Elle West

Die Partisanen


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den Inhalt. Es wäre zu riskant, hätte dieser Mann eine Wanze oder einen Peilsender in seinen Sachen. Damit würde er nicht nur sich selbst und Orlando, sondern auch seine Freunde, zu denen sie nun fahren würden, in Gefahr bringen.

      „Was machen Sie da?“, fragte Khaled verwundert.

      Orlando hatte nichts Verdächtiges gefunden und so schloss er den Koffer wieder und reichte ihn ihm zurück. „Ich wollte nur sicher gehen, dass man Sie nicht überwacht.“, erklärte er und fuhr gleich darauf los. Während er fuhr, musterte er den Mann forschend aus dem Augenwinkel. Er fragte sich, warum er gesucht wurde. Er war klein und dicklich und wirkte nicht sonderlich gefährlich. „Warum lassen die Amerikaner Sie suchen?“, fragte er schließlich.

      Khaled fühlte sich ein wenig unbehaglich. Über dieses Thema zu sprechen, machte ihn nervös und flösste ihm noch immer Angst ein, wenngleich er davon ausging, dass Aden Hall seine Rettung war. „I..iic…ich hab…habe einige ihrer…ihrer geheimen Militärinformationen abgehört und an die…die Guerilla verraten.“, antwortete er schließlich stotternd. Er atmete tief durch, versuchte sein schnell schlagendes Herz zu beruhigen. „Die Informationen betrafen den Krieg…ähm…also den Krieg, den die Amerikaner planen. Wir…wir sind den ersten Truppen in Kuwait begegnet…und…und ich fürchte, es wird sehr bald ernst werden.“

      Orlando nickte verstehend. Der Mann war außer sich vor Angst und Adrenalin. Und doch lag es Orlando nicht, den Tröster zu spielen. Er hoffte, Dana, eine seiner Freundinnen, die Khaled bald kennen lernen würde, könnte das vielleicht übernehmen. „Wie sind die auf Sie gekommen?“, wollte er wissen.

      Der Iraker zuckte verständnislos die Achseln. „Ich kann es mir auch nicht erklären!“, räumte er, über diese Tatsache noch immer verstört, ein. „Ich…ich habe keinen Fehler gemacht…das…das habe ich nicht. Ich verstehe meine Arbeit. Alles lief anonym ab.“

      Orlando nickte erneut. Wenn das wahr ist, gibt es einen Feind in den eigenen Reihen, dachte er ärgerlich. Mehr Geld, mehr Informationen. So lief das nun einmal. Nahezu jeder Mensch war käuflich, aber sicherlich war jeder Mensch erpressbar.

      „Was wird nun mit mir geschehen, Mr. Hall?“, fragte Khaled furchtsam. Er wischte mit zitternden Fingern seine Brillengläser sauber und blickte ihn ausharrend an.

      „Sie werden ein neues Leben beginnen.“, antwortete Orlando. „Damit Sie nicht weiter fliegen müssen und aufgrund ihres Teints, werden wir Sie zu einem gebürtigen Spanier machen und Sie werden in Portugal leben. Ich hoffe, Sie sprechen Spanisch?“ Bisher hatten sie sich auf Arabisch unterhalten.

      Der Iraker schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, das ist ein Problem.“, antwortete er ängstlich. „Bei Allah, was machen wir denn nun?“

      „Ganz ruhig.“, sagte Orlando mit einem amüsierten Lächeln, das nicht im Ansatz verriet, dass auch er sich Gedanken um Khaleds Sicherheit machte. Dabei machte er sich weniger Sorgen um die Sprache, als vielmehr um das nervöse, ängstliche Temperament des Irakers. Selbst wenn dieser eine neue Identität hatte, würde er sein Leben selbst meistern müssen und Orlando konnte sich gut vorstellen, dass dieser Mann nach allem, was er erlebt hatte, zu ängstlich wäre, um auch nur das Haus zu verlassen, damit er nicht erst Gefahr lief, jemanden seine gefälschten Papiere vorzeigen zu müssen. „Für dieses Problem habe ich längst eine Lösung.“, sagte er und verschwieg seine eigentliche Besorgnis absichtlich, um den Mann nicht noch mehr zu beunruhigen. „Sie sind nicht der Erste, der bei der Flucht eine andere Sprache lernen muss.“ Orlando erinnerte sich noch genau daran, wie er seinen ersten Flüchtling aufgenommen hatte. Auch dieser hatte nur Arabisch sprechen können, doch Orlando war die Problematik der Sprache erst klar geworden, als er sich damit konfrontiert sah. Also hatte er sich an eine Freundin seiner Schwester Bonita gewandt, von der er wusste, dass sie Lehrerin war. Mittlerweile half sie ihm seit mehreren Jahren, wenngleich sie noch immer hauptberuflich als Lehrerin tätig war. Für ihn kümmerte sie sich darum, dass alle Flüchtigen, die er aufnahm, schon bald auch eine weitere Sprache beherrschten. Dana lebte in Spanien, obwohl sie gebürtige Deutsche war und viele Jahre in Frankreich studiert hatte. Für seine Arbeit war es jedoch wichtig, dass sie immerzu abrufbereit war und dies setzte voraus, dass sie in Spanien lebte, da Orlando die Flüchtlinge immer hier aufnahm, ehe er sie in der Welt verteilte. Dana hatte sich entschieden, in Spanien zu bleiben, schon deshalb, weil sie sich in ihrer Schule sehr wohl fühlte. Dort unterrichtete sie Deutsch und Spanisch, die Flüchtlinge lehrte sie zusätzlich Arabisch, und falls das nötig war, Englisch, Französisch und Italienisch. Sie war Orlando eine große Hilfe und sie war verschwiegen, was er am meisten schätzte. Sie hatte nicht einmal Bonita davon erzählt, obgleich sie in ihrer Freizeit beinahe täglich mit ihrer Freundin zusammen war.

      Orlando nahm sein Handy vor und wählte Danas Handynummer.

      „Sí?“, meldete sie sich sofort.

      „Ich bin es.“

      „Oh.“

      „Ich habe einen Mann bei mir, der deine Hilfe braucht.“, fuhr er fort. „Könntest du, wenn du Feierabend hast, zu Antonio kommen?“

      „Sicher.“, antwortete sie ohne zu zögern. „Heute Nachmittag bin ich da.“

      „Gut, danke.“

      „Orlando?“

      „Ja?“

      „Sehe ich dich da?“, fragte sie, etwas verlegen.

      „Ich glaube, ja.“

      „Okay, gut. Bis dann.“

      Orlando legte auf. Er fühlte sich jedes Mal, wenn sie seinen wahren Namen sagte, erwischt. Er hätte es gerne verhindert, dass sie es überhaupt erfahren hatte, damit hätte er sich bei weitem wohler gefühlt. Dana jedoch hatte er sich nicht unter einem falschen Namen vorstellen können, da sie seine Familie kannte. Wenn sie jedoch mit ihren anderen Verbündeten zusammen waren, hielt sie sich konsequent an seine Anweisung und nannte ihn Aden.

      „Darf ich fragen, was Sie besprochen haben?“, fragte Khaled schüchtern, da er kein Wort von dem Spanischen verstanden hatte.

      „Ich habe den Sprachunterricht für Sie angesetzt.“, antwortete Orlando auf Arabisch. „Sie werden heute Nachmittag Ihre erste Unterrichtsstunde haben.“

      „Das ist gut. Vielen Dank.“, sagte er ausatmend. „Wie lange werde ich ohne Papiere auskommen müssen?“

      „Höchstens eine Woche.“, antwortete Orlando und bog von der Hauptstraße auf einen verborgenen Pfad ab. „Wir müssen noch ein Passfoto von Ihnen machen, wenn wir Ihr Aussehen verändert haben. Ich schlage vor, Sie beginnen jetzt mit der Diät.“

      Der Mann blickte ihn sowohl verwundert, als auch gekränkt an. Unwillkürlich berührte er seinen Bauch. „Sie finden, ich bin zu dick?“

      „Ich finde, es wäre eine bessere Tarnung, wenn Sie Ihrem jetzigen Aussehen so wenig wie möglich ähneln.“, antwortete Orlando und musste sich das Grinsen verkneifen.

      Khaled nickte. „Sie haben Recht.“, gestand er, auch wenn ihn schon jetzt schmerzte, nicht mehr so viel essen zu können wie bisher und dass er vor allem darauf achten musste, was er zu sich nahm. Bisher hatte er nicht eine einzige Diät durchgehalten, nun jedoch ging es um sein Leben und dies würde selbst ihn dazu bringen, dem Essen den Rücken zu kehren. Die Motivation war eine ganz andere.

      Orlando führte den Flüchtling in ein unscheinbar wirkendes Haus, welches versteckt in einem Wäldchen lag. Eigentlich gehörte das Haus Orlando, denn er hatte es gekauft, aber er ließ Antonio als Hauptmieter hier wohnen, ohne von ihm Miete zu verlangen. Immerhin arbeitete er für ihn und so glich das obere Stockwerk, das mittlerweile zu einem einzigen riesigen Raum umgebaut war, einem technisch hervorragend ausgestatteten Büro.

      Orlando hatte Antonio durch seinen ältesten Freund Wassilij Rizcsac kennen gelernt. Wassilij und er waren damals in demselben Militärcamp gewesen und man hatte sie beide vorzeitig aus dem Programm geworfen, weil sie sich immerzu den Befehlen ihrer Ausbilder widersetzt hatten. Dennoch waren die beiden Freunde geblieben und auch wenn sie einander nicht sehr häufig sahen,