Natalie Bechthold

Einen Schurken zum Bräutigam


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gehört“, übernahm Alan jetzt das Wort, da er aus reiner Erfahrung wusste, dass Harringtons Geduld längst am Ende war.

      Und es stimmte auch. Das machte für Harrington und Pater Edmund die Sache noch leichter.

      „Dann ließe es sich machen.“

      Harrington ließ den Gottesmann los und reichte ihm das Dokument. Der Pater setzte unter dem handgeschriebenen Text seine zittrige Unterschrift und atmete erleichtert auf, als der Captain den Trauschein zusammenrollte und mit seinem Gehilfen das Gotteshaus verließ.

      „Warum nicht gleich so?!“, hörte er Harrington noch im Gehen sagen.

      Wissen sie nicht, dass dieser Trauschein nichtig ist?, fragte sich Pater Edmund, als die beiden längst gegangen waren. Scheinbar nicht.

      Gültig ist ein Trauschein nur dann, wenn er vom Pater selbst oder von seinem Sekretär geschrieben ist. Eine alleinige Unterschrift ist dafür nicht ausreichend.

       Ich werde mich mit Lady Cassandra in Verbindung setzten.

      Kapitel 3

       Im Schloss Harwich

      

      Alan klopfte an Harringtons Tür. Doch ein - Herein - blieb für den alten Seemann aus. Warum sollte sie mich auch herein bitten, immerhin wird sie hier gefangen gehalten, rief sich Alan ins Gedächtnis. Gefangene haben in der Regel nichts zu sagen.

      „Ich komme rein“, warnte Alan Cassie.

      Dann nickte er Harrington zum Zeichen und dieser steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Harrington ließ seinen Onkel eintreten, aber er selbst wollte lieber draußen bleiben.

      Cassie saß auf einem dunklen Stuhl aus Mahagoni und spielte unruhig mit einer braunen Schleife ihres goldenen Kleides. Mit einem traurigen Blick sah Alan das junge Mädchen an und wusste nicht, wie er jetzt am besten vorgehen sollte. Er wollte sich doch so gerne bei ihr entschuldigen.

      „Guten Morgen, Lady Whitbread Ha...“, begann er und brach dann doch ab.

      Reumütig biss er sich auf die Zunge. Hoppla, das war kein so guter Anfang. Besser, sie erfährt es von ihm. Schließlich war es nicht meine Idee, dass er sie heirate.

      „Ich bringe Ihnen das Frühstück“, sagte Alan und stellte das silberne Tablett auf dem Schreibtisch seines Captains ab.

      Mit - Ihnen - wollte Alan ihr den Respekt erweisen, der einer Adeligen zusteht.

      „Mögen Sie schwarzen Tee? Er ist aus Indien und schmeckt wirklich gut“, fragte er und deckte die freie Fläche.

      Als sie aber nicht antwortete entschied er, ihr doch den Tee einzuschenken. Wenn sie es jetzt nicht möchte, dann vielleicht etwas später. Und Cassie sah ihm verbittert dabei zu. Eine Geste der Dankbarkeit blieb aus. Alan erwartete von ihr auch nichts. Nein, sie schuldete ihm nichts, sondern er ihr. Und zwar eine Entschuldigung. Eine dicke, fette Entschuldigung.

      „Ich ...“, er stand immer noch mit dem Rücken zu ihr und zögerte.

      Ist es nicht lächerlich?, fragte er sich. Ein alter Seemann entschuldigt sich bei einem jungen Mädchen. Nein! Sie war nicht irgendein junges Mädchen, sondern eine Lady. Einer Lady darf so etwas nicht zustoßen. Aber was machte sie auf der Straße der Gelüste, wenn sie eine Lady ist?, schoss ihm diese Frage durch den Kopf. Das geht dich nichts an!, sagte ihm eine innere Stimme.

      „Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen“, begann er noch einmal.

      Cassie hielt inne und lauschte seinen Worten.

      „Dass ich Sie entführt und hierher gebracht habe.“

      Die braune Schleife ging auf, wie auch ihr Herz. Beladen mit Kummer und Schmerz, Angst und Verzweiflung.

      „Es tut mir wirklich leid!“, seufzte er und ging zur Tür.

      Nun war es raus. Aber so ganz frei fühlte er sich nicht von seiner Schuld.

      „Warum ...?“, ihre angenehme Stimme zitterte.

      Plötzlich blieb Alan stehen und antwortete leise, ohne sie dabei anzusehen.

      „Weil ich Sie für eine Hure hielt!“

      „Sehe ich denn aus wie eine?“, schrie sie beinah und weinte anschließend.

      „Nein!“, beschämt eilte er hinaus.

      Harrington, der alles mit angehört hatte, stand draußen, neben der geschlossenen Tür und sah reumütig auf seine kräftigen Hände. Was habe ich nur getan? Das Herz einer jungen, unschuldigen Frau gebrochen. Und es mit Bitterkeit und Hass getränkt. Dann formte er aus seinen Händen zwei Fäuste.

      Ich bin auch derjenige, der sie vor Ralph gerettet hat. Kein anderer hätte das jemals getan, redete sich Harrington ein und glaubte, sie sei ihm einen Dank schuldig.

      Mit der Heirat hoffte Harrington seine schmutzige Tat vertuschen zu können, für das allein er verantwortlich war und die Ehre der jungen Lady wiederherstellen zu können, ehe jemand davon erfuhr.

      Ralph hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Er hätte sie zwar geheiratet, aber nur, um an ihr Geld ranzukommen. Alles Weitere hätte ihn nicht interessiert. Auch nicht, wenn sich die gute Gesellschaft den Mund um ihre Flucht zerrissen hätte, die in Captain Harringtons Armen ein Ende nahm.

      Das Erste, die Heirat, habe ich schon hinter mir. Gut! Das war auch das Leichteste vom ganzen Übel. Und jetzt kommt das Schwerste und das Letzte. Wie bringe ich es ihr bei? Harrington ließ schließlich seine Fäuste wieder sinken und sah zum Horizont. Das Schiff schaukelte mit der frühen Hektik. Denn die Mannschaft war längst auf den Beinen und ein jeder ging an seine Arbeit. Es würde mich nicht überraschen, wenn es heute regnet, stellte Harrington an dem grauen, zugezogenen Himmel fest. Anschließend, ohne eine Antwort auf seine Frage gefunden zu haben, entfernte er sich von der Tür, ohne sie vorher abzuschließen.

      ***

      Am späten Nachmittag trat Alan zu seinem Neffen, der an der Reling stand und eine Pause machte.

      „Hast du es ihr schon gesagt?“, fragte der ältere Mann.

      Harrington trank die letzten, wenigen Schlucke aus seiner Flasche und antwortete: „Nein.“

      „Ich denke, du solltest es jetzt tun.“

      „Ich weiß, ...“, aber nicht wie, dachte Harrington den Satz zu Ende.

      Was hält ihn nur davon ab?, fragte sich der Seemann.

      Er sah in das Gesicht des jungen Mannes und ahnte, was der Grund dafür sein konnte. Angst. Die Angst, es falsch anzugehen. Mit nicht richtigen Worten Cassie noch mehr Angst einzujagen.

      „Manchmal können so kleine Dinge so schwierig sein“, sagte Alan und merkte, wie sich sein Neffe bei den Worten verspannte.

      Harrington war ein kühner Mann. Zeigte nie seine Gefühle. Und kannte kein Mitgefühl. Seine Art konnte Alan mit einem einzigen Wort bezeichnen und zwar mit - Hart -. Passend für seinen Job, als Captain. Doch das Mädchen war nicht sein Job. Sie war eine junge Frau. Eine Frau mit Gefühlen, die verletzt waren. Nur die Liebe kann ihre Wunden heilen. Und diese Liebe schuldete der Captain ihr. Aber vorher muss er sie selbst finden.

      „Hier, versuch es damit.“

      Harrington nahm das in papiereingewickelte Päckchen und fragte: „Was ist das?“

      Er wollte es gerade öffnen, als Alan seine Hand darauf legte und ihn daran hinderte.

      „Lass sie es tun. Es ist das Kleid deiner Mutter.“

      Harrington nickte.

      „So, und jetzt solltest du unbedingt zu ihr gehen, denn ihr habt nicht mehr viel