Emilia Meyer

Endlich sechzehn


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auf eine verdrehte Art und Weise, furchtbar attraktive Sack.

      Mia versuchte mit ein paar Gästen Smalltalk zu betreiben, um sich innerlich zu zerstreuen. Sie redete mit ein paar Jungs aus ihrer ehemaligen Klasse über den neuen Star-Wars-Teil. Mit dem einen hatte sie mal Händchen gehalten. Aber das war schon ewig her. Siebte Klasse oder so. Trotzdem versuchte sie sich einzubilden, dass er ihr noch immer vieldeutige Blicke zuwarf. Dem war eher nicht so, er starrte eigentlich durchgehend auf seine Nikes, aber sie brauchte das jetzt. Sie brauchte jetzt die Bestätigung. Eigentlich sollte Vanja ihr ja die Bestätigung geben. Vanja war es doch, der was von ihr wollte. In erster Linie. Und nicht andersrum. Oder wie war das jetzt? Hatte sich die Situation in den letzten 24 Stunden um 180° gedreht? Sie hatte irgendwie nicht das Gefühl, dass er sich wirklich für sie interessierte. Also, heute benahm er sich sogar so, als würde er sie noch nicht einmal besonders mögen. Sie hatte Kopfschmerzen. War das schon der Kater? Nach einer halben Stunde setzte schon der Kater ein?! Das hatte sie sich aber anders vorgestellt. Wer war eigentlich auf die völlig hirnrissige Idee gekommen, dass Vanja sie gut fand? Wer hatte ihr das eingeredet? Sie war doch sicher nicht selbst auf die Idee gekommen. Klar, sie hatte eine blühende Fantasie, aber sie bildete sich ja generell eher Tornados und Tsunamis und den ganzen Scheiß ein und nicht heitere, wolkenlose Sommertage. Julie. Julie hatte es zuerst behauptet. Natürlich Julie. Wer sonst. Sie musste sie suchen. Sie musste sie finden. Mia musste ihre beste Freundin zur Rede stellen.

      „Wie zu Hölle bist du darauf gekommen, dass Vanja mich gut findet?“

      Mia war sich sicher, dass sie bereits lallte. Außerdem klang ihre Stimme viel zu wütend und dramatisch. Eigentlich hatte Julie ja gar nichts… Aber sie war gerade einfach unfassbar sauer.

      „Ganz ruhig, Mia. Atme jetzt mal tief ein und wieder aus. Hattest du etwa ein Bier?“

      „Woher weißt du das? Und überhaupt. Ich darf doch trinken, was ich will. Du bist ja nicht meine Mutter. Außerdem hast du auch schon mal etwas getrunken. Auf dem Geburtstag von deiner Mom. Hast du mir selbst erzählt. Zwei Gläser Wein. Das ist im Prinzip viel schlimmer als ein Mischbier. Und überhaupt. Ich bin doch gar nicht betrunken. Glaub ich zumindest. Also mir ist schon ein bisschen schummerig. Aber ich glaube, nur weil Vanja so ein Arsch ist. Und ich so eine dumme, naive Kuh.“

      „Mia! Jetzt komm mal bitte runter. Ich mach dir doch überhaupt keine Vorwürfe. Du wirst gleich sechzehn. Du bist alt genug. Ich bin nur verwundert. Du hast mir doch das ganze letzte Jahr gepredigt, dass Alkohol ein Werk des Teufels ist. Dass du nie einen Tropfen anrühren, dich nicht vom Mainstream mitreißen lassen würdest. Dass du nicht so schwach wärst.“

      „Aha. Sehr interessant. Ja, kann sein. Hab meine Meinung halt geändert. Alkohol ist super. Bier ist die beste Medizin. Menschen ändern sich halt. Bestimmte Situationen zwingen sie zur Veränderung, zur Anpassung.“

      „Innerhalb von wenigen Stunden? Mia, was ist denn los? Du wirkst nicht so, als hätte dich das Bier runtergebracht.“

      „Du hast gesagt, er steht auf mich.“

      Mias Stimme klang so trotzig wie die eines Kleinkindes, dem man sein Spielzeug entrissen hatte. Sie merkte, wie ihr unfreiwillig Tränen in die Augen stiegen. Sie musste das unterbinden. Um jeden Preis musste sie diese behinderten Tränen aufhalten. Ihre ganze Schminke würde zerlaufen. Vanja würde sie dann gar nicht mehr attraktiv finden. Aber hatte er ja anscheinend eh nie.

      „Mia, er steht ja auch auf dich. Was hat er gemacht? Das ist doch bloß seine Masche. So will er dich rumkriegen. Und du fällst auch noch total drauf rein. Oh Mann, Mia. Vanja hat dich ja schon total in seiner Hand. Er zieht die Fäden und du tanzt.“

      „Gar nicht wahr.“

      „Was hat er gemacht?“

      „Ach, keine Ahnung. Er ist jetzt erst gekommen und hat gar nicht richtig mit mir geredet.“

      „Ja, und??“

      „Ich hab mir irgendwie mehr erhofft.“

      „MIA. Der Abend hat doch grade erst angefangen. Chill doch erstmal.“

      „Aber er hat davor die ganze Zeit mir Valeska geschrieben. Und mir seit heute Morgen schon nicht mehr. Irgendwie fühl ich mich voll verarscht.“

      „Dann lass es. Wenn dir sein Verhalten jetzt schon auf den Sack geht, dann lass es. Du hast sowas doch gar nicht nötig. Du könntest jemanden viel besseren haben. Und das weißt du auch.“

      „Ja, vielleicht.“

      „Dann verhalt dich auch so! Mach dich nicht kleiner als du bist.“

      „Und was heißt das genau?“

      „Mia, versuch einfach die Party, DEINE Party zu genießen. Kümmer dich um deine Gäste, amüsier dich, rede mit den Leuten, die dich interessieren. Und verkrampf dich nicht so auf Vanja. Und dann wird er schon von alleine auf dich zukommen.“

      „Meinst du wirklich?“

      „Na, klar!“

      „Amüsierst du dich denn?“

      „Du weiß doch, ich steh nicht so auf die Leute aus unserer Stufe.“

      „Jaaa… Aber hier sind doch auch ein paar Ältere.“

      „Hm… Ja, ich finde schon nen netten Gesprächspartner. Mach dir um mich keine Sorgen. Zur Not muss ich mich halt gleich zu Valeska stellen.“

      Julie grinste frech.

      „Ja, aber dann find wenigstens raus, was da abgeht.“

      „Mia! Jetzt hör auf so paranoid und eifersüchtig zu sein. Das hält ja kein Mensch aus. Wie soll das denn werden, wenn du richtig mit ihm zusammen bist?“

      „Wunderschön“, seufzte Mia mit einem aufgesetzt schmachtenden Blick.

      „Oh, Gott.“

      Die beiden mussten lachen. Als Dankeschön drückte Mia Julie einen Kuss auf die Wange, bevor sie wieder in der Menge verschwand. Sie fühlte sich schon wieder leichter. Julies Worte hatten definitiv eine magische Wirkung. Viel magischer und zudem gesünder als Alkohol. Mia bekam Lust zu tanzen.

      Nach ein paar oberflächlichen Gesprächen, einer etwas zurückhaltenden Tanzeinlage mit drei Mädchen aus ihrer Stufe und einem zweiten V+ – dieses Mal von der Sorte ‚Energy‘ – stand Mia wieder kurz davor sich wegen Vanja elend zu fühlen. Er hatte sie immer noch nicht beachtet. Mittlerweile sehnte sich Mia zu dem flüchtigen Moment mit Vanja vor ein paar Stunden zurück: In ihren Gedanken spielte sie sein nüchternes ‚Hi‘ immer wieder ab. Im Vergleich zu seinem Verhalten jetzt, schien sein Verhalten von vorhin auf einmal sehr zuvorkommend und interessiert. Sie wollte nicht die ganze Nacht auf ihn warten. Sie wollte die Regie wieder übernehmen. Obwohl sie die ja eigentlich nie gehabt hatte. Es war kurz vor zwölf. In wenigen Minuten würde sie Geburtstag haben. Von Vanja keine Spur. Wahrscheinlich stand er mit Valeska vor der Tür und… Obwohl. Sie erblickte Valeska, die sich mit Julie unterhielt und dabei wild gestikulierte. Vielleicht war Vanja mit ein paar von den Älteren draußen. Rauchte Vanja? Sie war sich nicht sicher. Sie fänd es nicht gut, wenn er rauchen würde. Sie wollte keinen rauchenden Freund. Vielleicht war das ein Grund, ihn abzuschießen. (Mia: Vanja, es tut mir leid. Dass mit uns beiden, das wird leider nichts. Tut mir leid, wenn ich all deine großen Hoffnungen enttäuschen muss. Aber ich habe meine Prinzipien. Ich kann nicht mit einem Raucher…)

      „Mia?“

      Sie hatte ihn gar nicht bemerkt, dabei stand er direkt vor ihr. Sie blinzelte einige Male, damit sich ihr Blick wieder aufklärte. Sie war voll weg gewesen. Obwohl er nur wenige Zentimeter vor ihr stand, winkte Vanja ihr zu. So nah.

      „Alles in Ordnung? Du siehst so abwesend aus.“

      „Eh…ja. Alles super. Klar. Bin nur… bin ein bisschen betrunken.“

      „Betrunken? Ich dachte, du trinkst nichts.“

      „Ja, tue ich auch nicht. Eigentlich. Heute ist eine Ausnahme.“

      Vanja