Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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Festscheune angekommen, eröffnete ein bunter Folklore Reigen den Tanz, während die nicht so Tanzwütigen, die Älteren oder Schwangeren, so wie Rozalia, in der Gemeindescheune verschwanden, um das mitgebrachte Essen vorzubereiten. So langsam kamen auch die Männer angetrudelt und halfen in galanter Art den Frauen bei der schweren Arbeit. Der Folklore Tanzkreis zeigte die einstudierten Tänze.

      Kaum waren sie aber von der Tanzfläche herunter, stürmte sogleich schon die Jugend unbändig auf die Bretter des Frohsinns. Bis zum Mittag fanden schon einige der jungen Leute zusammen und bildeten Paare. Ein himmlischer Frieden vermittelte dieses Fest, mit Freude am Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft, und den neuen Erfahrungen, welche die Jugend des Ortes machen durfte.

      Ich kann dir verraten lieber Leser, dass sich aus der von mir vorgestellten Familie, Anna und Jożef besonders abhoben. Denn aus dem Flirten der vergangenen Feste wurde bei ihnen Liebe. Bei so viel Vertrautheit zwischen den Paaren merkte man, dass sie sich schon länger einig waren. Heute, an diesem wunderbaren sonnigen Herbsttag, saßen sie mit ihnen bei der versammelten Familie, zeigten auch dem Dorf ihre Zugehörigkeit zu ihr und dass sie die Absicht hegten, sich zu binden.

      Zunächst einmal läutete der Priester mit seiner großen Schelle und bat zum Tischgebet. Wunderbare Düfte durchzogen die Luft. Verschiedene Leckereien wurden angeboten. Vom traditionellen Żurek, bis zu Bigos, Pierogi in verschiedenen Varianten, und natürlich Fisch und Fleischgerichte in Hülle und Fülle. Gemüse und Salatschüsseln überhäuften die Tische und Würste, wunderbare polnische Würste in mannigfacher Gestaltung. Sowie vielerlei hübsch dekorierte kleine Törtchen, in fingergerechte Stücke geschnitten. Und natürlich viel Tee wurde dazu getrunken.

      Hier fehlte heute nichts. Der Bürgermeister hatte die gegrillte Sau gespendet, die stückweise auf dem Rost schmorte.

      Die Gläser klirrten und jeder langte genüsslich und dankbar zu. Die frisch verliebte Anna beschloss mit ihrem Marian, sobald es in den nächsten Tagen einen tüchtigen Regen gab, sofort danach in den Wald in die Pilze zu gehen. Es wurde Zeit Pilze zu sammeln, um sie für den Winter einzukochen und zu trocknen. Viel Arbeit war es allemal. Aber ein nicht zu beschreibender Genuss, wenn zum Weihnachtsmahl eine frische Pilzsuppe auf den Tisch kam. Dafür musste jetzt vorgesorgt werden.

      Jożef bekam den Vorschlag seiner Schwester mit und erbot sich gleich, mit seiner Solanka ebenfalls in die Pilze zu gehen. >>Hoffentlich wird es bald einen tüchtigen Regen geben, damit der Waldboden feucht und locker wird und die Fruchtkörper der Pfifferlinge und Steinpilze, Champignons und wie sie alle heißen, reichlich sprießen,

      damit sich der Einsatz lohnt.<< Meinte er vorsichtig.

      Am späten Nachmittag, zogen sich die Frauen mit den kleineren Kindern zurück und gingen nach Hause. Die Jugend und die Reiferen, nicht „Schonungsbedürftigen“ blieben bis spät abends vergnügt im Tanz zusammen und leerten dabei einige Flaschen selbstgemachter Limonaden, Bier und natürlich; - auch Wodka.

      Zuletzt blieb der feste Kern der Organisatoren, um aufzuräumen, bevor sich in später Nacht verabschiedet wurde. Nicht ohne vorher besorgt über die neue Welle in Deutschland und den damit verbundenen Sorgen debattiert zu haben. Praktisch schon ab dem dritten Gläschen Wodka wurde die Politik ins Mittelfeld der Gespräche gerückt. Doch warum sollte man sich Sorgen machen?

      Der Erste Weltkrieg war doch gerade erst vorbei!

      Die Menschen waren erst einmal damit beschäftigt, die Trümmer in jeder Form zu verarbeiten, die dieser schreckliche, unsinnige Krieg hinterließ. Es konnte doch nicht schon wieder einer daher kommen und einen Krieg führen wollen?! Doch nicht Deutschland?! Ein zweites Mal hintereinander! Endlich war Polen nach Jahrhunderten wieder eine freie Republik geworden und ein eigener anerkannter Staat. Dank Marschall Jożef Piłsudski, der im November 1918, nach 123 Jahren polnischer Fremdherrschaft, Polen wieder zu einem unabhängigen Staat führte. Da konnte nichts passieren, war die einige, tröstende Meinung!

      Jetzt erst einmal die Kirche fertig ausbauen und die Häuser und Felder für den kommenden Winter richten. Einkochen und viele, viele Dinge mehr waren zu erledigen. Auch das Sammeln der kostenlosen Leckereien, die Mutter Natur bereit hielt um dem Menschen das Überwintern zu ermöglichen, waren die vorrangigen Dinge, die es anzugehen galt.

      Während der Gespräche der Senioren und Männer im „Besten Alter“ zogen sich Piotr und Edek zu den jungen hübschen Mädchen zurück und führten verliebte und scherzhaft, neckende Gespräche. Daraus ergab sich immerhin die Hoffnung auf ein nächstes Treffen mit Basia und Emilka, die sie heute näher kennen lernten. Zahlreiche Verliebte tändelten diese Nacht Hand in Hand die lange Dorfstraße hinunter zur Wieprz, um sich noch am Fluss bei strahlend leuchtendem Vollmond ein romantisches Stelldichein zu geben.

      Zum Glück durchfließt das Flüsschen das ganze Dorf in voller Länge, so dass es für jeden ein lauschiges Plätzchen gab. Doch irgendwann ging jedes Fest zu Ende und die verliebten Kavaliere brachten ihre eroberten Schönheiten nun doch sittsam nach Hause, um dann selbst schnell ans heimische Herdfeuer zu kommen. Es wurde schon empfindlich frisch am Abend. Das eine Gläschen, des ihnen zugestandenen Wodkas, tat seinen Teil dazu, dass sie fröstelten. Müde, aber selig vor Glück über das Versprechen, sich wieder zu treffen und, sogar eventuell einmal zusammen bis nach Lublin, der nächst größeren Stadt, mit dem Rad zu fahren, ging Piotr diese Nacht unter seine dicken Federkissen. Durch das von Rozalia in Gang gehaltene wärmende, Ofenfeuer im Hause heimelig empfangen, kuschelte er sich in seine Kissen und hatte wunderbare Träume.

      Am nächsten Morgen hatte so manch einer von zu viel Feiern einen schweren Kopf. Rozalia schmunzelte, als sie ihre Männergesellschaft am frühen Morgen um den Tisch versammelt antraf. Sämtlich den Kopf in die Hände aufgestützt, grübelnd ins Nichts schauend, saßen sie da, als sie den Topf mit heißer Frühstücksgrütze auf den Tisch stellt. >>Hier hilft nur frische Luft und Bewegung.<< Stellte sie erbarmungslos fest. >>Am besten ihr geht gleich rüber aufs Feld und bereitet die Scholle für den Frost vor. Die Störche unseres Hausdaches haben schon längst ihr Nest verlassen und sind weggezogen. Ich werde das Mittagessen zu euch bringen. Dann braucht ihr die Arbeit nicht zu unterbrechen und den Weg nicht extra hierher zurück zu machen.<<

      >> Aber Mama, du musst doch dann die Wieprz durchqueren. Es ist schon viel zu kalt dazu!<< War der Einwand der besorgten Tochter. >>Und dann in deinem Zustand!<< - >>Das wird schon gehen.<< Meinte Rozalia.

      >> Ging doch die ganzen Jahre auch. Warum sollte es jetzt nicht mehr gehen? Nur weil ich schwanger bin, bin ich noch nicht ausgemustert!<<

      >> Da sagst du etwas, Mamusia.<< Wirft Julian ein. >>Immerhin liegen fast dreizehn Jahre zwischen der letzten Schwangerschaft und der Jetzigen! Apropos, von wegen ausgemustert, ich werde zur Musterung in die Militärschule gehen. Ich möchte dort aufgenommen werden.<< - >>Aber Junge, warum denn? Ist doch schon genug, dass Jożef und Bolek die Uniform tragen! Warum willst du auch noch zu den Soldaten? Wir können dich hier wirklich bei soviel Arbeit gut gebrauchen. Und dann wäre das Projekt mit der Kirche nicht zu vergessen!<< >>Richtig, pflichtete ihr Mann ihr nun, ganz erschrocken über diese Neuigkeit, die ihm sein Sohn da eröffnete, bei. Wir haben doch zwei Soldaten in der Familie!<<

      Anna warf schnell ein: >>Nicht zu vergessen, wenn ich Marian heirate, gibt es einen dritten Soldaten in der Familie.<< - >>Aber schaut doch, ich bekomme eine Ausbildung. Und außerdem ist dann ein Esser weniger im Hause.<< - >>Wenn es danach ginge mein lieber Sohn, würden keine Eltern mehr Kinder produzieren. Was soll das Gerede? Wir haben bis jetzt immer satt zu essen gehabt. Nur weil ihr erwachsen werdet, wird uns das Land nicht weniger gut ernähren. Dies ist für mich kein Grund, dass meine Söhne nicht hier bleiben sollen.<<

      >> Du verstehst das nicht, Mamusia. Alle gehen jetzt zum Militär und haben danach eine Ausbildung. Es gibt so viel Neues da draußen. Außerdem kommt man ein bisschen herum.<< - >>Herum kannst du auch hier kommen, wenn du die Kühe auf die Weiden führst, werfen nun Rozalia und ihr Mann fast gleichzeitig ein. Unser Dorfleben ist dir nicht genug. Das ist der Grund.<< - >>Ach Mama, immer muss man alles erklären. Wir sind doch so viele hier. Die Hofwirtschaft wird schon weiter gehen.