Das geschieht aber nur dann, wenn entsprechend starke Stromleitungen zeitgerecht in die tiefgeschossigen Räume verlegt worden sind.

      Unbedarfte Außenseiter mit durchwegs sträflichem Schattendasein, die über die Herstellung von Blüten oder was sonst noch an Besonderheiten dazugehört, wie zum Beispiel Urkunden aller Art, überhaupt keine Ahnung haben, sind oftmals stark beeindruckt. Je nachdem ob sie nun in voller Absicht mit einem Auftrag in der Tasche oder nur zufälligerweise mit den Künstlern in Kontakt treten konnten, denn Überraschungen werden in diesen finsteren Löchern allemal geboten.

      Der Durchschnittsmensch von der Straße hat ja ausnahmslos gar keinen blassen Dunst über das vielschichtige, arbeitsintensive Entstehenlassen von Kunstwerken, wie man berechtigterweise diese aufwendige Arbeit auch nennen darf. Sie sind bestenfalls angehalten, vorerst ihren Instinkt und das dazugehörige Augenmerk ein wenig nach rückwärts zu bewegen, um dann schleunigst mit einer abrupten Kehrtwendung die aufkommenden Gedankenmuster nach vorwärts auszurichten.

      Man könnte das hinterfotzige Gedankenspiel, das schier jeder der drahtziehenden Hintermänner vor dem Angesicht des im Keller lebenden Künstlers vollführt, beinahe mit einer kurvigen Passstraße vergleichen. Doch dieser Vergleich hinkt schon von Anfang an. Jeder hat nicht ein wendiges Gefährt unter seinem Allerwertersten zu Verfügung. Und wie arg plagen muss sich erst ein Abstrampler mit einem verrosteten Waffenrad.

      Meinetwegen wäre es schon eine Unverfrorenheit gewesen, wenn ich nicht wenigsten das Überbleibsel meiner Folgsamkeit sozusagen als Restnahrung im Rucksack belassen hätte. So leichtfüßig hätte mich sonst das Vorwärtsstreben auf der Suche nach neuen Herausforderungen auch nicht einholen können. Man kann es beinahe mit den Sinnen greifen.

      Der geniale Poet blieb wieder einmal in einen seiner Gedankengänge, vermutlich irgendwo an einem Vorsteherast hängen und kann sich offenbar von der Blütenzauberei nicht mehr befreien. Richtig draufgängerisch versuche ich ihm einen Halt anzubieten. So einen Anhalt verstehen sie, der ihn möglicherweise zu einem Winkel hinführt, wo auch die bereits selten gewordenen Zwiegespräche Erfolge haben können.

      Viel mehr kann ich im Moment dann auch nicht anbieten, weil ich mit der Vergangenheit nicht so recht umgehen gelernt habe. Viel lieber ist mir da schon das Hier und das Jetzt. Obgleich sich diese zwei überbeanspruchten Gesellen auch wieder rasch von mir zu verabschieden gedenken, um sich gleich einmal auf Nimmerwiederhören der Vergangenheit anzuschließen.

      An dieser Stelle hätte ich vor lauter Emotionen einen fluchartigen Aufschrei loslassen sollen. Doch das gehört sich nicht für eine besonnene Frau, wie ich vorgebe, eine zu sein. Aber schauen sie, das Aufregende an unserem Dichter ist doch seine intellektuelle Sprungfähigkeit. Zumindest versucht er es ständig zwischen vorwärts und rückwärts hin und her zu pendeln, um seine Geschichten in ein verträgliches Lot zu bringen. Gelingen wird ihm sein Vorhaben, ohne meiner bescheidenen Hilfe, ganz gewiss nicht.

      Aber davon hat er ja keine Ahnung. Noch nicht.

      Um wieder auf den Boden der Realität zurückzukommen, und um das verhasste Kurvige hinter sich zu lassen, bleibt es schlussendlich unwidersprochen, dass es eben einige von Natur aus Begabte gibt, die in guter Gesellschaft mit der verantwortungslosen Gier, in der Lage sind, geradezu Spitzenleistungen zu erbringen.

      Im kollektiven