Wilhelm Kastberger

Zwischen Heinrich und Jeanniene


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mit dem Blütengartenmeer und den unpassenden Vergleichen mit Blüten aller Art entspringt meiner Denkweise nach in einem Areal, wo sich seine, ich meine dem Autor seine verschlungenen Gedanken ein Stelldichein gegeben haben. Derartige geistige Verrenkungen entpuppen sich in der Regel, jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit, wie die Schmetterlinge. Die fliegen nämlich danach auch auf und davon.

      Nur hier in diesem besonderen Zwischenraum könnte es schon anders aussehen. Aus dem Schattendasein drängen sich plötzlich aufbrausende schwarztragende Gestalten aus einem Imperium nach vorne, das überlagert wird von Unklugheiten und Unbegabten. Niemand von denen wird versuchen mit dem guten Willen irgendwelche schwachen Sinne zu beruhigen oder gar Geschäfte zu machen. Vielleicht ist es aber gerade umgekehrt. Sollten sich die Sinne untereinander abtasten wollen, dann wird das meist sprunghaft und leidenschaftslos geschehen. In der Variante zwei allerdings, wird man möglicherweise den Tastvorgang zart aber distanziert bemühen, den Vorgang weiter zu führen. Dennoch wird das Navi zielbewusst zu programmieren sein.

      Er, ich meine, na sie wissen schon, löst eventuell unbeabsichtigt wechselweise Reize aus, die er aber dann gleichmäßig mit Lebhaftigkeiten zu versetzen versucht, um einen Auftakt zu gestalten.

      Apropos Auftakt: Das mit dem Dreivierteltakt ist gar ein starkes Stück. Ich weiß schon, dass ich jetzt mit meinen Gedanken nach vorwärts geprescht bin. Andererseits hoffe ich auch sehr, dass sie mir verzeihen und mir diesen kleinen journalistischen Trick nachsehen werden. Ja nicht umsonst heißt die Überschrift am Deckblatt nicht - Zwischen vorwärts und rückwärts. Das haben sie vergessen? Kein Problem. Halten sie nur ihren Daumen und Zeigefinger an die Stelle, wo sie gerademal lesen. Dann kommt der schwierigste Akt. Sie müssen nämlich mit der anderen Hand das Buch zuklappen und schon – sie werden überrascht sein – können sie den eben von mir zitierten Buchtitel aufs Neue lesen. Das können sie sooft machen, wie sie wollen.

      Irgendwie ist es schon verwirrend, dass man immer wieder die Gedanken nach rückwärts bewegen muss, um kurz darauf wieder vorwärtszukommen. Aber gerade dieser Zwischenraum erhöht eben den Reiz der Märchenerzählungen.

      (Anmerkung: Diese eingefügten Sätze wurden notwendig, um die Vorwärtsdränglerin etwas unter Kontrolle zu halten.)

      Die jetzige Gutsherrin, wenn man das so sagen kann, stammt weder aus einem alten bulgarischen Adelsgeschlecht ab, noch ist sie blaublütiger Herkunft. Nein, sie war eine gefeierte Primadonna! Heute noch wird sie mit der spanischen Opernsängerin Montserrat Caballé auf dieselbe Stufe gestellt. Das bezieht sich allerdings auf ihre Stimmgewalt und nicht auf ihren Körperumfang.

      Überall und nirgends konnte man ihren klingenden Namen Mariella Nadja Todorova von den Plakaten herunterbuchstabieren, ebenso durften Aufmerksame die x-fachen Vergrößerungen von ihrem Konterfei betrachten. All das prangte auf sämtlichen Plakaten vor den Opernhäusern, auf öffentlichen Plätzen, aber auch in den Medien konnte man sie sehen. Sie war zugegebenermaßen eine abgöttisch umworbene Diva, da gab es nichts zum Herumdeuteln.

      An den wichtigsten Opernhäusern in Bulgarien trat sie auf und nicht nur das, sie hatte zahlreiche Gastspiele zum Beispiel in London und Moskau. Vor Jahren sang sie auch auf einigen Opernbühnen in Argentinien. Einmal wurde sie sogar von den Salzburger Osterfestspielen verpflichtet. Selbstverständlich konnte man sie auch des Öfteren im Fernsehen bewundern, sowie in den diversen Radiosendern hören.

      Aber irgendein Zwischenfall beendete dann abrupt ihre Karriere. Damals wurde getuschelt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen das Singen so quasi an die Stimmgabel hängen musste. Der breiten Öffentlichkeit blieb aber der wirkliche Grund noch längere Zeit verborgen. Es war am 1. Jänner 1995, als sie ihr letztes Konzert in ihrem Heimatland gab.

      Mariella Nadja Todorova verabschiedete sich vom Publikum und wurde wie ein Star gebührlich weggejubelt. Sie war an dem Tag ziemlich genau neununddreißig Jahre jung.

      Mit der Gage als Opernsängerin wurde sie steinreich. Sie warf aber ihr gutes Geld nicht beim offenen Fenster auf die Straße. Sie war sparsam, streifte ihr Vermögen schmarotzender Weise von den anderen ein und war somit in der Lage, finanziell unabhängig zu sein. Mit Reichtum beladen, stolperte sie dann Hals über Kopf in den Ehestand hinein, was sie im Grunde eigentlich zuerst gar nicht wollte. Aber ihr gleichaltriger, langjähriger Freund und hin und wieder Lebensbegleiter, umwarb sie solange, bis sie letztlich bereit war, ihn am Samstag den 13. Mai 1995 mit einem vor dem Notar geschlossenen Ehevertrag zu heiraten.

      Ihr Neoehemann Dano Georgiev Aleksandov, wie man das heutzutage sagen würde, stammte aus einem längst vergangenen und jetzt völlig bedeutungslosen, schier verarmten bulgarischen Fürstengeschlecht. Er war zwar nicht gänzlich mittellos, nein das gerade nicht, aber reich im Vergleich zu seiner Frau, war er keinesfalls. Sie avancierte mit der Heirat sowie mit lautlosem Stolz von einer vielumjubelten Primadonna zu einer fürstlichen Schlossherrin. Das gab ihrem Ego einen gewaltigen Vorwärtsschub.

      Dano Georgiev Aleksandov besaß nämlich einen beachtlichen fürstlichen Erbgutshof, den er von seinem leider schon frühzeitig verstorbenen Onkel Nikolai übernommen hatte. Der gute Mann hatte nicht nur die Immobilie verkommen lassen, sondern er hatte auch das ganze Drumherum noch zu Lebzeiten ordentlich heruntergewirtschaftet. Der Gutshof in Selinkovac mit samt den Stallungen, den Pferden und anderen Tieren sowie jede Menge an herumstehenden Arbeitern, die nicht alle ihre ureigensten Aufgaben zu bewältigen wussten, all das war letztlich zu einer schweren Erblast für Dano Georgiev Aleksandov geworden.

      Nur die Köchin Boryana war ein seltenes Ungetüm und ein Urgestein obendrein, wenn man diese Ausdrucksform so wählen würde können. Sie regierte jahrzehntelang schon am Gutshof, wohlgemerkt nur in ihrem Bereich, aber das mit ihrer wohlgeformten energischen Handschrift. Ausnahmslos alle mussten sich ihr unterordnen, da gab es kein Pardon. Des Weiteren kannte sie sämtliche Schwächen und Gepflogenheiten des jetzigen Fürsten in- und auswendig. Sie war und ist trotz ihrer Vorzüge eine herzensgute Haut. Wenn man die Frau gut zu pflegen wusste, war sie auch manches Mal bereit, ihre wohlgehüteten Schokoladeverstecke zu öffnen. Als Wirtschafterin am Gutshof verstand sie es hervorragend, schon unter dem gestrengen Onkel Nikolai, einen Hochseilakt mit seinen Verbalallüren mit Bravour zu meistern.

      Der neue Herr im Schlossgutshof Dano Georgiev Aleksandov hatte stets die Angewohnheit früh morgens querfeldein auszureiten. Das tat er beinahe täglich. Aber seit seiner Verlobung mit Mariella, die anfangs März 1995 im Schloss gebührend gefeiert worden war, war er zunehmend bemüht, ein bisschen mehr Ordnung in sein Leben zuzulassen. Auch in seinem Betrieb, das heißt, nach der Verheiratung war es ja das gemeinsame Unternehmen, wollte er unbedingt Veränderungen herbeiführen. Das verlobte Paar schmiedete vorab schon die gewagtesten Pläne und die eine oder andere Idee ließ sich auch dann im Kleinen, versteht sich, bereits kurzfristig umsetzen.

      Der rote Faden, sprich der Wille nach maßvoller Veränderung, war strukturell zu mindestens bereits von den beiden ausgearbeitet worden. Diese eigenständigen Vorgaben wollten sie dann auch sukzessive umsetzen.

      Dano Georgiev Aleksandov wollte das Landgut mit den Stallungen und den zahlreichen kleineren und größeren Nebengebäuden mit seiner fürstlichen Ehefrau zukünftig wieder auf Vordermann bringen. Nach dem Ehevertrag waren ja beide, wie schon angemerkt, gleichberechtigte Eigentümer und das Erbrecht war gegenseitig auch so ausgelegt worden.

       Zwei

      Am Donnerstag den 25. Mai 1995 ging der fürstliche Dano Georgiev Aleksandov gegen sechs Uhr am Morgen zu den Stallungen und holte sich sein Lieblingspferd heraus, sattelte es und ritt, wie er es nahezu jeden Tag gemacht hatte, ins Land hinein. Üblicherweise kam er so gegen neun oder halb zehn Uhr wieder vom Ausritt auf den Schlossgutshof zurück. Diesmal nicht! Sein Pferd kam gegen sieben Uhr zehn zurück. Alleine!

      Es galoppierte schweißnass in den Hof, blieb vor Tränke stehen und trank vom frischen Brunnenwasser.

      Einer der Arbeiter bemerkte sofort das reiterlose Pferd. Er lief zum Schloss, betrat eilends mit seinen schmutzigen Schuhen die Küche und schlug aufgeregt, wie er war, Alarm. Die Köchin Boryana konnte es zuerst gar nicht fassen, dass der ungehobelte Stallarbeiter mit seinem dreckigen Gewand und seinen nach Pferdemist stickenden Händen und Schuhen sich ohne Weiteres in ihre Küche