Elle West

Die Partisanen


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wieder Stephanie zuwandte, stand diese noch immer an der Tür, senkte jedoch schnell den Blick, als Christina sie ansah.

      „Sag mal, warum siehst du mich nur an, wenn ich wegsehe?“, wollte Christina wissen. Sie hielt nichts von falschem Taktgefühl. Und sie hatte es neugierig gefragt, nicht verärgert oder arrogant.

      Stephanie lächelte zurückhaltend. Im nächsten Moment hob sie den Kopf und blickte Christina direkt in die Augen. „Weil Sie so wunderschön sind und ich nicht möchte, dass Sie mich für merkwürdig halten.“, sagte sie. „Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die so schön ist wie Sie. Sie leuchten im Inneren.“

      Nun musste Christina lächeln. Zuerst hatte sie gedacht, das Mädchen wolle sie beobachten, weil sie ihr nicht traute und sie deshalb stets musterte. Nun stellte sie erleichtert fest, dass Stephanie sie bewunderte.

      Christina setzte sich auf die Fensterbank und betrachtete sie nun ihrerseits aufmerksam. Wieso sollte sie sie für merkwürdig halten? Sie wirkte wie ein normaler Teenager auf sie. „Es gibt viele schöne Frauen, meinst du nicht? Überall auf der Welt, das kann ich dir versichern.“, sagte sie, nur um irgendetwas zu sagen. „Du bist auch sehr hübsch, Stephanie. Ich bin sicher, in ein paar Jahren, werden dich viele Frauen um dein Aussehen beneiden.“ Christina hatte gesagt, was sie dachte, nicht sicher, ob es nun höflich gewesen war oder nicht. Sie hatte keine Erfahrung darin, sich Teenager zu Freunden zu machen. Und so hatte sie einfach versucht, höflich zu sein und doch nicht zu lügen. Höfliche Lügen waren ihrer Meinung nach das Schlimmste. Und Stephanie war ein hübsches Mädchen. Sie hatte jedoch kaum Selbstbewusstsein und das fand Christina aufrichtig bedauernswert.

      Nun winkte das Mädchen schüchtern ab, während sie doch über das Kompliment lächelte. Dann trat sie auf sie zu und berührte eine von Christinas Haarsträhnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten. „Ihre Haare erinnern mich an Feuer.“, sagte sie lächelnd. „Und Ihre Augen sind wie Licht, das aus der Erde fließt.“

      Christina blickte mehr verwundert als geschmeichelt drein. Langsam begann sie sich in ihrer Gegenwart verändert zu fühlen, merkwürdig, aber nicht unbedingt unangenehm.

      „Sie sind wie Feuer und Erde. Und so wie die beiden Elemente gegensätzlich zu sein scheinen, verhält es sich auch mit Ihrer Persönlichkeit. Sie sind das Feuer und die Erde und Sie nutzen beides.“, fuhr Stephanie unbeirrt fort.

      Christina lachte leicht, in dem Versuch, ihre Unsicherheit zu verbergen. „Woher willst du das wissen?“, fragte sie forschend.

      „Ich sehe mit dem Herzen und nur selten mit den Augen.“, antwortete Stephanie. „Es ist eine Gabe, die ich nutzen muss, weil ich das Glück hatte, sie zu bekommen. Die anderen verstehen das nicht. Und das ist auch der Grund dafür, dass ich keine Freunde habe. Dafür wollten Sie doch eine Erklärung, nicht wahr?“

      Wenn ich gläubig wäre, würde Gott nun ein Gebet von mir hören, dachte Christina sarkastisch. Sie hielt jedoch weder etwas auf Religionen, noch auf Aberglauben. Und dennoch bereitete dieses Mädchen ihr eine Gänsehaut. Immerhin hatte sie nicht wissen können, was sie nun so entschieden behauptete.

      „In Ihrer Zukunft wird es einen Mann geben, durch den Sie Ihre Stärken verbinden können.“, sagte Stephanie und lächelte. „Sie werden ihn so glücklich machen, wie er Sie.“ Sie schloss die Augen und sah sie erst nach geraumer Zeit wieder an. „Sie werden nicht länger heimatlos sein, wenn Sie ihm gestatten, Ihnen nahe zu sein. Er wird Ihnen die Heimat sein und Sie ihm das Licht, das seine Dämonen vertreibt.“

      Als Christina diese Worte hörte, durchfuhr sie neuerlich eine Gänsehaut. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass Stephanie nicht von Damian sprach. Hatte sie nicht Aden Hall gegenüber erwähnt, dass sie die Heimatlose genannt wurde? Aber dieser Gedanke war absurd und Stephanie konnte davon nichts wissen. Sie hatte es nicht mit einem Wort erwähnt, also konnte dieses unheimliche Mädchen es nicht wissen. Aber gesagt hatte sie es dennoch. Im nächsten Moment glaubte Christina, selbst unheimlich zu werden, weil sie in Betracht zog, ihr zu glauben. „In Ordnung.“, sagte sie abwehrend. „Lassen wir das, ja?“

      „Wie Sie wünschen.“, erwiderte Stephanie und senkte dabei wieder ihr Haupt. Sie wirkte nicht gekränkt. Scheinbar kannte sie diese Reaktion längst. „Ich wollte Ihnen noch einmal persönlich danken, dass Sie meine Brautjungfer sein werden. Das ist sehr freundlich von Ihnen, da Sie mich nicht einmal kennen.“

      Christina nickte leicht, wenngleich sie dachte, dass sie bereits genug von ihr kannte, um zu wissen, warum alle anderen sie mieden. Dennoch fühlte sie sich nun, da sie wieder ein normales Gespräch führen konnten, augenblicklich behaglicher. „Ich denke, ich mache das gerne.“, sagte sie und wusste nun, dass es nicht gelogen war. Sie hatte vielleicht eingewilligt, weil sie ihre eigenen Ziele vor Augen gehabt hatte, aber nun fand sie auch, dass es nicht gerecht wäre, wenn das Mädchen während ihrer eigenen Hochzeit alleine wäre. „Allerdings finde ich es wirklich schade, dass diese Aufgabe keine deiner Freundinnen übernimmt.“

      Stephanie blickte sie mit einem traurigen Lächeln an. „Die Mädchen in meiner Schule fürchten sich wegen meiner Gabe vor mir, so wie Sie sich auch. Aber diese Mädchen haben nicht Ihren Kampfgeist.“, antwortete sie erneut auf die ungestellte Frage. „Im Mittelalter wurden Menschen deshalb hingerichtet, wussten Sie das?“

      Christina nickte. „Ja.“, sagte sie zusätzlich. „Die Kirche ließ im Mittelalter so gut wie alle hinrichten, die ihnen nicht gefallen haben.“

      Stephanie lächelte, schwieg jedoch.

      „Freust du dich auf deine Hochzeit?“, fragte Christina, um das Thema zu wechseln. „Ich finde, du bist doch noch recht jung für die Ehe.“ Als sie selbst 16 gewesen war, hatte sie angefangen, Geschäfte mit den Irakern zu machen. Damals hatte sie Ali, einen nun sehr guten Freund, kennen gelernt, der sie in dieses Terrain eingeführt hatte. Christina hatte hinein gepasst, zwischen die Rebellen und Geschäftsleute. Sie war schon damals selbstsicher und klug gewesen und so hatte man sie in dieser Männergesellschaft bald akzeptiert. An die Ehe hatte sie in diesem Alter allerdings überhaupt nicht gedacht. Auch jetzt noch, mit 23, kam sie sich eigentlich zu jung vor, um entscheiden zu können, sich auf ewig an einen einzigen Mann zu binden.

      Stephanie kicherte amüsiert. „In der Heimat meines Vaters wäre ich schon längst versprochen oder gar verheiratet. Es ist ganz normal für ihn und ich kenne es auch nicht anders.“

      Christina nickte einsehend. Es war eben eine andere Kultur. Und nur weil sie es sich für sich selbst nicht vorstellen konnte, bedeutete es nicht, dass es nicht für andere selbstverständlich war. Für Stephanie schien es das zu sein. „Und dein baldiger Ehemann?“, fragte sie. „Liebst du ihn?“

      „Ich kenne ihn noch nicht.“, antwortete Stephanie.

      Christina nickte verstehend, wenngleich sie diese arrangierten Ehen verachtete. Kultur hin oder her, sie konnte keinen Sinn darin sehen, zwei Unbekannte miteinander zu verheiraten. Und auch wenn diese Ehen statistisch weniger oft geschieden wurden als gewöhnliche Ehen, konnte sie es dennoch nicht begreifen. Wo war die Leidenschaft? Sollte nicht jeder Mensch zumindest die gleiche Chance erhalten, sich unsterblich zu verlieben? Ihrer Meinung nach war eine verrückte, unlogische Beziehung noch immer besser als eine lieblose, die vielleicht für ewig hielt. Einen Fehler zu machen, war besser, als nie das Risiko einzugehen.

      „Versuchen Sie, das zu verstehen, Miss.“, sagte Stephanie, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. „Mein Vater hat diesen Mann für mich ausgesucht und somit steht fest, dass wir einander in diesem Leben gehören werden. In der Kultur meines Vaters werden die Dinge so geregelt. Auch seine Eltern haben entschieden, mit welcher Frau er den Bund der Ehe eingehen sollte und Sie sehen, dass dabei zwei Kinder herausgekommen sind.“

      Christina nickte erneut. „Ich finde es dennoch falsch.“, sagte sie ehrlich und machte sich auch sonst keine Mühe, ihre Abneigung gegen diese Tradition zu verbergen. „Ich würde niemals einen Fremden heiraten, nur weil das jemand so verabredet hat. Ich bewundere dich, dass du diese Bürde ohne Widerworte auf dich nimmst.“

      „Sehen Sie, ich freue mich darauf, einen Ehemann zu bekommen.“, sagte Stephanie. „Ich weiß, dass