Sophie Lamé

Ein Gedicht zum Todestag


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auf sich geladen hatten, die durften es auch nicht. Das war nicht recht, das war einfach nicht recht. Einen Teil seines Schwurs hatte er eingelöst, doch seine Mission war noch nicht erfüllt. Noch lange nicht, dachte er und schlief wieder ein.

      Freitag

      Quai des Orfèvres, 1. Arrondissement

      Was für ein herrlicher Morgen. Victoire de Belfort öffnete das Fenster ihres Büros, das zum Quai des Orfèvres hinaus ging und sog genüsslich die frische Luft ein. Zwischen den Blättern der Bäume, die auf der anderen Straßenseite eine natürliche Grenze bildeten, sah sie das Wasser der Seine glitzern. Um diese Uhrzeit war es verhältnismäßig ruhig, die Touristen lagen sicher in ihren Betten und auch die Einwohner von Paris hatten sich zum großen Teil noch nicht auf den Weg zur Arbeit gemacht. Sie winkte zu einer Gruppe Kollegen hinüber, die an der kleinen Mauer auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig standen und ihre kurze Kaffee­ und Zigarettenpause unter freiem Himmel genossen. Sie hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Ein noch etwas verschlafen wirkender Loïc Perrec stand im Türrahmen und lächelte freundlich.

      „Guten Morgen, Inspektor“, grüßte sie ihn und beobachtete amüsiert, wie ihr Mitarbeiter nur mit Mühe ein Gähnen unterdrückte. „Schön, dass Sie so früh schon da sind, Sie wissen ja, dass bei einem Mordfall jede Minute zählt. Kurze Nacht gehabt?“

      „Kurze Nacht, ja“, nickte Perrec und ließ gleich darauf die Erklärung folgen. „Das Gespräch mit der Nachbarin des Toten, dieser Suzanne Hérault, ist mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Diese Frau hat eindeutig etwas zu verbergen. Ich bin mir sicher, dass sie etwas weiß und habe dauernd überlegt, welches Detail mich so ins Grübeln gebracht hat.“

      „Laden Sie sie vor und nehmen Sie sie in die Mangel. Vielleicht hilft ihr die Umgebung hier ein bisschen auf die Sprünge.“

      „D‘accord, das mache ich, ich werde sie gleich anrufen. Wir sehen uns dann später im Meeting.“ Er hob die Hand, um seiner Chefin zu signalisieren, dass er nun an seinen Schreibtisch gehen würde.

      „Bis später, Perrec. Und seien Sie bitte so nett und sagen Malbert Bescheid, dass ich den Termin mit ihm vorziehen möchte. Er kann gleich in mein Büro kommen. Vorausgesetzt natürlich, er ist schon hier.“

      Den letzten Satz hatte sie etwas leiser und wie zu sich selbst gesagt, aber Perrec hatte ihn dennoch gehört. Er lief den Flur hinab und bog in das Großraumbüro ein, in dem sein Schreibtisch stand. Viele Kollegen waren es nicht, die um diese Uhrzeit – es war schließlich erst kurz nach sieben – schon an ihren Tischen saßen. Auch Malbert war noch nicht da. Der Bildschirm seines Computers war schwarz und insgesamt sah sein unordentlicher Schreibtisch, auf dem eine leere Flasche Wasser neben einer aufgerissenen Tüte mit Kartoffelchips lag, nicht aus, als wäre der Kollege an diesem Morgen schon einmal hier gewesen. Nathalie erschien im Türrahmen und fing Perrecs Blick auf.

      „Er ist noch nicht da“, sagte sie, als wolle sie diese Tatsache noch einmal betonen. In ihrer Stimme lag Missbilligung. „Er war noch nie einer der Ersten, aber am Tag nach einem Mordfall sollte er seinen Hintern doch gefälligst nicht erst um neun Uhr hierher bewegen.“ Sie schnaufte. „Ach, was rege ich mich überhaupt auf? Ich habe mich gestern schon genug über ihn geärgert. Was soll‘s.“

      Sie nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse, die sie in der Hand hielt und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie wickelte eines ihrer Lieblingsbonbons aus dem glänzenden Papier.

      „Was steht bei dir heute an?“, fragte sie und blickte ihn gleich darauf erschrocken an. „Oh Pardon, jetzt habe ich einfach Du gesagt, bitte entschuldigen Sie!“

      „Aber nein“, Perrec lachte und ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu, „das ist mir sogar viel lieber!“

      Nathalie gab dem Inspektor gerade ein Küsschen auf die Wangen, als Malbert den Raum betrat. Beiden war klar, dass ein Kommentar nicht lange auf sich warten lassen würde.

      „Oh là là, da bin ich wohl mitten in eine Verbrüderungszeremonie geraten.“

      Er grinste seine Kollegen an und schlenderte betont langsam zu seinem Platz. Perrec sah Nathalie an, dass sie nur mühsam eine bissige Bemerkung unterdrücken konnte und war selbst kurz davor, etwas zu erwidern. Doch er hatte sich gestern vorgenommen, sich von Malbert nicht provozieren zu lassen. Er würde seinen Kollegen so gut es eben ging ignorieren und gleichzeitig versuchen, gut und effektiv mit ihm zusammenzuarbeiten. Wie das gehen sollte war ihm selbst noch ein Rätsel, aber man würde sehen. Perrec ging zu seinem Schreibtisch und zog die unterste Schublade auf, um seine Umhängetasche darin zu verstauen. Er kramte Handy und Notizblock daraus hervor, als ihm etwas einfiel.

      „Malbert“, rief er zu seinem Kollegen hinüber, ohne etwas an seiner gebückten Haltung zu ändern, „Madame le Commissaire bat mich, Ihnen auszurichten, dass Sie jetzt schon zu ihr ins Büro kommen sollen.“

      Er hörte, wie ein Stuhl heftig nach hinten geschoben wurde und schon in der nächsten Sekunde fühlte er Malberts Atem dicht an seinem Ohr.

      „So so, Madame lässt mich nun schon über den lieben Loïc zu sich zitieren? Auf neue Kollegen, die sich als allererstes bei der Chefin einschleimen, können wir gut verzichten.“ Er zog geräuschvoll die Nase hoch, bevor er sich wieder aufrichtete. „N‘est-ce pas, Nathalie, so ist es doch?“ Beifall heischend schaute er sich zu seiner Kollegin um, doch die bedachte ihn nur mit einem mitleidigen Blick.

      „Komm wieder runter, Malbert“, sagte sie in einem Ton, als würde sie zu einem ungezogenen Kind sprechen. „Wir kennen deine seltsamen Anfälle. Erst gestern hast du uns eine tolle Show geboten. Ich bitte dich, kratze alle grauen Zellen zusammen, die du finden kannst und konzentriere dich auf deine Arbeit, anstatt hier den Oberfiesling zu geben.“

      Mit einer lässigen Geste nahm sie das tragbare Telefon aus der Station und steckte es sich an den Gürtel. „Ich bin für eine Weile bei den Kollegen von der IT. Offenbar haben die etwas Interessantes auf Michel Souliacs Computer gefunden.“

      Sie ging aus dem Raum, ohne Malbert auch nur eines Blickes zu würdigen. Perrec hielt den Atem an und fragte sich, was nun wohl geschehen würde. Er konzentrierte sich auf seinen Bildschirm, der ihm mit einem satten Blauton den Ladeprozess anzeigte und wappnete sich innerlich gegen eine weitere Tirade von Malbert. Doch es blieb still. Als er sich umwandte sah er, dass der Kollege ohne ein Wort den Raum verlassen hatte. Er seufzte und beschloss, nicht weiter über den Vorfall nachzudenken. Es gab Wichtigeres. Er zog sich seinen Notizblock heran und blätterte eine Weile, bevor er gefunden hatte, was er suchte. Dann nahm Perrec den Telefonhörer auf und rief Suzanne Hérault an.

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