Peter Citti

Virus des Grauens


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bis 18 Uhr, weil er seinen alten Bekannten von heute Morgen treffen wollte, um einiges mit ihm zu regeln, was Joe wichtig wäre, da es sich um einen langjährigen Freund und Partner aus der Musikszene handelte, den man nicht so einfach vor die Tür setzen konnte, egal ob es zu Recht oder zu Unrecht passierte. Dieses Argument wurde von der Oberärztin akzeptiert, aber nur unter der Bedingung, dass der Patient Joe KEINEN Alkohol trinken würde, was dieser hoch und heilig versprach.

      Auch der junge Angestellte Oscar bekam Besuch, von seiner Freundin, doch die beiden begnügten sich mit einem Imbiss in einer Pizzeria nur wenige Meter außerhalb des Krankenhausareals.

      Nur der Austro-Spanier Pedro blieb auf der Station zurück, um dort ein spanisches Buch zu lesen und Filme auf Spanisch, aber auch auf Französisch und Italienisch anzusehen.

      Das Wetter war gut an diesem Dezembernachmittag, und die Patienten, die gut zu Fuß waren, nutzten die Sonnenstunden für Spaziergänge in den Parks der Krankenhausanlage. Die Besucher kamen und gingen, Personenkontrollen gab es keine. Die auffälligeren Leute aller Art trieben sich bereits in der Innenstadt herum und sorgten dort für Wirbel im Vorfeld des traditionellen Krampuslaufes. So bemerkte auch niemand die an sich unauffälligen Personen, die überall auf dem Krankenhausgelände Teufelssalz auslegten, ein gefährlicher, nur in Spanien bis zur Perfektion entwickelter biologischer Kampfstoff, der nach Einbruch der Dunkelheit in Teufelsviren mutieren konnte, gegen die nur Eingeweihte aus der Guardia Civil resistent waren.

      Sowohl die örtliche Polizei als auch das Krankenhauspersonal stellten sich erst für die späteren Abendstunden auf Hochbetrieb ein, für die Zeit, wenn die Krampusse die Stadt unsicher machten, wobei das Problem darin lag, dass nach dem offiziellen Krampuslauf unzählige private Krampusumzüge der lokalen Gruppen starteten, die bis weit nach Mitternacht in der Innenstadt, aber auch in den Außenbezirken regierten.

      Umzüge, bei denen es wesentlich wilder zugehen würde als bei den offiziellen und gut durchorganisierten, die von den echten Fans als zu langweilig empfunden wurden, da sie hinter Absperrgittern abliefen. Doch die echten Freaks kamen zu den Nachtkrampusläufen auf die Straßen, um zu zeigen, was für Kerle sie waren, dann, wenn es ohne Regeln zuging; dann, wenn das Faustrecht auf den Villacher Straßen herrschte, wenn ungehemmt Alkohol und Drogen konsumiert wurden. Schlägereien Mann gegen Mann und bis aufs Blut. Die Verwundeten, mit oder ohne Fell, würden in der Notaufnahme enden.

      Umzüge, die nicht auf diesen Tag beschränkt waren, sondern das ganze Wochenende anhalten und erst am 8. Dezember enden würden.

      Es war wenig los an diesem Nachmittag vor dem Krampusabend, und auch auf der psychiatrischen Abteilung blieb es ruhig. So waren nur der Austro-Spanier im Zimmer 2, einige Sportfans, die im Gemeinschaftsraum die TV-Übertragungen von Fußballspielen und Schirennen verfolgten, und die bettlägerigen Patienten anwesend. Das Personal war auf den Mindeststand reduziert; niemand erwartete Probleme an diesem Nachmittag, niemand erwartete die heißeste aller heißen Nächte, die noch kommen sollte.

      Und so bemerkte auch niemand, wie Pedro im Zimmer 2 in einem normalen Trinkglas des Krankenhauses Teufelssalz mit Exorzistenöl mixte.

      Das Teufelssalz löste das Exorzistenöl sofort auf.

      Pedro schwemmte die Essenz im Klo hinunter und wiederholte den Test. Wieder behauptete sich das Teufelssalz gegen das verdammte Exorzistenöl.

      ¡Puta madre! Der Ort schien wirklich perfekt für die kommende Aktion zu sein. Noch ein paar Leichen, was in so einer Klink kein Problem sein sollte, und die größte Erscheinung des Teufels seit dem spanischen Bürgerkrieg könnte ungehindert ablaufen.

      Pedro überlegte einen Moment, wieso sich ausgerechnet dieser Platz so ideal für die Verbreitung des Teufelsvirus eignete.

      Warum ausgerechnet Zimmer 2?

      Vielleicht waren es die drei Schwachköpfe, mit denen er hier untergebracht war und die so in dieser Konstellation niemals in einem Krankenhaus zusammenkamen, schon gar nicht in einem spanischen. Ein drogenabhängiger Rapper und Herumtreiber. Ein junger Kerl mit Visionen. Und ein Säufer, der den Teufel gesehen hatte. Wo gab es so etwas noch außerhalb Spaniens?

      Und dennoch fragte er sich, wieso die Aktion ausgerechnet hierher nach Österreich verlegt werden musste. Der Dozent der schwarzen Magie der Universität von Madrid argumentierte damit, dass es in Österreich mit dem 5. Dezember einen Tag gab, der dem Teufel gewidmet sei.

      Bueno, das war natürlich ein Argument. Aber wenn Pedro sich hier umsah, sah er nur Menschen – die meisten von ihnen waren kleinbürgerlich, in schlimmeren Fällen waren sie Idioten. Also wo waren hier die berüchtigten Teufel?

      Aber der Test mit dem Teufelssalz und dem Exorzistenöl war vielversprechend, die Chancen standen weit über 80 Prozent, dass die Aktion heute Nacht klappen konnte.

      Pedro setzte eine WhatsApp-Nachricht mit den Testergebnissen an seinen General José Millán-Astray auf.

      2. Buchservice in die Klinik

      Zunächst aß Rapper Fred mit seiner Familie in derselben Pizzeria wie Oscar mit seiner Freundin. Nach dem letzten Gang verabschiedete sich Fred von seinen Leuten und verließ das Lokal. Er ging stadteinwärts, um wenigstens beim Start des Krampuslaufs dabei sein zu können.

      Zwischendurch traf Rapper Fred ein paar Kumpels aus der Szene, die nicht im Knast einsaßen oder in Entzugsklinken hockten. Trotz vieler Angebote blieb Rapper Fred clean, er schlug jedes Freibier und jeden Joint aus, dennoch fühlte er sich gut, bis ihn ein Typ ansprach, den er zuvor noch nie gesehen hatte.

      „Kennst du einen Pedro? Er soll in einer Psychiatrie hier im Krankenhaus sein“, fragte der Fremde, ein Ausländer, wahrscheinlich Spanier, mit einem unglaublichen Akzent.

      „Claro kenne ich den, ist ein ziemlich schräger Vogel. Passt gar nicht zu uns. Er schaut nur spanische Filme und liest nur spanische Bücher“, antwortete Rapper Fred.

      „Sehr gut. Würdest du was von mir für Pedro mit in die Klink bringen?“, fragte der Fremde, ein Mann, etwa 40 Jahre alt, mit Lederjacke, Jeans, Stiefeln; er könnte ein Dealer, ein Bulle oder einfach nur ein spanischer Rocker sein.

      „Wieso gehst du nicht selber hin?“ fragte Rapper Fred.

      „Keine Zeit mehr. Bald beginnt hier der Krampuslauf, und deshalb sind wir hier. Wir sind von einem spanischen Kamerateam“, antwortete der Fremde.

      „Okay, Pedro spricht auch viel vom Film. Was soll ich ihm bringen?“, fragte Rapper Fred.

      „Das hier.“ Der Fremde drückte Rapper Fred ein dickleibiges Buch in die Hand. „Ist gerade in Spanien erschienen.“

      Rapper Fred warf einen Blick auf das Cover, das Buch war verschweißt. „Historia del cine español“. Ja, das würde Pedro sicher interessieren, dachte sich Rapper Fred, und er versprach dem Fremden, Pedro das Buch zu bringen. Der Fremde war hocherfreut und spendierte noch 20 Euro für den Gefallen, die Rapper Fred gut brauchen konnte.

      Dann verschwand der Fremde in der Menge. Rapper Fred sah sich noch einmal um, ob er hier irgendwo ein TV-Team sehen konnte, und er sah auch einige Leute mit professionellen Kameras und Scheinwerfern herumlaufen, aber seiner Meinung nach waren es alles einheimische Filmleute oder Italiener. Egal. Der Kerl hatte ihm das Buch für Pedro gegeben und ihm einen Zwanziger extra spendiert, er würde das Buch an Pedro liefern, auch wenn es ihm jetzt etwas hinderlich war, denn es war ein äußerst dickleibiges Buch, doch es passte unter seine Jacke, und so sah er noch etwas gesetzter aus, als er es sowieso schon war – in der Klink hatte er Speck angesetzt.

      Ein Böllerschuss eröffnete den Krampuslauf.

      Auch der Angestellte Oscar und seine Freundin wurden in der Pizzeria von einem Kellner angesprochen, ob sie ein Päckchen für Pedro in die Klinik mitnehmen wollten.

      Zuerst waren die beiden etwas distanziert, aber nach einigem Hin und Her stimmten sie zu, einen neuen Roman für Pedro mit aufs Zimmer zu nehmen. Der Kellner zeigt den beiden den Buchtitel auf der Bestsellerliste