Günter Billy Hollenbach

Die Hexe zum Abschied


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ich Dussel bereits achselzuckend „eine meiner leichtesten Übungen“ geantwortet. Früher, mit Ex-Frau Gisela und Klein-Claudia, habe ich das auch getan, wenn ich an der Reihe war; die Feinwäsche für den Schongang in die Waschmaschine sortiert.

      „Mammi, Du bist Zeugin. Er hat ,Ja’ gesagt.“

      „Amtlich und gerichtsfest,“ stimmt die Mutter grinsend zu.

      „Prima Idee, Mona. Und meine BHs selbstverständlich auch, Robert,“ besiegelt sie den Beschluss.

      „Hach, Berkamp, jetzt bist Du dran! Wehe, Du benutzt die Maschine! Von Hand natürlich ... und ganz schonend. Oder was hast Du gedacht? Ich zeige dir auch, wie es gemacht wird.“

      Reizend. Dass diese Frauen immer so hintersinnig praktisch denken müssen. Andererseits: Was kann ich gegen eine solche Art Liebeserklärung einwenden?

      Mona schubst mich mit dem Fuß am rechten Arm.

      „Tja, so ergeht es dir mit uns.“

      Wie sie mich mit ihren betörend grünen Augen unter ihren dunkelrot glänzenden, struppigen Haaren anstrahlt, läuft es mir heiß über den Rücken. Diese Augen, dieses liebe Lächeln.

      Mona, du bist solch ein Sonnenschein. Bin ich froh, dass du wieder lachen kannst.

      5

      Wir hocken zusammen, kabbeln uns und mögen es.

      Und kommen jedes Mal zur Sache, wenn auch oft unerwartet.

      Monas Blick ändert sich. Sie kaut nachdenklich ein paar Kartoffelchips.

      „Ist das wahr? Der Mann mit dem Gewehr in Amiland? Wieso bist Du jetzt hier? Also ..., Du weißt schon; wenn das echt gefährlich war.“

      Das es für mich gut ausging, erkläre ich, verdanke ich einer meiner Angewohnheiten, die Mona gelegentlich auf ’s Korn nimmt, dem Zufall und einem Leibwächter.

      „Uh; abartig! Welcher Zufall? Welche Angewohnheit?“

      „Du weißt doch, ich steige gern Treppen ...“

      „Weil Du die Fahrstuhl-Panik hast, wetten?“

      „Nöh, Freude an der Bewegung. Was ist, willst Du das hören?“

      „Hhm, klar, entschuldige.“

      Es geschah in einem kleinen Hotel in China-Town. Wo ich öfter wohne.

      „Ich will auch nach San Francisco. Wir fahren einfach hin, alle drei, und Du zeigst uns ...“

      „Lässt Du Robert jetzt weiterreden, Mona, oder ...“

      „Wie gesagt, in dem Hotel. Mein Zimmer lag im vierten Stockwerk.“

      Im Treppenhaus gibt es jeweils ein Fenster zur Straße. Wie ich da lang gehe, sehe ich zufällig auf dem Flachdach des Hauses gegenüber einen Mann entlang schleichen. Erst dachte ich, der arbeitet dort; er hielt ein längliches Gerät in der Hand. Aber es war ein Gewehr. Der Bursche suchte einen Platz an der Ecke mit freiem Blick auf den Eingang meines Hotels und legte sich flach hin.

      „Das konntest Du sehen?,“ fragt diesmal Corinna dazwischen.

      „Ja, das Haus gegenüber hat nur fünf Stockwerke und sein Flachdach liegt ungefähr auf meiner Höhe. Normale Straßenbreite; auf die Entfernung war das Gewehr gut zu erkennen.“

      „Und, was hast Du gemacht?,“ hakt Mona ein.

      „Natürlich war ich erschrocken.“

      Okay, ich war vorgewarnt, wusste, es geht um mich. Ich habe mich beruhigt und einen Freund angerufen.

      „Den Bodyguard – den hattest Du, wie Politiker oder Promis?“

      „Ja, Mona, so ähnlich. Der Mann heißt Black Buffalo Carey, ein Einheimischer vom Hopi-Stamm im nördlichen Arizona. Der Bruder einer Polizeibeamtin, mit der ich zu tun hatte.“

      Die beiden hatten beschlossen, auf mich aufzupassen.

      „Weil ein chinesischer Gangster hinter Robert her war,“ fügt Corinna ein.

      Richtig wütend ist sie geworden, kurz nach meiner Rückkehr. Als ich ausführlich erzählt habe, was sich in San Francisco zugetragen hatte. Auf der abgelegenen Treppe an einer ruhigen Seitenstraße war mir ein kleines Mädchen zwischen die Beine gelaufen, das vor einem Kidnapper davon hastete. In einem unbeholfenen Zweikampf behielt ich zwar die Oberhand und das Kind im Arm, stand aber unversehens als verdächtigter Kindesentführer von dem Lauf zweiter Polizei-Pistolen.

      Das Missverständnis ließ sich klären.

      Und der eigentliche Ärger begann.

      Dummerweise war die kleine Janey Tochter einer einflussreichen Familie chinesischer Geschäftsleute mit einschlägigen Wurzeln in der kriminellen Unterwelt von China-Town. Und ich befand mich unverhofft zwischen höchst unverträglichen Fronten. Einer misstrauischen Polizeieinheit gegen Organisierte Kriminalität, zwei Killern, denen ich unfreiwillig in die Quere gekommen war, und den wohlhabenden Eltern, die alles daran setzten, die Kidnapper zu finden.

      Sowohl die chinesische Familie als auch die Polizei waren um meine Sicherheit besorgt und taten, jeder auf seine Weise, viel für meinen Schutz. Zwangsläufig gewann ich dadurch schonungslose, verstörende, aber auch beglückende Eindrücke aus dem alltäglichen Leben und Treiben hinter dem gefälligen äußeren Auftreten der Beteiligten.

      Und geriet selbst in ernste Lebensgefahr.

      Den Luxus eines schlechten Gewissens gegenüber Corinna konnte ich mir damals nicht lange leisten. Zunächst aus Zeitmangel, später aus Erschöpfung und Ratlosigkeit unterließ ich es, sie anzurufen und über das Geschehen zu berichten. Wirklich helfen konnte sie mir von Deutschland aus ohnehin nicht. Wozu also sie beunruhigen? Jedenfalls war das meine Ausrede. Inzwischen kennt sie die Geschichte in den wichtigsten Einzelheiten. Bis auf einige besonders blutige Begebenheiten und intime Erfahrungen. Bei denen ich es klüger fand, sie für mich zu behalten.

      „Genau. Die dortige Polizei brauchte mich zum Identifizieren der chinesischen Gangster.“

      Mona wird etwas ungeduldig.

      „Ja, ja, hat Mammi mir ungefähr erzählt. Jetzt, wie ging es mit dem Mann auf dem Dach weiter.“

      „Also, ich rufe diesen Black Buffalo Carey an.“

      Ein ungewöhnlicher Typ, Bilderbuch-Indianer mit Westernstiefeln, Mittelscheitel und schwarzem Pferdeschwanz, neununddreißig Jahre alt, Sicherheitschef in einem indianischen Spielcasino außerhalb der Stadt, vorher US-Marine im Irak-Krieg.

      „Der war gleich zur Stelle und wurde tätig?,“ wundert Mona sich.

      „Dank seiner Polizei-Schwester hielt er sich in der Stadt auf. Um es kurz zu machen: Gut eine halbe Stunde später lag ein Chinese zermatscht gegenüber auf dem Bürgersteig. Unglücklicher Sturz vom Dach. Niemand auf der Straße hatte etwas gesehen oder gehört.“

      „Du auch nicht?,“ fragt Corinna.

      „Ich habe alles gesehen, durch das Fenster im Hoteltreppenhaus.“

      Der Chinese auf dem Dach war mit seinem Zielfernrohr beschäftigt, beobachtete den Hoteleingang. Merkte nicht, wie Carey sich anschlich. Es kam zu einem zähen Kampf, bis BiBi den Mann an den Beinen packte – und abwärts ging ’s.

      „Uaah! Nee!,“ schüttelt Mona sich, sieht mich mit großen Augen an.

      „Und Du warst das Ziel?“

      „Der Chinese hatte ein Foto von mir an sein Gewehr geklebt.“

      Das Bild und das Gewehr nahm Carey natürlich an sich.

      „Voll krass! Und, hat er das Gewehr noch?“

      „Nein. Gleich danach sind wir rausgefahren mit seinem Jeep, nordwärts über die Golden-Gate-Brücke. Dahinter