Claudia Karsunke

Jonathans Erbe – Expedition in die Vergangenheit


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und mir ist, und wir beide schließen die Möglichkeit bewusst ein, dass man auf dem Weg der – nennen wir es Familienzusammenführung – einen Kontakt zu dem verschollenen Urahn herstellen kann, um so mehr über sein Schicksal zu erfahren... Aber bitte...“ Richie machte eine abmildernde Geste. „Es ist nur eine Spekulation, und wir werden erst hinterher wissen, ob unser Ansatz überhaupt funktioniert. Bis dahin halten wir uns einfach die Option offen, dass es möglich sein kann. Jeder von uns trägt seinen Anteil am Gelingen dieses Abenteuers bei, und ich hoffe sehr, dass wir am Ende das Resultat bekommen, das wir uns alle erhoffen. Jonathan hat sehr viel dazu beigetragen, dieses Kramer-Such-Projekt finanziell auf die Beine zu stellen. Ohne ihn wäre diese Expedition gescheitert. Das wissen wir alle. Also sollten wir auch alle unser Möglichstes tun, etwas Brauchbares zu finden.“ Richie drehte sich um. Sein Blick traf Annettes Augen. Unwillkürlich wurde sie rot und lächelte verlegen.

       „Ich weiß nicht, warum, aber ich habe das Gefühl, dass wir Annette, obwohl sie nicht vorgesehen war, auf diese Reise mitnehmen sollten. Gibt es etwas, das dagegen spricht?“ Richie schaute in die Gesichter der anderen. Niemand rührte sich. „Offensichtlich nicht. Trotzdem möchte ich dich bitten, dich kurz selbst vorzustellen.“

       Annette erhob sich und folgte gerne seiner Aufforderung. Wie sich die Dinge doch fügten.

       „Okay. Ich heiße Annette Deutsch, lebe in Berlin und bin die Freundin von Hans. Mein Geld verdiene ich als Designerin für alles Mögliche und ...“ Annette war dankbar, dass ihr der rettende Gedanke kam, „ ... nebenbei beschäftige ich mich mit Geomantie und diesen Dingen. Vielleicht brauchen wir ja mal Wasser. Ich habe gelernt, wie man mit einer Wünschelrute Wasser sucht und... “

       „Auch, wie man es findet?“ Jim Logan schaute die anderen amüsiert an.

       Annette nickte ein wenig unsicher, aber jeder im Raum schien von dieser Idee beeindruckt, wie sie beruhigt feststellte.

       „Okay, wenn das kein Argument ist. Ich habe nichts dagegen, wenn du uns auf diese Weise verstärkst. Wasser können wir, da, wo wir uns aufhalten, das eine oder andere Mal vermutlich sehr gut gebrauchen.“

       Richie war zufrieden mit dieser Wendung. Er hatte schon befürchtet, es könnte Einwände geben. Schließlich war man auf Annette nicht vorbereitet gewesen. Nun müsste er diesen Personalpunkt nur noch mit Jonathan abstimmen, und dann stand ihrer Teilnahme nichts mehr im Wege.

       „Damit sind wir wohl für heute hier fertig. Wir werden genug zu tun haben, bevor wir aufbrechen. Jonathan wird uns den genauen Zeitpunkt noch heute mitteilen. Er lässt euch grüßen und wünscht uns allen gutes Gelingen bei den Vorbereitungen.“

       Bill war aufgestanden und streckte sich.

       „Komm, Frank. Beweg dich. Es wartet da offensichtlich ein Riesenstück Arbeit. An uns soll es bestimmt nicht liegen, wenn etwas fehlt. Jonathan soll seine Bilder haben. Er kann sich auf uns verlassen.“

      Annette saß wie gebannt vor dem Fernsehgerät, das sie eher im Vorbeigehen eingeschaltet hatte. Als die Ankündigung für diese Talkshow kam und der Name Jonathan Miller fiel, blieb sie interessiert dran. Sie goss sich eine Tasse Tee auf und ließ sich mit einem Keks im Sessel nieder.

       „Es will mir einfach nicht in den Kopf, warum Sie sich so hartnäckig weigern, Ihre Vergangenheit preiszugeben. Es...“

       „Ich bestätige Ihnen gerne noch einmal, dass nichts Unehrenhaftes daran ist. Sie scheinen in ganz Australien die einzige Person zu sein, die sich dafür interessiert. Dabei geht es hier doch um etwas völlig anderes.“

       „Und um was geht es dann?“ Die Talkmasterin setzte ihren Gast erneut unter Druck.

       „Sie haben mich offiziell in Ihre Show eingeladen, um Ihren Zuschauern die Kramer-Such-Expedition vorzustellen. Und genau diesem Anliegen bin ich gefolgt. Was darüber hinausgeht, hat hier in dieser Sendung wirklich nichts zu suchen.“

       Was die junge Deutsche nicht verstand, waren die Anfeindungen, denen sich dieser alte Herr schon eine ganze Weile geduldig und höflich widersetzt hatte. Trotzdem kam diese Schnepfe – anders konnte Annette diese Frau wirklich nicht bezeichnen – immer wieder auf denselben Punkt zurück. Was bezweckte sie damit? Vermutlich hatten auch die australischen Zuschauer Mühe, zu verstehen, worauf diese Sheila Young eigentlich hinauswollte.

       „Wenn Sie es mir weiterhin unmöglich machen, die Such-Expedition und ihre Teilnehmer vorzustellen, sollte ich mich jetzt wohl besser verabschieden.“

       Annette merkte dem Mann seinen Zorn an, obwohl er äußerlich sehr ruhig und gelassen blieb. Er stand von seinem Sessel auf und richtete sich direkt an die Zuschauer im Studio, die inzwischen gegen diese Entwicklung protestierten, die das Interview zu nehmen drohte.

       „Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, aber ich habe Wichtigeres zu tun, als mich hier und jetzt diesen offensichtlich sehr persönlichen Anfeindungen zu unterwerfen. Ich hätte Ihnen wirklich gerne dieses Projekt vorgestellt, das mir sehr am Herzen liegt. Nun werden Sie sich wohl alle noch ein wenig gedulden müssen.“ Seinen Blick jetzt auf die verdutzte Talkmasterin richtend, fuhr er ruhig fort: „Ich bin sicher, dass werden Ihre Zuschauer besser verstehen, als Sie selbst es vielleicht vermögen, Miss Young. Sie überschreiten – und das tun Sie ja heute nicht zum ersten Mal – Ihre Grenzen. Das steht Ihnen nun wirklich nicht zu!“

       Jonathan Miller stieg vom Podest herunter und verschwand auf dem kürzesten Wege in der Kulisse. Ein aufgeheiztes Publikum und eine hilflos lamentierende Talkmasterin blieben so lange im Bild, bis sich die Regie mit einer abrupten Werbeeinblendung aus diesem unvorhersehbaren Abgang des Talkshow-Gastes von den Fernsehzuschauern verabschiedete.

       Annette war baff. Wenn das der Mann war, der ihre Expedition finanzierte, – und er war es bestimmt – dann hatte sie ihn sich irgendwie anders vorgestellt, auf jeden Fall wesentlich jünger. Trotzdem irgendwie väterlicher. Aber dieser Jonathan Miller strahlte eine solche Autorität aus, als er die Talkmasterin in ihre Schranken verwies. Annette schüttelte den Kopf über das, was sie da gerade gesehen hatte, trank einen Schluck aus ihrer Teetasse und knabberte an einem Keks.

       Was auch immer ihr Gast verbergen zu haben schien, diese Sheila mochte ihn offensichtlich nicht, und Jonathan mochte sie nicht. Daran gab es keinen Zweifel.

       Inzwischen hatte Richie ihr das Okay Jonathans gegeben, und Jimmy sorgte gerade für die noch fehlende Ausrüstung bei den Sponsoren, während Annette weiter darüber nachdachte, wie sie sich in diesem Team nützlich machen konnte. Bisher war ihr noch nichts Konkreteres als das mit der Wünschelrute eingefallen. Und sie beschloss, es vorerst dabei zu belassen. Sie hatte wirklich Glück gehabt, als sie ihrer Intuition folgte. Für Annette konnte das Abenteuer beginnen.

      27° 32’ 35.78’’ S / 153° 03’ 59.99’’ O Mt Gravatt / BrisbaneQTV Als Jonathan Miller das Studio verließ, zog er sofort eine ganze Schar von aufgeregten Produktions- und Aufnahmeleitern, den stellvertretenden Studioleiter und einige Redaktionsmitarbeiter hinter sich her. In den Gängen, die zum Ausgang führten, wuchs die Traube sogar noch an. Er, Jonathan, hatte sich etwas erlaubt, das nicht sein durfte. Sie alle hatten nun ein Problem, das es irgendwie ganz schnell in den Griff zu bekommen galt, bevor dieser heutige Eklat bei BrisbaneQTV in der Branche publik würde und Schlimmeres nach sich zog. Wenn es so kam, wie die Meute hinter ihrem Hauptsponsor ganz offensichtlich befürchtete, dann waren sie alle hier ihren Job bald los. Nicht nur Sheila, die ihnen das eingebrockt hatte. Die Werbeeinnahmen würden ohne sie rapide abnehmen. Dem Sender würden die Kunden davonlaufen, um sich bei der Konkurrenz zu etablieren. Auch Jonathan war einer dieser Garanten dieses Kanals. Noch sorgte er mit den zahlreichen Werbeeinblendungen seiner Firma für die nötige Sicherheit der Mitarbeiter, und die wussten das natürlich. Jonathan wehrte nun all diese Leute freundlich, aber bestimmt ab, die ihn bedrängten und zu beschwichtigen suchten, wo es für ihn nichts mehr zu beschwichtigen gab. Miss Young hatte den Bogen heute eindeutig überspannt. Damit war sie ihren Job wohl bald los. Sie stand schon einmal kurz vor dem Rauswurf. Aber da ihr treues Publikum sich für sie eingesetzt hatte, wurde ihr ein Ultimatum gestellt: Wenn sie es schaffte, innerhalb einer Woche die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben, durfte sie bleiben. Wenn nicht, dann nicht. Sheila Young nutzte diese Herausforderung, wie sie wohl alle Chancen nutzte, die sich ihr boten. Sie fühlte