Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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auch, meinen Namen hinein zu schreiben. Denn ich will gerne dafür sorgen, dass etwas von mir erhalten bleibt. Irgendwie. Aber zum Glück, bleibe ich auch in meinen Kindern erhalten! Mit dieser Spende hat die Gemeinde dann noch einen Schatz aus unserem eigenen Waldstück, der sie nichts kostet.

      Ach, dass eure Urgroßeltern uns so schnell verlassen mussten. Das schmerzt schon, so kurze Zeit hintereinander zwei liebe Menschen zu verlieren. Irgendwie blieb keine Zeit, den Tod des Großvaters zu betrauern, weil die Großmutter schnell darauf erkrankte. Alle Gebete und Messen haben nichts geholfen. Wer weiß, ob im letzten Winter, in dem es selbst für unsere Breiten zu frostig war, nicht schon der Grundstein für ihre Leiden gelegt wurden? Ach, ich vermisse meine Großeltern schon sehr. Dies muss ich auf meine alten Tage von fast fünfzig Jahren doch zugeben. Auch deshalb ist es nun an der Zeit, dass wir uns unsere eigene Kirche besonders hübsch ausstaffieren. Ich bin nur froh, dass der Gemeinderat endlich ein Einsehen hatte. Wie wir die Arbeitsaufteilung machen, während der Hof weitergeführt werden muss, darüber reden wir, sobald die im Sägewerk die ersten brauchbaren Balken gemacht haben. Schärft schon mal alle eure Werkzeuge, damit es zügig vorangehen kann und wir nächstes Jahr Weihnachten schon die herrlichen traditionsreichen Choräle, von unseren Frauen gesungen, darin erklingen hören!<<

      >> Das war ein langer Vortrag, Papa! Ich bin sicher, dass du von allen Hilfe erhalten wirst. Die tüchtigsten Männer werden dir und Großvater zur Seite stehen. Deine Cousins und Freunde sind fleißige Leute. Natürlich helfen wir wo wir können, damit das Projekt 'Lato' zügig fertig wird! Ich bin zuversichtlich, dass es ein gutes Projekt wird! Und deine Trauer über den Tod unserer Urgroßeltern kannst du dann auch abarbeiten! Arbeit ist das beste Mittel gegen die Trauer und das Vergessen!<<

      >> Ach Piotr, wenn alles so einfach wäre. Niemals darf man vergessen, dass diese lieben Verwandten unser Dorf mit aufgebaut hatten. Meine Großeltern waren durchaus sehr tatkräftige Leute hier und sehr in die Gemeindearbeit eingebunden. Und nun fehlen sie und können das große Ziel nicht miterleben. Auch dies finde ich so traurig.<<

      Die Gespräche drehten sich nur noch um den Ausbau der Kirche, die in diesem kleinen polnischen Dorf, Leszkowice, vor nur wenigen Jahren erbaut worden war. Die ganze Familie Lato war damit beschäftigt, sich mit dem eigenen Holz und ihrer Arbeitskraft zu beteiligen. Mutter Rozalia und Tochter Anna sollten mit deren Brüdern, Julian und Jożef, den Hof weiterführen. Während die anderen Familienmitglieder damit beschäftigt waren, aus schönen schlanken Fichtenstämmen brauchbare Bretter und Balken für den Innenausbau des Kirchendachstuhls zu fertigen, würden Władek, sein Vater und seine größeren Söhne diese im Dachstuhl anbringen. Sofern sie keine Schüler waren.

      Die starken, fleißigen und praktischen Burschen wurden zwar mit wenigen Jahren Abstand hintereinander geboren, aber zwei von ihnen waren noch im Teenageralter und mussten deshalb auch die Schulbank drücken. Was für die schnellen und neugierigen Söhne Władeks kein Problem darstellte, da sich die Schule genau zwischen dem Elternhaus von Władysław und dem Wald befand, sparte man doch enorm viele Wege und somit, Zeit. Der Kirchplatz lag unmittelbar neben dem Elternhaus und die Schule nicht weit entfernt davon.

      Das Wohnhaus von Władysław und seiner Familie lag etwas entfernt, am nahe gelegenen Fluss Wieprz.

      Schon eine gewaltige Aufgabe, die sie sich stellten. Aber als katholische Polen schreckt man nicht davor zurück, wenn es darum geht, einen frommen Einsatz zu leisten. Auch wenn das Privatleben dafür zu kurz kommt und es ein Mammutprojekt werden soll. Hier wurde die ganze Familie in das Projekt Koscioł, Kirche, eingespannt.

      Endlich war alles Holz geladen und die schweren Eisenketten um dieses herumgeschlagen und festgezurrt, damit die enorme Fuhre sicher durch den Wald kam und ihren Zielort erreichte. Die jungen Burschen hangelten sich auf die schon aufgeladenen Stämme obendrauf, die Beine im Reitersitz darum geschlungen um sich so auf ihnen sitzend fest zu halten, bis die Ladung am Zielort ankam. Das Gespräch der vier drehte sich nur um die bevorstehende schwere Arbeit; - den Innenausbau der eigenen Dorfkirche.

      Damit das Pferdegespann die schwere Last auf den durchgeweichten Arbeitswegen durch den Wald bis zum Besitzer der großen Säge, in der Nähe des in Ostpolen gelegenen Dorfes, nahe der östlichen Grenze Westeuropas, ziehen konnte, war viel guter Zuspruch an die fleißigen alten Gäule nötig. Am Haus des Sägewerks angekommen, waren wieder etliche gemeinschaftliche Handgriffe nötig, das vorbereitete Holz an Ort und Stelle zu lagern, damit es dort verarbeitet werden konnte. Gemeinsam und zügig entluden und schichteten die Männer die wertvollen Hölzer und markierten sie mit dem Familienzeichen der Latos.

      Außerdem mussten die noch hervorstehenden Astknoten abgehackt werden. Danach erst konnten die großen Sägeblätter daran arbeiten, um herzustellen, was gebraucht wurde. Nämlich, feine glatte Bretter und Bohlen für den Dachstuhl ihrer Kirche. Einige der nicht so gut gewachsenen Stämme wurden mit nach Hause genommen, um dann gehackt, als Winterbrand für den Ofen gelagert zu werden.

      Nach diesem schweren Tagwerk ging die Fahrt des Pferdewagens in Richtung Fluss hinunter. Endlich zu Hause, wo schon eine kräftig dampfende Suppe auf alle wartete. Rozalia hatte mittlerweile mit Hilfe ihrer hübschen erwachsenen Tochter Anna den Tisch für nunmehr acht Personen gedeckt. Reichlich geschnittenes Brot, einen dicken Teller gewürfelten Schinken und gekochte Eier dazu gestellt. Nachdem sich alle Waldarbeiter gewaschen hatten, sprachen sie, um den Tisch herum sitzend, das Tischgebet. Danach wurde der große Topf mit Żurek auf den Tisch gestellt, der mit großem Heißhunger erwartungsvoll angeschaut wird.

      Jeder nahm sich von den aufgeschnittenen Schinkenwürfeln, streute sie auf die aufgegossene, glühend heiße Suppe auf seinem Teller, obenauf noch einige gekochte Eierscheiben. Eine große Scheibe dunkel gebackenes Brot in die Hand zum Aufstippen und schnell wurde der Suppentopf geleert. Mit dankbarem Blick zur Mutter und Schwester und einem herzlichen, ehrlichen 'Dziękuje', Dankeschön, wurde die Mahlzeit beendet. Bevor aber der Tisch verlassen wurde, durfte nun noch ein Gläschen Wodka nachgegossen werden. Davon machte nur der Hausherr Gebrauch.

      Aber dafür mit dem größten Vergnügen. Der Tisch wurde gemeinsam abgeräumt. Mutter und Tochter spülten zusammen das Geschirr ab, plauderten über das Tagesgeschehen des Dorflebens und das galt als Signal für die Männer, dass nun jeder nach seinen Neigungen, zum gemütlichen Teil des Abends übergehen konnte.

      Heute war dieser Abend allerdings ein wenig anders, denn es war ein Tanzabend angesagt, der als Planungsabend getarnt, der großen Dorfkirmes vorausging. Der Abend, an dem alles vorbereitet wurde für den morgigen Samstag, an dem sich nur um die Familie und das Vieh gekümmert wurde. Am Sonntag, nachdem die Tiere des Hauses als versorgt galten und nach der anschließenden Messe, wurde das Hauptfest eröffnet, an dem zu Spiel und Spaß aufgerufen wurde.

      Wie immer standen die Männer des Dorfes auf dem Kirchhof zusammen und beratschlagen, wie man demnächst mit dem Innenausbau des Dachstuhls vorgehen sollte. Władysławs Vater, Jan Pawel, und seine Cousins standen um ihn herum und er organisierte die Arbeitseinteilung. Damit keine Familie ihre landwirtschaftlichen und der Gemeinde gegenüber verpflichtenden Arbeiten auszuführen beeinträchtigt wurde, brauchte es das gemeinsame Gespräch. Lehrer, Priester und Polizist des Ortes waren genau so eingeteilt, sofern sie zur Großfamilie Lato gehörten. Jemand aus der Runde ließ schon eine kleine Flasche Wodka rundgehen, um den erfolgversprechenden Festsonntag mit seinen Nachbarn zu begießen.

      Die Frauen des Dorfes zogen, geschmückt mit regionalen Trachten, schwarzen Röcken und Westen, weißen Blusen, weißen Schürzen mit herrlichen Blumenmustern darauf gestickt, bunten Kopftüchern und Schultertüchern mit langen roten Fransen und, natürlich den obligatorischen roten Holzperlenketten zum Festplatz, um die nötigen Vorbereitungen zum Festschmaus zu treffen. Dabei schwangen sie im Gehen ihre Röcke bezaubernd hin und her und sangen traditionelle Lieder. Begleitet wurden sie von den Spielmannsleuten, die somit den noch zu Hause Gebliebenen kundtaten, dass das Fest begann. Die Kinder und Jugendlichen von Leszkowice trugen oder fuhren auf Karren, aus Weizenähren und Stroh geflochtene Kronen. Fußgruppen mit bunten Blumensträußen und Bändern in vielerlei Farben, schlossen sich dem munteren Zug an und ein frisches Plaudern in jugendlicher Manier, mischte sich respektlos in die traditionellen Gesänge hinein. Sie freuten sich vor allem auf die Spiele, den Tanz und eventuell sogar auf die harmlosen Spiele