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Geschirr von Rosenthal und Dibbern verspricht, jeden Abendbrottisch zum perfekten Dinner zu machen. Mir fällt ein, dass bei meinem Raclettegrill etwas fehlt. Ich ziehe die Tür auf, ein Klingeling signalisiert mein Eintreten.

      Ein ergrauter Chefverkäufer tritt aus einem Nebenraum durch einen schweren Brokatvorhang auf mich zu. »Womit kann ich Ihnen dienen, mein Herr?«

      »Ja«, sage ich und halte den verschlissenen Karton hoch, »ich suche Holzspatel, damit ich mir die Pfännchen hier nicht mit der Metallgabel verkratze. Haben Sie die?«

      Das Korkgesicht wird puterrot. Er hat vermutlich an diesem Tag noch keinen erfreulichen und einträglichen Verkaufsabschluss verzeichnet oder ich störe ihn hinter seinem Vorhang bei einer Bio-Orange zum Abendbrot. Seine Schwiegermutter ist ein Drachen und die eigentliche Herrin im Geschäft. Seine Frau hat einen deutlich jüngeren Liebhaber, den sie aushält, und die Kinder heißen Kevin und Jacqueline, was alleine schon ausreicht für ihre psychiatrische Einweisung. Die Putzfrau hat sich krankgemeldet, beim SLK rutscht die Kupplung und der TÜV ist abgelaufen. Sein Handicap hat sich verschlechtert, die Aktienkurse fallen und die Moral verkommt.

      »Wo haben Sie den denn gekauft?!«, blafft er mich an, »bei uns gibt es die umsonst dazu!«

      »Och«, sage ich und zeige in die Richtung, »ich mache mit meinem Knastkumpel Murat drüben einen Haushaltswarensonderpostenladen auf. Die Spatel fehlen uns im Sortiment.«

      Er glotzt mich ungläubig an wie Josef und Maria den Storch.

      Ich nicke ihm höflich zu und gehe. In der Tür drehe ich mich ein letztes Mal um: »Auf gute Geschäftsbeziehungen!«

      Klingeling!

      Als ich zurückkomme, deckt Murat immer noch den Fußboden mit Zeitungspapier ab. Auf der Fensterbank steht ein durchweichter Pizzakarton. Eine Melange aus Lösungsmitteln, Knoblauch und Bier steigt mir in die Nase. Ich entdecke eine Werbebeilage vom Baumarkt ohne Tiernahrung und Pflanzen und nehme sie hoch.

      »Guck mal«, sage ich zu ihm, »hier gibt es Farbe, die nicht riecht, nicht kleckert und schnell trocknet! Was hältst du davon?«

      Ich lehne mich an den Türrahmen, ehe er antworten kann. Er rollt mit den Augen. Meine schwarze Lederjacke pappt am Rahmen wie eine Fliege am Klebestreifen. Mit einem Geräusch wie Leukoplast am haarigen Unterarm reiße ich mich los. Motzend gehe ich in den Nebenraum und beginne, das versengte Kabel vom Wasserkocher auszutauschen. Die Zigaretten schmecken nach getragenen Schuhen. Ich überlege, sie später Murat anzudrehen, dem ich noch Geld schulde.

      »Weißt du, wen ich getroffen habe?«, rufe ich ihm durch den Vorhang zu.

      Er klettert von der Leiter und steht mit der alten Pernod-Kappe, dem blauen Overall und seiner Dalmatinerfratze in der Tür.

      »Renzo?«, fragt er.

      »Nein, denk mal nach! Die Frau!«

      Murat wird ganz zappelig, geht zum Waschbecken und schrubbt sich die Farbe aus dem Gesicht.

      »So willst du ja wohl nicht los«, sage ich und zeige auf seine Schirmmütze, »außerdem: Meinst du nicht, sie ist ein bisschen zu alt für dich?«

      »Nun erzähl schon!«

      Ich biete ihm eine Zigarette an, er stochert aufgeregt mit seinen Farbfingern in der Schachtel umher.

      »Also«, beginne ich, »du weißt doch noch, wo …«

      PFUMP macht es, als ich den Stecker in die Dose drücke, und alles ist dunkel.

      »Oh«, mache ich. »Warmmacha kaputt!«

      Was wäre, wenn Strom flüssig wäre?

      Tiernahrung

      Am nächsten Tag will ich neue Sicherungen und einen Wasserkocher besorgen. Murat besteht darauf, mitzukommen, vielleicht träfen wir sie ja?! Ich überlege, ob wir noch mal in diesen netten Laden gehen, entscheide mich aber doch für Bijou Praktiker. Dann können wir auch die andere Farbe kaufen, die Türrahmen müssen dringend gestrichen werden!

      Im Eingang laufen wir Renzo in die Arme. Er hat da einen kleinen Stand mit mediterranen Spezialitäten. Heute gebe es bei ihm auf alles 20%, verkündet er stolz. Sein Geschäft ginge gut, die Leute seien verrückt nach seinem eingelegten Gemüse.

      Murat probiert gespannt eine Piri-Piri-Salsa. Hummerrot hustet er sich in die Faust.

      »Hast du dich erkältet?«, frage ich besorgt.

      Er nickt mit dem Kopf.

      Renzo wiegt ihm daraufhin eine Mordsportion in einem klaren Becher ab, wickelt schweinefarbenes Papier herum und packt sie in eine Tüte. Er tippt eine zweistellige Zahl ein, nimmt sein Handy von der Waage und stellt die Salsa auf die Glastheke.

      »Und ein Fladenbrot umsonst, weil ihr es seid! Das macht genau fünfzehn Euro«, rechnet er uns vor, »ach ja, minus zwanzig Prozent, sind, äh, vierzehn-achtzig«, schiebt Renzo flott hinterher.

      Murat zählt seine Finger durch und stutzt. Dann nestelt er zwischen einer Handvoll Dosenpfand ein zusammengerolltes Bündel aus seiner Hosentasche und reicht einen großen Schein über den Tresen.

      Er flüstert mir zu: »So ein alter Gauner, der wollte mich glatt bescheißen!«

      Mit zwei weißen Plastiktüten fahren wir auf einem endlosen Rollsteg ins Untergeschoss. Während Murat die Farben sucht, schlendere ich zu den Sonderposten und schaue mir einen Laubbläser an. Der hat ein sattes Grün und 3000 Watt.

      »Boah«, denke ich, »ganz schön laut!«

      In der Werkzeugabteilung entdecke ich einen Stromprüfer. Neugierig will ich wissen, ob der auch bei Niederspannung funktioniert und gucke mich nach einem Verkäufer um. Aber offenbar sind die alle hinten im Lager und schneiden die Stecker von den Elektrogeräten ab. Doch dafür kann man zwischen den Hochregalen den Preis sprechen hören. Ich nehme ihn trotzdem, er ist reduziert.

      Am Autozubehör treffen wir uns wieder. Kritisch begutachte ich seinen Wagen, den er mit Farbeimern, einem Edelstahl-Wasserkocher, einer breiten Farbrolle und allerlei Schächtelchen vollgepackt hat.

      »Was hast du denn damit vor?«, frage ich ihn und zeige auf die Knopfzellen.

      »Oh«, meint Murat, »Renzo hatte kein Wechselgeld. Da hat er mir supergünstig diese Taucheruhr verkauft« und hält sie mir triumphierend unter die Nase. »Ich glaube, da ist nur die Batterie alle!«

      An der Zahlstelle ist wie immer die Hölle los. Die Aushilfskassiererin kann Styropor nicht von Porenbeton unterscheiden und tippt für den Spannungsprüfer doch den Originalpreis ein. Bis endlich die Bankenaufsicht kommt, ist Arminia Bielefeld einmal auf- und einmal abgestiegen.

      Am Imbiss draußen kaufen wir zwei halbe Hähne, beobachten Renzo und rauchen getragene Schuhe.

      Noch drei Tage bis zur Eröffnung. Murat ist echt fleißig. Er ackert und schuftet von früh bis spät, streicht die Wände und tapeziert die Türen.

      Ich lade die anderen Ladenbesitzer ein, auch die Bio-Orange von gegenüber, und verteile Zettel an die Passanten. Beim Kabelbaron finde ich tatsächlich Holzspatel. Ich tausche die verschmorte Zuleitung um und bekomme einen putzigen Krümelsauger in Form eines kleinen Marienkäfers als Entschädigung. Die Taucheruhr schwatze ich Murat gegen die Zigaretten wieder ab. Ich schraube den Boden auf und will die alte Batterie mit dem Spannungsprüfer testen, weiß aber nicht, wie das geht. Kurzentschlossen wechsele ich sie einfach aus, Murat hat ja zum Glück noch neue. Er braucht die ja nicht mehr.

      Um Mitternacht ist er endlich fertig mit den Fußleisten, die Uhr piept. Klasse! Ich schnorre mir eine von seinen Nikotinröhrchen und schicke ihn nach Hause. Erschöpft ziehe ich das Buschfeuer in meine Lungen. Ich sitze da und probiere den Marienkäfer aus. Er schafft sogar ganze Maiskörner. An einer Olive verschluckt er sich röchelnd, ich muss ihn notgedrungen zurückbringen.

      Mir schießt in den Sinn, dass ich Murat versprochen habe, sauber zu machen, damit er unsere große Lieferung gleich einräumen