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Jab und anschließend dem Meisterwerk taiwanischer Uhrmacherei einen tödlichen Uppercut. Der Kleiderständer sackt in sich zusammen wie ein Osterfeuer. Der heimische Vogel tiriliert zum Abschied »Freude schöner Götterfunken«, ehe er im dichten Qualm erstickt. Der Krümelsauger poltert herum. Giftig starrt er auf die Unordnung.

      Ich gönne mir einen weiteren Schluck der türkischen Hopfenbrause, schüttele mich und drücke die Kurzwahltaste. Aus der Küchenschublade trällert irgendein Asi-Rapper mit abgebrochener Grundschule vom Typ Sido, Bushido oder wie die Mehlgesichter heißen. Ich habe Murat schon tausendmal erklärt, dass er sich in den falschen Gegenden jede Menge Ärger einhandeln kann, wenn sein Handy klingelt und er es nicht dabei hat.

      Wie will er mich dann anrufen, damit ich ihn aus der Scheiße raushole? Soweit denkt der Muselmann wieder einmal nicht. Jetzt haben wir den Salat.

      Es sieht hier aus wie Hulle, er hat Kehrwoche, treibt sich rum und ich muss zusehen, wie ich den Laden über Wasser halte.

      Was wäre, wenn Columbus nach Osten gesegelt wäre?

      Gleicheitrige

      Am nächsten Montagmittag klingelt das Telefon und reißt mich aus dem Schlaf. Irgend so ein Muttibügler von meiner Bank bietet mir beim Filialleiter einen Termin für ein Gespräch zur Überbrückung meines Finanzengpasses an. Als hätte ich ja sonst nichts zu tun! Doch dafür hat der Kopfgeldjäger kein Verständnis und verweist mich spröde auf meinen Kontostand im vierstelligen Soll.

      Tags drauf betrete ich in aller Herrgottsfrühe um zehn Uhr den Marmorpalast in der Innenstadt. Die Schlipsfressen und Kostümmäuse eilen emsig hin und her, holen Formulare aus Apothekerschränken, kopieren doppelseitige Diagramme, tippen Zahlenkarawanen in den Computer, schütteln mit dem Kopf und kritzeln Formeln auf einen Notizklotz. Weit und breit kein einziger Kunde zu sehen, da hätte ich auch im Laden bleiben können. Trotzdem dauert es Ewigkeiten, bis einer dieser Blattwender auf mich aufmerksam wird. Nach einem Umweg am Wasserspender vorbei steht er jetzt grinsend vor mir. Die Sakkoschwuchtel tackert zweimal mit dem Kugelschreiber und lässt ihn dann in der Brusttasche seines Nadelstreifenkittels verschwinden. Ich könnte ihm gleich eine reinhauen für so viel Arroganz. Mit einem Peitschenknall lege ich ihm einen abgewetzten Jutebeutel auf den glänzenden Mahagonitresen.

      »Vollmachen«, sage ich, »sonst fliegt dein GTI in die Luft!«

      Mein Daumen spielt dabei nervös mit der Schlüsselfernbedienung von unserem Geschäftswagen. Der hobbylose Geldazubi glotzt mich mit melonengroßen Glubschern an. Westerwelledicke Pickel bilden sich auf seiner Stirn, platzen auf und quetschen zähen Eiter aus zerfurchten Kratern. Sein Fluchtkinn zittert.

      Ich grinse ihn an und zeige darauf. »Das sollten Sie mal behandeln lassen! Das sieht scheiße aus!«

      Mit schweißnassen Pfoten betatscht er seine schüttere Haarlichtung.

      »Ich habe einen Termin mit eurem Herrn Ackermann, seine Zeit ist bestimmt auch Geld!«, verleihe ich meiner Forderung jetzt Nachdruck und scheuche ihn mit einer wischenden Handbewegung zu der schusssicheren Glastür im hinteren Teil des Tempels.

      Seine schwarzen Lackschühchen bewegen sich nur mühsam rückwärts, bis ich auf die Fernbedienung drücke und fröhlich »Peng!« rufe. Dann drehen sie sich um und rennen.

      Einen Wimpernschlag darauf sitze ich entspannt bei einem Kaffee an der Front. Der graue Finanzminister referiert etwas von »nötigen Investitionen«, »Sicherheiten«, »aktuellem Zinsniveau«, »Renditen« und »Riestern«. Seine goldene Uhr schleudert das Sonnenlicht dabei kreuz und quer durch den Raum.

      Angeregt schaue ich dem Leuchtklecks nach, als mein verschwommener Blick an einem Bild an der Wand hängen bleibt: Oma Eusebia drischt mit ihrem Nudelholz auf den armen Lupo ein. Mir schießt mein alter Spitzname wieder in den Sinn. Murat hat ihn mir gegeben, weil ich wie sie keiner Bank traute und mein Geld lieber in einem Sparstrumpf hinter der Schmutzwäsche aufbewahrte. Jahre später war ich aber so doof, meine erste selbst verdiente Knete beim Hütchenspiel in Amsterdam zu verzocken. Ich könnte heute noch schwören, beschissen worden zu sein.

      »Depotumschichtung« und »Hedgefonds« brabbelt der altkluge Dukatenscheißer mit der gewichtigen Rolex weiter durch den Park von Fuxholzen.

      »Leihen?«, schreit Eusebia, »Dir? Nein, mein Lieber! Wenn du Geld haben willst, musst du es verdienen!«

      »Aber Oma, es ist nur, weil … Lupinchen hat Geburtstag!«, stammelt Lupo.

      Doch Oma Cholerika kennt kein Erbarmen und jagt ihren nixnutzen Enkel zum Haus hinaus.

      Der arme Kerl möchte nur noch zurück in seinen Mäuseturm, springt in sein Auto und braust davon. Nichts wie weg!

      Der Insolvenzverwalter holt derweil zum alles entscheidenden Schlag aus, jetzt müssten wir das Griechenlandpaket fest schnüren. Ich stimme ihm zu und stelle dem Währungskommissar unseren Renault Rapid als Sicherheit in Aussicht, quasi als Schuldenbremse. Ihm schwillt der Krawattenhals. Rot wie die erste Periode einer Novizin nestelt er an dem engen Knoten und röchelt nach Luft. Flink schnappe ich mir einen Flyer mit Freikarten für die Existenzgründermesse von seinem Glastisch, lege meine Visitenkarte stattdessen hin, gehe zur Tür und rufe die Drückerkolonne herbei.

      Draußen am Imbiss wartet schon ein hellenisches Fleischfrühstück auf mich. Der Bofrostmann ist auch da und bestellt sich ein kaltes Wasser. Ich lade ihn ein, er hat mir mal das Leben gerettet.

      Renzo schreibt alles auf meinen Deckel. Gut gelaunt fahre ich nach Hause. Das Radio spielt Einfach sein.

      Was wäre, wenn Oma Eusebia Vorstandsvorsitzende bei der Deutschen Bank wäre?

      Gesichtsyoga

      Noch am gleichen Abend stelle ich Murat meine neue Geschäftsidee vor und zeige ihm meine Notizen in der Chinakladde. Er ist sofort hellauf begeistert, meint jedoch, wir müssten diesmal etwas solider an die Sache herangehen. Großzügig lade ich ihn zu der Unternehmermesse ein, unter der Bedingung, dass er meinen Deckel bei Renzo bezahlt und alles auf Vordermann bringt. Immerhin hat er ja auch seine Kehrwoche nicht eingehalten. Er zieht eine Augenbraue hoch, schielt mich an wie Angela Merkel bei der Damenwahl, stimmt dann aber zu. Ein schlauer Kopf, mein Murat.

      Am Samstag schließen wir das Geschäft schon mittags. An der Tankstelle kaufe ich ein Duftbäumchen und eine Dose Haake-Beck, setze mich ins Auto und suche im Radio die Vorberichterstattung der Fußball-Bundesliga. Murat tankt halbvoll und schaut nach dem Öl. Mit einer Packung Knistertabak und zwei Büchsen Efes kommt er aus der Kassensauna zurück. Wir stoßen euphorisch auf unseren neuen Coup an und dieseln in Richtung Autobahn los.

      Es ist stickig und die Fensterkurbeln sind an beiden Türen defekt. Murat schwitzt hinterm Steuer, als sei Biblis A kurz vor der Endabschaltung doch noch geschmolzen. Ich drehe den Ventilator ein Stückchen weiter zu mir.

      Abseits der Schnellstraße geht es nur meterweise vorwärts, frustrierte Pappbecher säumen die Straße. Endlich biegen wir auf das Messegelände ab, als wie aus dem Nichts ein Männchen in Warnweste und Sicherheitsschuhen vor unseren schnaubenden Kühlergrill springt und wild mit den Armen wedelt. Murat haut seine Mokassins hart auf die Bremse, so dass der Wagen tief einknickt. Ich knalle mit dem Kopf an die rotierende Windmaschine, die mir eine schmerzhafte Zackennarbe in die Stirn schneidet. Grollend stoße ich einen unverzeihlichen Fluch aus. Grüne Lichtblitze sirren umher, prallen aber wirkungslos an der massiven Stahlkarosserie des Rapids ab. Der selbstständige Parkplatzeinweiser tritt bleich an die Seitenscheibe und klopft.

      »Einmal waschen und volltanken!«, rufe ich ihm durch das geschlossene Fenster zu und kühle mein Frontalhirn mit einer Dose Bier.

      Doch er will fünf Euro für eine kurzzeitige Abstellgenehmigung kassieren. Ich klopfe mein Testsieger-Shirt ab, zeige ihm meine leeren Handflächen und schaue zu Murat. Der pflückt einen klammen Schein aus seiner Hosentasche, öffnet die Tür einen Spalt weit und reicht ihn hinaus. Ein frischer Windstoß schwappt herein.

      »Die Parkgebühr können Sie von der Steuer absetzen!«, bläht sich der Wegelagerer