Viktoria Horstbrink

Melodie


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      Viktoria Horstbrink

      Melodie

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Epilog

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

      „Kannst du nicht wenigstens David mit ins Bad nehmen?“ ruft Vivian ihrem Ehemann hinterher. Doch Niklas ist schon in Richtung Badezimmer verschwunden und tut so, als ob er sie nicht hören würde. Frustriert räumt sie den Tisch ab und stellt die Teller und Tassen vom gemeinsamen Frühstück in die Spülmaschine. Wie David und Sarah, trägt sie noch ihren Pyjama. Es ist schon kurz vor 8.00 Uhr, und eigentlich sollte sie schon ihre Kinder im Kindergarten abgeliefert haben und sich auf den Weg in die Stadt machen. Sie überlegt, was wohl am klügsten ist. Erst sich oder die Kinder anzuziehen? Sie entscheidet sich, die Kinder zuerst zu waschen. Also fordert sie David auf, der ihr gerade als erstes über den Weg läuft, mit ins Badezimmer zu kommen. „Ich will aber nicht, Sarah soll zu erst!“

      „Komm schon, David. Das geht doch ganz schnell. Du kannst auch gleich mit deiner Eisenbahn weiter spielen, wenn Sarah im Bad ist“, versucht Vivian ihren 3 jährigen Sohn zu überzeugen. Da er wesentlich umgänglicher ist als seine 5 Jahre alte Schwester, legt er seine blaue Eisenbahn auf den Boden, steht auf, greift nach der Hand seiner Mama und geht mit ihr ins Bad. Gerade als Vivian die Badezimmertür öffnen will, reißt Niklas sie von innen auf. Dort steht er, in seinem schwarzen Anzug, mit hellblauem Hemd, schwarzen Schuhen und passenden Mantel. Die schicken Kleider, gepaart mit seiner großen Erscheinung, den dunklen Haaren und seinen blendend weißen Zähne, lassen ihn wie ein Model für HUGO BOSS aussehen. Ja, er ist schon fertig, denkt Vivian wütend. Er kann jetzt auf die Arbeit fahren, während ich noch zwei Kinder umzuziehen habe und mich noch selber fertig machen muss. Dass ich heute eine wichtige Präsentation habe, hat er wahrscheinlich schon wieder vergessen. Nur seine Arbeit ist wichtig. Ihre blauen Augen funkeln ihn an. Er hält ihrem Blick nur kurz stand und geht an ihr vorbei. Er greift nach seiner Aktentasche und ruft tschüß zum Abschied, bevor er die Tür hinter sich schließt.

      Vivian kocht innerlich, will sich aber vor den Kindern nichts anmerken lassen. Also versucht sie so schnell wie möglich alle drei aus dem Haus zu bekommen.

      Als sie schließlich Sarah und David auf dem Rücksitz ihres alten Kombis angeschnallt hat und zum Kindergarten fährt, fällt ihr ein, dass ihr Laptop – den sie für die Firma braucht – noch zu Hause im Büro auf ihrem Schreibtisch liegt. Sie bringt die Kinder in die Tagesstätte, begleitet sie in die jeweiligen Gruppen und verabschiedet sie mit einer Umarmung. Kaum hat sie die Einrichtung verlassen, rennt Vivian den Bürgersteig entlang – vorbei an anderen Eltern, die in aller Ruhe ihre Kinder in den Kindergarten bringen können. Der schnelle Schritt fällt ihr schwer in ihren High Heels und engem Rock, der zum grauen Kostüm gehört, aber sie muss sich beeilen. Es ist bereits 8.45 Uhr. Spätestens um 9.30 Uhr muss sie im Büro sein. Da der Berufsverkehr zu dieser Zeit immens ist, muss sie mit mindestens 30 Minuten Fahrtzeit rechnen.

      Als sie endlich mit ihrem Laptop zum Büro unterwegs ist, kann sie wieder durchatmen. Sie macht ihr Autoradio an und hört ihre Lieblings-CD von Andrea Bocelli. Diese Stimme, die tiefe Gefühle aus dem Inneren hervorruft, gibt Vivian immer wieder aufs Neue Antrieb.

      Ihre Unbeschwertheit hält aber nur bis zur Einfahrt der Tiefgarage von Visionex an – ihrem Arbeitgeber, ein Hersteller für Haarpflegeprodukte. Jetzt gehen ihr wieder sämtliche Szenarien durch den Kopf. In Gedanken spielt sie schon die Präsentation mit der Geschäftsführung um 10.00 Uhr durch. Diese Präsentation ist besonders wichtig. Ihr Chef Wilfried hat ihr zu verstehen gegeben, dass momentan über ihre Beförderung zum Senior Produkt Manager diskutiert wird. Auf diese Beförderung arbeitet Vivian schon lange hin. Obwohl Vivian sich stark engagiert, hervorragende Arbeit abliefert und auch von zu Hause wesentlich mehr Stunden arbeitet, als im Vertrag festgehalten, wurden ihre kinderlosen Kollegen, meist männlichen Geschlechts, bevorzugt. Aber heute, denkt sie sich, heute werde ich sie überzeugen. Die Einführung von Gorgeous Hair war einfach hervorragend. Das muss honoriert werden. Selbstsicher geht sie an ihren Schreibtisch. Dieser liegt in einem Großraumbüro, genau in der Mitte eines Sechserblockes. Charlie kommt mit hochrotem Kopf auf sie zu. „Vivian, ich habe gerade mit dem Marktforschungsunternehmen gesprochen. Sie sagen, Ihnen ist ein Fehler unterlaufen. Sie müssen die Zahlen von Gorgeous Hair noch einmal revidieren. Die neuen Zahlen kommen allerdings erst in den nächsten Tagen.“ Mit großen Augen blickt er zu ihr hoch. Er ist ein ausgesprochen kleiner Mann. Da wirkt selbst Vivian mit ihren 170 Zentimetern wie ein Riese. Beide wissen, dass die Präsentation, die sie heute vor der Geschäftleitung hält, auf diesen Zahlen beruht. Aber sie kann und will nicht absagen.

      „Danke Charlie, aber ich werde die Präsentation trotzdem halten. Sollten die Änderungen gravierend sein, reiche ich sie einfach nach.“

      Von ihrer Entscheidung überzeugt, setzt sie sich an ihren Tisch und schaltet den Laptop ein. Aber mehr als Anmelden kann sie sich nicht, da schon Petra, die Assistentin der Abteilung, auf sie zu kommt. „Vivian, Torben hat sich krank gemeldet. Er hätte sehr wichtige Dinge zu erledigen, die nicht warten könnten. Er hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du ihn unterstützen könntest.“

      Vivian starrt auf ihren Bildschirm. Aber es hilft ja nichts. Sie muss Petra eine Antwort geben. Diese fällt barsch aus: „Sag ihm, ich rufe ihn heute Mittag zurück. Jetzt habe ich keine Zeit.“ Kaum ausgesprochen schämt sich Vivian über ihren schroffen Ton: „Petra, tut mir leid. Du weißt, mein Groll ist nicht gegen dich gerichtet.“

      „Aber natürlich“, meint Petra mit einem Lächeln.

      „Bist du soweit?“, fragt Wilfried, Vivians Chef, der geradewegs auf sie zu läuft.

      „Ja“, antwortet Vivian. Sie ist sich nicht sicher, ob das wie eine Bestätigung oder wie eine Eigenüberzeugung klang.

      Sie läuft mit Wilfried