Rozalia Wnuk

Piotr, der Zwangsarbeiter


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      Schweren Herzens mussten die Eltern akzeptieren, dass Julian sich nicht umstimmen ließ. Piotr und Edek saßen mit angelegten Ohren am Tisch und hörten ohne Einwand dem Gespräch interessiert zu. Sie, als zwei aufgeschlossene, neugierige junge Burschen haben sich wohl gedacht, was für ein Erlebnis, dass sie demnächst zumindest schon mal wieder nach Lublin fuhren. Aber was Julian da anführte, hörte sich spannend an. Dazu müsste man einmal mit Jożef und Bolesław sprechen. Was die beiden wohl davon hielten? Immerhin waren sie schon länger Soldaten und taten; - Dienst an der Waffe.

      Ob es wohl schlimm sein konnte, so ein Soldatenleben? Oder ob es spannend war, etwas neues dazu zu lernen, sowie Julian es vorhatte und es sich ausmalte?

      Jetzt plagten sie erst einmal Kopfschmerzen. Mangelnder Schlaf und die verliebten Gedanken an ihre reizenden Tanzpartnerinnen von gestern, waren daran schuld. Edward wollte am Abend nach der Arbeit zu seiner Emilka nach Firlej radeln. Piotr hatte es nicht so weit, denn Basia wohnte in der Hauptstraße von Leszkowice. Das würde ein romantischer spätherbstlicher Abend werden, - freuten sich die zwei.

      Ohne weitere Kommentare zu Julians Gespräch bedanken sich Jożef und Bolek und machten sich auf den Weg zu ihrer Kaserne nach Lubartow, in der sie die ganze Woche über bleiben würden und ihren Dienst versahen. Stumm umarmten und drückten sie die Eltern und diese sahen ihren großen Jungs sehr sorgenvoll nach. Ein tiefes 'Ach' entströmte Rozalias Brust. Sie schüttelte den schönen dunklen Haarkranz, band ihr Kopftuch um, sagte 'Dziękuje' in Richtung aller und entschwand im Stall.

      Zunächst mussten die Hühner gefüttert und die Eier gesucht werden, die das fleißige Federvieh manchmal hinlegte, wo es gerade Lust dazu verspürte. Als dies getan war, nahm sie den Melkschemel aus der Ecke und wollte mit dem Melken der beiden Kühe beginnen. Schon stand Anna hinter ihr und nahm ihr den Zinkeimer und den Melkschemel aus den Händen. >>Ich weiß, dass du sorgenvoll bist, bei so vielen Jungen, die mit dem Gedanken spielen, eine militärische Ausbildung anzustreben. Du musst sie verstehen. Es sind junge Männer.

      Für sie ist es natürlich, nicht nur Bauer oder Handwerker zu sein. Sondern auch Verteidiger ihres Vaterlandes, sollte es wieder einmal Krieg geben, was Gott verhüten möge. Und es sind Männer, die nicht zuschauen würden, wenn andere kämpfen, verstehst du das, Mamusia?<<

      >> Ach Anna, Kind, natürlich verstehe ich sie. Es sind doch meine Kinder. Nur, ich bin ihre Mutter. Glaubst du, es macht mir ein wonniges Gefühl, wenn ich weiß, dass meine Kinder lernen zu töten und selbst unglücklich darüber werden, anstatt mit dem Pflug umzugehen und damit zu lernen, sich ihr Brot zu verdienen?<<

      >> Aber das können sie doch schon, Mama. Nun wollen sie mehr. Sie wollen mehr können. Auch mein Marian denkt so.<< - >>Ach ja, wo wir gerade alleine sind. Erzähle mal von ihm! Habe ich etwa die Aussicht, Schwiegermutter zu werden?<< - >>Ich glaube schon. Und so wie ich das mitbekam, bist du bald dreifache Schwiegermutter!<< - >>Was; - wollt ihr eure Eltern arm und alleine lassen? Wieso dreifach?<< Währenddessen bearbeitete Anna lachend die Euter der Kuh Marysia, die sehr interessiert dem Gespräch zuzuhören schien und sich dabei die Milch abzapfen ließ, während sie ein Bündel Heu im Maul hin und her schob.

      >> Ja willst du sagen, dass du gestern nicht mitbekamst, dass auch Bolek und Jożef Feuer fingen?<< - >>Na ja. Man kann ja mal brennen. Aber gleich heiraten!<< - >>Mama, solche Gedanken habe ich dir gar nicht zugetraut!<< >>Nun ja, meine Tochter, ich meine nur. Ist es denn so ernst mit ihnen?

      Und warum sprechen sie nicht zuerst mit ihren Eltern darüber?<< - >>Ich denke, dass sie unsicher sind, ob ihr einverstanden seid. Und weil dann gleich drei eurer Kinder; - na ja, und Helfer, vom Hof gingen.<< - >>Ach so, daher weht der Wind. Denkt ihr alle, wir haben euch in die Welt gesetzt und großgezogen, um euch am Rockzipfel zu führen?<<

      Beide Frauen lachten nun herzlich miteinander. So locker hätte Annas Mutter die Neuigkeit nicht hinnehmen sollen, bei der großen Fläche an Ackerland, welche zu

      bewirtschaften war. Und der Forst brauchte auch noch jemanden, der nach dem Rechten sah. Aber immerhin. Recht hatte sie, dachte Anna. Ich bleibe auf jeden Fall im Dorf wohnen. Darauf bestehe ich, wenn mich Marian wirklich fragen sollte, ob ich seine Frau werden will. Als die beiden Frauen in die Küche zurückkamen, lag diese verwaist vor. Alle waren ausgeflogen und auf dem Weg zum Feld. Rozalia sortiert die Eier und überlegt, was es Mittags zu essen geben sollte.

      Sie holte die Kartoffeln aus dem Keller, setzte sich damit an den Küchentisch und begann, sie zu schälen. Irgendwie schien ihr jetzt das Stehen schwer zu fallen. Mit zunehmender Schwangerschaft fiel es ihr leichter, die Vorbereitungen zu den Mahlzeiten sitzend am Küchentisch zu verrichten. Immerhin war sie im siebten, eigentlich im achten Monat schwanger, nicht mehr ganz jung und ihr Bauch ganz schön schwer gepackt. Bei ihrer schlanken Figur hatte sie eine Menge zu tragen. Mit Sicherheit, so wie das Kind in ihrem Bauch oftmals strampelte, würde es wieder ein Junge werden.

      Oh welch ein Glück, dass ich wenigstens die eine Tochter habe, die im Haus mithalf, wenn sie nicht im Gemeindebüro arbeitete, dachte sie dankbar.

      Anna gesellte sich zu ihr und gemeinsam bereiteten sie das kräftige Essen für den heutigen Tag zu.

      Ihre drei Männer, Władek mit seinen beiden Söhnen, Edek und Piotr, gingen ein Stück des Weges gemeinsam. Dorthin zu der Stelle, an der die Wieprz einen seichten Übergang durch den Fluss ermöglichte. Da fiel Władek urplötzlich die Kirche ein. >>Ach Gott, ach Gott. Der erste Tag des Ausbaus und ich vergesse, dass ich für heute schon eingeteilt bin! Könnt ihr den Pflug schon mal ohne mich durch den Acker ziehen und die Schollen grob liegen lassen, damit Schnee und Frost sie tüchtig durchfrieren? Diese Arbeit kann einige Tage dauern, also kann ich noch genügend mithelfen. Aber heute habe ich zugesagt und muss zuerst mit eurem Großvater, Onkel Jacek und Stanisław in der Kirche den Ausbau beginnen. Zum Mittagessen komme ich rüber zu euch aufs Feld!<<

      Die beiden Jungs wateten durch den Fluss zum großen Feld hinüber und machten sich daran, im Unterstand die nassen Kleider zu wechseln. Wie dem Vater versprochen, zogen sie gemeinsam den schweren Pflug heraus, spannen das bei frostfreiem Wetter immer auf der Weide grasende Pferd davor und zogen ihre Furchen. Ihren Spaß hatten sie dabei allemal, weil sie sich gehörig lästernd über die Freundinnen ihrer Brüder ausließen. Natürlich wurde auch über die bevorstehende Hochzeit ihrer Schwester gesprochen, die bestimmt bald im Dorf für Gespräch sorgen würde.

      Endlich mal wieder eine prunkvolle polnische Hochzeit. Mit viel Tanz und Essen und allem drum und dran. Aber sicher, wie sie ihren Vater kannten, wird gewartet bis der Dachstuhl der Dorfkirche ausgebaut ist, damit im eigenen Dorf geheiratet würde. Władek war ein Mann und Vater; -sehr traditionsbewusst und heimatverbunden.

      Die Jungs rätselten schon einige Zeit darüber, warum ihr Vater nicht so eifersüchtig, wie sonst war. Er führte sich überhaupt nicht mehr so gekünstelt wichtig auf, war ihnen aufgefallen. Immerhin heiratete seine einzige Tochter bald. Und das Haus würde sie dann bestimmt verlassen und einen eigenen Hausstand gründen. Hoffentlich blieb sie im Ort. Das wäre für Mutter ein Segen. Gegen diesen Marian hatte er nie etwas einzuwenden und ihn gleich akzeptiert. Schon seltsam, wo ihm doch die ganzen Jahre keiner gut genug für seine Prinzessin war. Aber so sind Väter eben, stellen die zwei trocken fest. Eventuell war er so friedlich, weil er jetzt rund um die Uhr eingespannt und an allen Ecken seine Meinung gefragt war. Außerdem bringen wir Burschen schöne Töchter ins Haus. Bei ihnen konnte er glänzen. Darauf freute er sich bestimmt heimlich. So, und noch mehr witzelten sie herum und zogen geduldig mit dem Ackergaul die Furchen des Feldes. Selbst waren sie ja auch vernarrt in ihre Eroberungen und leisteten sich den ein oder anderen prahlerischen Spruch darüber.

      Mit dieser Arbeit und ihren ketzerischen Reden vergingen die frühen Stunden schnell. Bis sie merkten, dass ihnen der Rücken schmerzte. Die Hände krampften vom Festhalten des Lederriemens, der das Pferd führte.

      Sie setzten sich an den Rand des Feldes, einen langen Grashalm zwischen den Zähnen und lästerten und träumten am hellen Tag in den buntesten Farben. Bis sie dachten, dass sie genug geruht hätten und erneut die