Natalie Bechthold

Einen Schurken zum Bräutigam


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Bitte und zog sie sanft an der Hand, damit sie ihm folgte.

      Schließlich standen sie hinter ihm, ihrem Ex-Verlobten, dem Viscount of Harwich, und neben ihm stand seine Braut.

      Captain Harrington berührte die Schulter des Bräutigams und dann standen sie Gesicht an Gesicht. Der Jüngere überrascht und der Ältere frech grinsend. Bruder gegen Bruder.

      Caleb hob sein Glas und prostete seinem Bruder provozierend zu: „Auf dein neues Eheglück, Bruderherz!“ Und trank das Glas leer.

      Ralph kochte innerlich vor Wut, als er den für morgen reservierten Rotwein in seinem Glas erkannte.

      „Und danke für deine Einladung“, grinste Caleb seinen Bruder vorwurfsvoll an und stellte sein leeres Glas auf ein Tablett, das ein Diener im Vorbeigehen bei sich trug.

      Plötzlich berührte Irene Ralphs linke Hand, als sie sich zu ihnen drehte und hinderte somit unbeabsichtigt den Gastgeber die Wahrheit zu sagen.

      „Ich habe es gern getan“, zu diesen Worten setzte Ralph noch ein künstliches Lächeln auf.

      Caleb kannte die Wahrheit. Es gab keine Einladung für den einzigen Bruder.

      „Ich denke, meine Braut kennst du schon, deshalb nimm es mir nicht übel, wenn ich meine Aufmerksamkeit wieder meinen Gästen widmen werde“, und damit glaubte Ralph das Gespräch mit seinem Halbbruder beendet zu haben.

      Einige der umstehenden Gäste hörten mit welcher Grobheit der Gastgeber zu seinem Bruder gesprochen hatte und verstummten. Neugierig lauschten sie in seine Richtung.

      „Gewiss, deine schöne Braut kenne ich sogar sehr gut. Nicht wahr Irene?“ Caleb schenkte Irene sein Lächeln. Es war das Lächeln, mit dem er Frauenherzen immer höher schlagen ließ. Und auch dieses Mal verfehlte es nicht seine Wirkung. Denn Irene lächelte schüchtern zurück.

      Ein Glück für Cassie, die das hinter seinem Rücken nicht sehen konnte.

      „Aber vielleicht möchtest du meine Gemahlin kennenlernen?“, das - meine Gemahlin - sprach Caleb sehr betont aus und weckte Ralphs Neugier, die ihn in der Drehung, wieder zu den Gästen, inne halten ließ. Seine Gemahlin …, wie konnte er so schnell geheiratet haben? Ralph setzte ein künstliches Lächeln auf, drehte sich wieder zu seinem Halbbruder und beglückwünschte ihn zu seinem Glück, fragte ihn aber nicht nach ihrem Namen.

      „Danke-danke, Bruder, aber du sollst sie auch noch sehen“, lachte Caleb und versuchte diesen verletzenden Augenblick wie einen Scherz aussehen zu lassen.

      „Darf ich vorstellen?!“, und Cassie kam hinter seinem Rücken hervor.

      Der Schrecken seiner Worte stand ihr im Gesicht geschrieben.

      „Lady Cassandra Whitbread Harrington.“

      Cassie lief kalter Schweiß über den Rücken, als Caleb ihren neuen Namen aussprach.

      „Du Hure!“, konnte Ralph nicht anders, als er in der jungen Frau seine Ex-Verlobte erkannte.

      Erschrocken zuckte Cassie zusammen.

      Die Herumstehenden sogen hörbar die Luft ein und warteten gespannt, was als nächstes käme.

      „Ralph, ich bitte dich! Nicht heute zu unserer Verlobung“, versuchte Irene ihren Verlobten zu bremsen.

      Denn ihr bedeutete dieser Tag sehr viel und zu gern hätte sie ihn in guter Erinnerung behalten.

      „Wenn heute nicht unsere Verlobung wäre, dann hätte ich dich zu einem Duell herausgefordert“, sprach Ralph diesmal leiser mit zusammengebissenen Zähnen zu Caleb.

      „Und du, …“, zeigte er mit dem Finger auf Cassie: „Dich …“

      „Pschhhht …!“, unterbrach Irene ihren Verlobten, der unbeabsichtigt wieder lauter wurde und schlug mit der Hand sanft seine Hand weg.

      „Wir haben Gäste“, erinnerte sie ihn wieder.

      Nein, Ralph wollte nicht aufhören. Noch nicht! Er hatte längst nicht alles gesagt.

      Ralph trat einen Schritt näher. Näher zu Cassie, die vor Angst sich am liebsten versteckt hätte.

      „An meiner Seite, als Ehefrau, hättest du alles haben können. Ein großes Haus, unzählige Kleider, Schmuck und Diener, die sich um dein Wohlergehen gesorgt hätten.“

      Cassie schüttelte den Kopf.

      „Ralph, das hatte ich doch schon, auch ohne dich. Was mir fehlte, war deine Liebe.“

      Aber Ralph wollte ihr nicht zuhören. Zu groß war der Zorn, der sein Herz in Besitz nahm. Da war kein Verständnis für die Gefühle dieser jungen Frau.

      „Dieser Ball war für dich bestimmt.“

      Und das stimmte auch. Wenn es nach Ralph ginge, so hätte keins stattgefunden. Es war allein ihr Wunsch vor der Hochzeit ihre Verlobung mit Freunden zu feiern. Wie einst ihre Eltern.

      „Dieses Kleid …“, Ralph zupfte an dem traumhaften, dunkelblauen Kleid seiner Verlobten: „Ist deins. Ich habe es extra für dich in London anfertigen lassen.“

      Irene wurde verlegen. Sie spürte, wie sie rot anlief.

      „Ralph …“, doch er hörte nicht, wie sie leise zu ihm sprach.

      „Nein, stattdessen bevorzugst du lieber das Kleid einer Mätresse.“

      Cassie sah auf ihr purpurrotes Kleid herab und wünschte sich, sie hätte es niemals angezogen. Denn, wie schön das Kleid auch war, es stand unter ihrer Würde dieses Kleid zu tragen. Hätte sie es gewusst, so hätte sie Calebs Geschenk niemals angenommen.

      „Und lass mich raten. Bestimmt trägst du auch noch ihren Ring“, spottete Ralph.

      Unerwartet hob Cassie den Kopf.

      „Jetzt ist genug!“, platzte es aus Cassie heraus und zeigte somit ihren Mut.

      „Ja, ich trage das Kleid, das du nicht besonders magst und auch den Ring. Und ich muss sagen, es ist ein schöner Rubinring.“

      Zum Beweis hob Cassie ihre Hand und hielt sie ihm entgegen.

      „Wir wissen beide ganz genau, dass du mich nur wegen meines Geldes heiraten wolltest. Liebe war für dich nicht einmal ein Begriff.“

      Hui, meine Katze kann ja ihre Krallen zeigen, sah Caleb stolz auf seine Frau hinab.

      Dann ergriff Cassie Calebs Hand.

      „So, und jetzt ist es besser, wenn wir gehen.“

      Caleb tat es gut, als er hörte, dass seine Geschenke Cassie etwas bedeuteten.

      Er grinste zu seinem Halbbruder: „Du hast ja gehört, was meine Frau gesagt hat.“

      Um ihm noch ein letztes Mal eins auszuwischen legte Caleb Cassies Hand an seine Lippen und küsste sie ganz sanft. Calebs freches Zwinkern ließ Ralphs Wut überkochen. Wenn Irene ihren Verlobten nicht am Arm festgehalten hätte, so wäre Ralph mit Fäusten auf seinen Bruder losgegangen.

      „Komm langsam runter“, sprach Irene leise auf ihren Verlobten ein und streichelte sanft seinen Rücken.

      Sie ist gegangen. Aber ich bin noch bei dir und werde nicht von dir gehen, dachte Irene insgeheime. Denn dafür liebe ich dich zu sehr.

      Irene wusste ganz genau, dass ihr zukünftiger Mann sie nicht liebte. Aber sie hoffte, dass er das eines Tages tun wird. Morgen nimmt sie den Platz der Braut ein. Aber später, wenn sich Ralphs Zorn gelegt hat, der für´s erste sein ganzes Herz eingenommen hat, dann wird auch Platz für sie in seinem Herzen geben. Als Geliebte, beste Freundin und einzigartige Ehefrau.

      Keinem der neugierigen Gäste war entgangen, wie Ralphs Fäuste vor Wut zitterten.

      „Komm, lass uns wieder zu unseren Gästen gehen.“

      Ralph schluckte seinen Zorn gewaltsam herunter, setzte ein künstliches