Gitte Loew

Rauch und Asche


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Hainerweg. Die Frauen sollen miteinander befreundet sein. Meine telefonische Nachfrage bei ihr ergab, dass sie mit ihrer Freundin vor einer Woche telefoniert hat, aber nichts Außergewöhnliches besprochen wurde. Sie geht davon aus, dass ihre Freundin aus geschäftlichen Gründen verreist sein könnte. Wir halten das für eher unwahrscheinlich, da Frau Walter an ihrer Ladentür keinen Hinweis wegen einer Schließung hinterlassen hat. «

      Hanna durchsuchte ihre Papiere nach weiteren Notizen, fand aber nichts. »Das ist vorerst alles von meiner Seite. «

      Jäger rückte mit dem Stuhl näher an den Tisch heran, bevor er seine Ermittlungsergebnisse erläuterte: »Ich habe jedoch im Zuge der Durchsuchung etwas Eigenartiges entdeckt. Im Raum hinter dem Laden steht ein verschlossener Schrank, den ich durch die Spurensicherung habe öffnen lassen. Wir fanden Damenunterwäsche, also keine neue Ware, sondern alte Sachen, die sicher aus den Sechzigerjahren stammen. Strapse, Mieder und so ein Zeug. «

      »Strapse sind noch immer gefragt. «

      »Fetischisten und getragene Damenwäsche? Die zieht doch kein Mensch mehr an. «

      »Vielleicht gibt es ältere Herren, die auf besondere Ware fixiert sind«, Manfred Lotz verdrehte die Augen.

      Hanna lachte leise in sich hinein. »Leute, ihr wisst anscheinend nicht, dass es in Japan Automaten gibt, aus denen man getragene Damenslips kaufen kann. «

      »Gleich neben der Banane zum Frühstück«, feixte Torsten vergnügt.

      Hanna musste lachen, war sich aber über den Ernst der Lage bewusste, und kam wieder zur Sache. »Der Name des Dessous- Geschäftes lautet übrigens Frankfurter Burleske. Es ist eine Anspielung auf die Anfänge der erotischen Shows. Burleske ist der Vorläufer des Striptease. Die Mädchen bewegen sich noch immer an Stangen rauf und runter, aber im Gegensatz zu früher sind sie mittlerweile völlig nackt. «

      Hauptkommissar Jäger beendete die Spekulationen mit einer Handbewegung. »Egal ob Automaten, Stangen oder Strapse, wir haben eine Leiche, um die wir uns kümmern müssen. Vielleicht hatte Frau Walter etwas mit Fetischisten zu tun. Unter Umständen ist sie deshalb in gefährliches Fahrwasser geraten. Sie könnte auch Kunden erpresst haben. Das sind aber alles nur Vermutungen. Wir wissen im Moment noch nicht, ob es sich bei der Leiche aus dem Mercedes wirklich um Ulla Walter handelt. «

      Hanna stimmte ihm zu. »Wir wollen Morgen weitere Vernehmungen in der Umgebung des Geschäftes durchführen. Vielleicht haben andere Nachbarn mehr mitbekommen, als die Putzfrau. Wer will mich begleiten? «

      Torsten hob die Hand und wollte gerade etwas sagen, als die Tür aufging und Frau Stern ins Zimmer kam. Er schluckte seine Bemerkung herunter und zog es vor, den Mund zu halten. Die Staatsanwältin stöckelte schick vom Scheitel bis zur Sohle zum nächst freien Platz und ließ sich nieder. Sie war perfekt geschminkt und erstklassig gekleidet. Trotz ihrer beeindruckenden Erscheinung galt sie in Frankfurt als nicht besonders beliebt. Ihr eilte der Ruf voraus, arrogant zu sein. Hanna hatte keine Probleme mit Frau Stern. Vielleicht lag es daran, dass sie ebenso extravagant aussah, wie die Staatsanwältin. Ihr rotes Haar umwehte sie wie eine Fahne, die man schon von Weitem sah. Sie glich mehr einer Walküre aus einer Mythologie, als einer Kriminalkommissarin.

      »Guten Tag, meine Damen und Herren. Frau Wolf hat mich bereits informiert. Der Fall mit dem ausgebrannten Mercedes ist eine unangenehme Sache. Was es mit dem Dessous Geschäft auf sich hat, muss auf alle Fälle diskret ermittelt werden. Vielleicht geht es ja auch um Erpressung. So lange wir nichts Näheres über den Täter wissen, bitte keinerlei Information an die Presse «, dabei warf sie den Kollegen einen mahnenden Blick zu. Es geisterte intern das Gerücht umher, dass es einen Maulwurf bei der Kripo gab, der bis jetzt noch nicht entdeckt worden war.

      »Wir hatten bisher in Frankfurt wenig mit ausgebrannte Autos zu tun. Andere Kommunen haben in dieser Hinsicht große Probleme. In unserer Stadt finden viele internationale Verhandlungen statt. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Brandstifter rasch gefasst wird. Herr Jäger, falls Sie Unterstützung brauchen, lassen Sie es mich wissen. Ich werde mich für Sie verwenden. Sehen Sie zu, dass der Fall schnell zu den Akten gelegt werden kann. Stehen noch Fragen an? «

      Hanna sah aufmerksam in die Runde, als niemand sich anschickte zu reden, ergriff sie das Wort. »Die vermisste Ulla Walter ist bisher noch nicht aufgetaucht. Wir haben sie zur Fahndung ausgeschrieben. «

      »Gut Frau Wolf, sonst noch etwas? «

      Keiner der Anwesenden rührte sich. Eine sonderbare Stille trat für einen Augenblick ein. Hanna fand es albern, die Staatsanwältin auf Distanz zu halten. Sie seufzte: »Vielen Dank für ihre Unterstützung Frau Stern, ich werde Sie anrufen, falls Neuigkeiten eingehen sollten.«

      Die Staatsanwältin erhob sich, nickte den Mitarbeitern zu und verließ den Raum.

      »Ich möchte nicht laut sagen, an wen die mich erinnert«, sinnierte Torsten verträumt.

      »Du hältst dich in deinem eigenen Interesse besser raus«, Jäger warf ihm einen eindringlichen Blick zu.

      Torsten grinste seinen Chef unbekümmert an, behielt aber seine wenig schmeichelhafte Meinung lieber für sich. Jäger ging ihm mit seinem korrekten Getue mächtig auf die Nerven.

      Dem Leiter des K13 missfiel dieser Fall außerordentlich. Es gab kein richtiges Motiv, nur vage Vermutungen. Jäger war nervös und wusste nicht so recht, was er als Nächstes tun sollte.

      »Wir sollten einen Kollegen losschicken, der sich in speziellen Kreisen auskennt,« murmelte er halblaut vor sich hin.

      Auf dieses Stichwort hatte Hanna gewartet. »Das sehe ich auch so. Es muss ein Kripobeamter mit viel Erfahrung und guten Kontakten sein. Ich könnte mich mit Hauptkommissar Adler in Verbindung setzen. Er kennt sich mit solchen Fällen aus. «

      »Halt, stopp. Adler ist versetzt worden und das dürfen wir nicht übergehen. » Jäger reagierte alarmiert.

      Aber Hanna ließ nicht locker. »Vielleicht sollten wir der Staatsanwältin einen Tipp geben. Sie hat uns ihre Hilfe schließlich angeboten. «

      »Das ist eine klasse Idee«, schwärmte Torsten und sah anerkennend zu ihr rüber. Hanna war die Einzige in dieser lahmen Truppe, die nicht immer nur an Vorschriften dachte. Es war an der Zeit, dass etwas Schwung ins Kommissariat kam. Er schob mutig hinterher. »Ich würde Adler gern persönlich kennenlernen. «

      Jäger sah ihn mit verkniffenem Gesicht an. Dann presste er zwischen seinen Lippen hervor: »Ich will keine Problemfälle in meinem Kommissariat haben. « Zu Hanna gewandt meinte er süffisant. »Wenn du Adler unbedingt zurückholen möchtest, musst du dich persönlich an Frau Stern wenden. Ich gehe das Risiko auf keinen Fall ein. Adler hat mit seinem Verhalten nicht nur für Unruhe gesorgt, sondern auch den guten Ruf der Kriminalpolizei aufs Spiel gesetzt. «

      »Ist schon klar Robert, ich habe verstanden. « Durch Hannas Kopf schwirrte das Wort Platzhirsch, aber das behielt sie lieber für sich. Die wahren Hintergründe, weshalb Adler aus dem Dienst entfernt worden war, hatte er nicht erwähnt. Jäger war ein scheinheiliger Kerl. Sie griff nach ihren Unterlagen und stand auf.

      »Wenn es nichts Weiteres zu besprechen gibt, muss ich gehen. Ich habe noch zu tun, bis dann. «

      Torsten folgte ihr auf den Fuß. Als sie beide auf dem Flur standen, flüsterte er ihr zu: »Was war mit Adler? «

      Hanna war an ihrem Büro angekommen und öffnete die Tür. Sie zischte: »Komm’ herein und mach’ die Tür hinter dir zu. »

      »Warum bist du so sauer? «

      Sie ließ sich in ihren Schreibtischsessel fallen. »Dieser Saubermann geht mir auf die Nerven. Adler hatte private Probleme. Er ist nach dem Tod seiner Frau betrunken im Dienst erschienen und irgendeiner hat ihn verpetzt. «

      »Alkohol im Dienst geht gar nicht, das weißt du selbst. «

      »Ach Torsten, was weißt du schon. Adler wurde sofort versetzt. Man hat ihm keine Möglichkeit gegeben, den Fehler wieder in Ordnung zu bringen.«

      »Das heißt, sie haben auf einen Grund gewartet, ihn loszuwerden.