Gitte Loew

Rauch und Asche


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gefallen. Hanna wollte auf keinen Fall den schönen Abend verderben und schimpfte sich im Stillen eine Idiotin.

      Max gab dem Kellner ein Zeichen. »Bringen Sie uns bitte zwei Apfel-Secco, eine Flasche Wasser und den Saibling. Zum Essen für dich vielleicht einen Muscadet? «, er sah sie fragend an.

      »Ja, sehr gut«, sie nickte zustimmend. Irgendwie war das Gespräch in eine Sackgasse geraten. Hanna wusste nicht so recht, wie sie zu der anfänglichen Unbeschwertheit zurückfinden konnte. Sie wechselten verlegene Blicke. Nach einer Weile begann Hanna, von ihrer Arbeit zu reden.

      »Wir kommen in dem Fall nicht weiter. «

      »Vielleicht handelt es sich um einen Einzeltäter, der dafür gesorgt hat, dass ihn niemand beobachten konnte. «

      »Davon gehen wir auch aus. Der Tatort ist kaum einsehbar und liegt nachts fast völlig im Dunklen. Vor allem hat der Täter die Zeitspanne ausgenutzt, in der keine S-Bahnen fahren. Es verkehren zwar Züge auf der Strecke, aber die halten nicht an diesem Bahnhof. Das bedeutet, der Täter hatte ein Zeitfenster von 4 Stunden. «

      »Gibt es eine Videoüberwachung am Bahnhof? «

      »Nein. Die Bahn hat nur einen Lautsprecher montiert. «

      Max schüttelte ungläubig den Kopf. »In Außenbereichen wären Videoüberwachungen gerade für Frauen hilfreich. Der Bahnhof am Berg liegt abseits des Wohngebietes. «

      Der Ober war an den Tisch getreten und unterbrach ihr Gespräch. Er stellte die Getränke auf den Tisch. Max ergriff sein Wasserglas. »Auf dein Wohl Hanna. Ich bin sicher, ihr werdet etwas finden. Jeder Täter macht einen Fehler. «

      Hanna prostete ihm zu und entspannte sich langsam. Sie redete von ihrer Arbeit und Max war ein verständnisvoller Zuhörer. Nach einer Weile kam das Essen. Sie waren beide von der Zubereitung des Fischs überrascht.

      »Hm, schmeckt sehr gut. Ich hätte nicht gedacht, dass die hier so gut kochen können. « Max wischte sich mit der Serviette über den Mund.

      »Der Fisch ist ganz wunderbar zubereitet. Vielen Dank für die Einladung. «

      »Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange es zurückliegt, dass ich in so netter Gesellschaft zu Abend gegessen habe. « Max sah sie lange an.

      Irgendwie fühlte sich Hana irritiert. Sie konnte im Moment keinen klaren Gedanken fassen. In ihr regten sich Gefühle, die sie schon längere Zeit erfolgreich verdrängt hatte. Was war nur los mit ihr?

      Max bemerkte ihre Irritation. Er kehrte zu dem Fall und der Arbeit zurück. »Was willst du morgen als Erstes tun? Nach Fetischisten Ausschau halten? «

      Hanna fiel es nicht leicht, sich wieder auf den eigentlichen Anlass ihres Treffens zu konzentrieren. »Nein, wir müssen noch weitere Vernehmungen durchführen. Die beste Freundin von Frau Walter muss befragt werden. Ich hoffe, ihr fällt dann mehr ein, als bei unserem ersten Telefongespräch. Wir brauchen neue Anhaltspunkte. «

      »So simpel, wie es sich auch anhört, aber die Kleinarbeit ist wichtig. Täter geraten oft unter Zeitdruck und reagieren dann hektisch. Das ist unsere Chance. Mit der nötigen Hartnäckigkeit lässt sich manches aufklären. «

      »Jetzt redest du schon wie Robert. «

      »Jäger ist ein erfahrener Ermittler, auch wenn er oft zu ernst ist. Ihm fehlt eine gewisse unkonventionelle Denkweise. Er trägt halt die Verantwortung für eine Familie. «

      »Also die mühselige Arbeit, die kein Tatort-Krimi zeigt. «

      Max lehnte sich vergnügt zurück. »Die Mühsal kennen die Zuschauer aus ihrem Alltag zu genüge. Ohne Helden und deren spontane Einfälle geht gar nichts. Sonntags muss ein einsamer Wolf, genannt Kommissar, durchs Kabelfernsehen streifen und dem Zuschauer das Märchen von der wahren Gerechtigkeit erzählen. «

      Hanna konterte vergnügt. »Es gibt aber auch einsame Wölfinnen. «

      »Das weiß ich doch, aber das Martialische kommt beim Zuschauer besser an. Die Fernsehmacher verstehen etwas von ihrem Handwerk. «

      Hanna gluckste vor Vergnügen. »Hin und wieder schau ich auch, um abschalten zu können. Oje, ich spüre den Wein und muss mir ein Taxi bestellen. « Sie richtete sich auf und warf ihre rote Mähne über die Schulter nach hinten. Dabei funkelte sie Max aus ihren grünen Augen verführerisch an.

      »Kein Problem Frau Kommissarin, ich werde dich nach Hause chauffieren. «

      Adler gab dem Kellner mit der Hand ein Zeichen, die Rechnung zu bringen. In der Zwischenzeit stand Hanna auf und ging zur Toilette. Als sie mit langsamen Schritten an den Tisch zurückkehrte, hatte sich Max bereits erhoben und half ihr in die Jacke. Sie verließen Seite an Seite das Restaurant. Auf dem Weg zum Auto wagte sie es, ihre Hand unter seinen Arm zu schieben.

      Er blieb am Wagen stehen und blickte in ihr vom Wein gerötetes Gesicht. Hanna schwieg, erwiderte nur seinen Blick und spürte ein leichtes Zittern in ihren Beinen. Max musste es bemerkt haben, denn er zog sie an sich und berührte mit seinen Lippen zart ihren Mund. Sie wehrte sich nicht, im Gegenteil, sie erwidert seinen Kuss. Seiner männlichen Aura wären in diesem Augenblick auch andere Kommissarinnen erlegen. So heiter und gelassen wie heute, hatte sie Max noch nie erlebt. Als Hanna ins Auto stieg, stand ihre Entscheidung fest.

      Freitag, 7. Juni

      Am nächsten Morgen stürmte Kommissarin Wolf zu spät und mit eilig zusammengebundenem Haar aus dem Haus. Max hatte sie in letzter Minute zu ihrem Wagen gefahren, der noch immer in Praunheim stand. Etwas außer Atem erreichte sie Punkt 8 Uhr das Polizeipräsidium. Als sie im Büro eintraf, waren die Kollegen in die Meldungen der vergangenen Nacht vertieft. Sie murmelte »Guten Morgen«, aber nur Torsten sah auf und lächelte sie an.

      Jäger blickte leicht säuerlich hoch: «Schön, dass du auch zur Verfügung stehst, dann können wir mit unserer morgendlichen Besprechung endlich anfangen. «

      Hanna nahm seine blöde Bemerkung kommentarlos zur Kenntnis. Die Stimmung im Raum sank fühlbar auf den Nullpunkt. Der Leiter des K13 begann, davon völlig unbeeindruckt, die neuen Meldungen zu verkünden.

      »Dr. Keller hat freundlicherweise eine Sonderschicht eingelegt. Die DNA der Knochen aus dem verbrannten Mercedes, stimmt mit den Angaben des Operationsberichts von Frau Walter überein. Das konnte über ihren Frauenarzt ermittelt werden. Demnach arbeiten wir an dem Mordfall Walter. Diese Freundin von ihr muss unbedingt vernommen werden. Ich möchte, dass ihr Frau Holler heute in ihrem Haus aufsucht. «

      Jäger überreichte Hanna einen Stapel Unterlagen. Torsten erhob sich, bereit zum Aufbruch.

      »Hast du für uns ein Auto organisiert? «

      »Es steht in der Garage bereit. Ich fahre o. k. «

      Hanna Wolf nickte nur und sah zu, dass sie aus dem Zimmer verschwinden konnte.

      »Mann, der hat vielleicht wieder eine Laune«, flüsterte sie, während sie an der Seite von Torsten verschwand.

      »Familie und Beruf lassen sich anscheinend nicht so leicht unter einen Hut bringen. «

      Hanna erwiderte nichts, sondern kletterte schnell in den bereitstehenden grauen Opel. Während Torsten den Wagen aus der Tiefgarage manövrierte, warf er ihr von der Seite einen raschen Blick zu. »Hast du verpennt? «

      »Es ist spät geworden«, murmelte sie, ohne aufzusehen. Sie vertiefte sich in die Meldungen, die ihr Jäger übergeben hatte.

      Torsten hielt den Mund. Es war zwecklos, Hanna weitere Fragen zu stellen. Er fuhr durch die Stadt, über die Alte Brücke, Richtung Darmstädter Landstraße, hoch in den Hainerweg. Hier wohnte die Familie Holler. Ganz nobel in einem Haus, das eigentlich mehr einer Villa glich. Hanna hatte sich während der Fahrt die Haare gekämmt und hochgesteckt. Jetzt sprühte sie etwas Eternity hinter ihr Ohr. Torsten musste niesen. Er hielt direkt vor dem Eingang des Hauses. Sie marschierten durch den schön angelegten Vorgarten zur Haustür und klingelten.