Elle West

Die Partisanen


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lächelte freundlich. Sie war dankbar, wenn die Menschen ihr mit Ehrlichkeit begegneten.

      „Wieso zieren Sie sich, Ihren Verlobten zu heiraten?“, fragte Stephanie dann. „Für eine Frau ist es doch immer gut, wenn sie einen Mann an ihrer Seite hat, der sie beschützen kann.“

      Christina blickte sie nahezu fassungslos an. Sie hatte mit niemanden, den dieses Mädchen kennen konnte, über ihre Verlobung gesprochen. „Woher weißt du davon?“, fragte sie, obwohl sie nicht sicher war, ob sie die Antwort wirklich hören wollte.

      „Ich kann es sehen.“, antwortete Stephanie und erfüllte damit Christinas Befürchtung. „Aber ich glaube nicht, dass Sie ihn heiraten werden. Sie werden einen Mann finden, der besser zu Ihnen passt. Und Sie werden eine Wahl haben –ganz anders als ich. Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie den anderen lieben werden. Das Schicksal bestimmt das.“

      Christina glaubte ihr kein Wort und wollte sie unbedingt los werden. All die Dinge, die sie sagte, konnten nicht wahr sein. Vielleicht war sie einfach eine gute Beobachterin. Doch am meisten wunderte sie, dass dieses Mädchen gebildet sprach und manchmal sehr klug wirkte und im nächsten Moment hielt sie an Traditionen fest, die nichts mit Schicksal und Hoffnung zu tun hatten.

      Stephanie deutete eine kleine Verbeugung an und lächelte freundlich. „Bis morgen, Skylla. Schlafen Sie gut.“, sagte sie. Gleich darauf hatte sie das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen.

      Christina blieb einen Moment lang regungslos auf der Fensterbank sitzen. War dieses Mädchen verrückt? Ich glaube, ich werde allmählich selbst verrückt, dachte sie dann. Wieso schenke ich Stephanies Worten überhaupt Beachtung? Die Antwort wusste sie sofort. Einige von Stephanies Worten waren so real gewesen, dass sie Eindruck hinterlassen hatten. Sie hatte nichts von Damian wissen können und hatte ihn dennoch, wenn auch nicht namentlich, erwähnt. Sie hatte von dem Feuer und der Erde in ihr gesprochen und damit auf die zwei Personen gedeutet, die Christina verkörperte, ihre Identitäten. Auf der einen Seite war sie die gewöhnliche Verlobte, die in einer Hilfsorganisation arbeitete und den Menschen half, und auf der anderen Seite war sie leidenschaftliche Rebellin, die auch bereit war einem Menschen das Leben zu nehmen.

      Dann gestattete sie sich nicht länger, an diesen Gedanken festzuhalten. Sie war zu bodenständig um an derlei Dinge zu glauben und sie hatte ganz andere Sorgen und Aufgaben als sich damit zu beschäftigen.

      Augenblicklich fühlte sie sich besser. Sie sprang von der Fensterbank herunter und begann, sich für die Nacht umzuziehen.

      Als sie sich aufs Bett legte und die dünne Decke über ihren Körper zog, gingen ihre Gedanken allerdings erneut einen Weg, den sie nicht zulassen wollte: Aden Hall. Obwohl sie ihn abgewiesen hatte, konnte sie nicht sagen, dass es sich richtig angefühlt hatte. Er hatte sie mit seiner geheimnisvollen Art fasziniert und es ließ sie an ihn denken, weil sie wusste, dass er gefährlich war. Er hatte es nicht gesagt und nicht angedeutet, aber sie spürte es so sicher, dass sie nichts umstimmen könnte. Dass sie schon nach einem einzigen Gespräch von ihm hingerissen war, ließ sie sich jedoch über sich selbst ärgern. Sie schalt sich eine Närrin, da sie überhaupt an ihn dachte. Ich bin verlobt und sollte nur an den Mann denken, den ich heiraten werde. Also stellte sie sich Damians Gesicht vor. Er war schlank und groß, hatte eine etwas zu große Nase, aber schöne Zähne. Sein Lächeln hatte sie vor etwas mehr als einem Jahr dazu bewogen, seinen Einladungen zum Essen nachzugeben. Seine Frisur hatte sich mit der Zeit geändert. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er seine braunen Haare sehr kurz getragen, mittlerweile reichten sie ihm jedoch bis zu den Ohren. Christina machte sich nicht sonderlich viel aus Äußerlichkeiten, aber sie bestritt nicht, dass es bei einer ersten Begegnung hauptsächlich darauf ankam. Sie konnte sich nicht vorstellen, sich in einen Mann zu verlieben, der ihr vom Aussehen her gänzlich widerstrebte. Aber sie glaubte, dass sich dieses Aussehen durch den Charakter in der Wahrnehmung veränderte und der Gefallen des Verstandes die Augen zu täuschen vermochte. Damian war kein hässlicher Mann, aber sie war auch nicht von seinem Aussehen hingerissen gewesen. Sie hatte sich vielmehr auf ihn eingelassen, weil er intelligent und gebildet war und das fand sie attraktiv. Aden Hall hingegen hatte sie sogleich auch optisch fasziniert.

      Allerdings störte sie sich weniger an Damians Aussehen, als an seinen charakterlichen Mängeln. Manchmal war er dermaßen selbstverliebt, dass sie sich fragte, warum er sie heiraten wollte, wenn er nur sich selbst zum Glücklichsein brauchte. Und er wusste nicht, was Fürsorge in einer Partnerschaft bedeutete oder er interessierte sich einfach nicht genug für sie. Doch sobald ihr Ärger verflogen war, legten sich auch ihre Vorwürfe und sie glaubte, überzureagieren. Manchmal glaubte sie auch, dass es mehr ihre als seine Schuld war. Immerhin kannte sie sich nicht mit ernsthaften Beziehungen aus und es war durchaus möglich, dass sie zu viel erwartete. Sie wollte Leidenschaft und Streitereien, aber auch Geborgenheit und Zuneigung. Sie wollte alles und er konnte es ihr natürlich nicht geben. Allerdings ärgerte es sie, dass er es nicht einmal versuchte. Wenn sie mit ihm über ihre Wünsche sprach, tat er das meistens als kindliche Sehnsüchte ab, die ohnehin utopisch waren.

      Und nun würde sie ihn bald heiraten. Sie hatten zwar kein Datum festgelegt, weil Christina sich noch nicht festlegen wollte, aber sie würden im Irak heiraten und dahin war sie ja bereits unterwegs. Dennoch wollte sie sich mit dieser Entscheidung nicht drängen lassen. Sie wollte sehen, wie es war, mit ihm zusammen zu leben. Würden sie sich auch noch verstehen, wenn sie einander jeden Tag sahen, dann glaubte sie, dass auch eine Ehe funktionieren würde.

      Sie war dabei eine große Distanz zu ihren Eltern und Freunden aufzubauen und dies schmerzte sie noch immer in der Seele. Auch wenn sie es für ihren baldigen Mann tat. Immer wieder zweifelte sie an dieser Entscheidung. Nicht, weil es sie störte in Bagdad zu leben, sondern weil er es entschieden hatte, nicht sie. Sie hatte noch nie ein Land für ein anderes verlassen, um einen anderen Menschen nahe zu sein. Sie war immer gegangen wohin sie es gewollt hatte und hatte sich auch diesbezüglich nicht gerne festlegen lassen. Allerdings konnte sie mit Damian nicht darüber reden. Wie sollte er auch verstehen, dass sie in ihrem jungen Leben schon in einigen Ländern gelebt hatte? Er würde sie fragen, wie sie sich das hatte leisten können und darauf könnte sie ihm nicht antworten. Und so verhielt es sich mit den meisten Dingen. Sie konnte nicht mit ihm reden, beziehungsweise sein Verständnis erwarten, weil sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Es war nicht seine Schuld, sondern ihre.

      Als sie sich mit Damian über ihre gemeinsame Zukunft unterhalten hatte, hatte sie gemerkt, dass er sich Kinder wünschte. Er wünschte sich eine gewöhnliche Familie. Sie hatte ihn daraufhin verlassen wollen, um ihm die Chance zu geben, eine Frau zu finden, mit der sein Wunsch greifbarer wäre. Doch er hatte sie angefleht, nicht zu gehen. Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebte und es ihm dann egal wäre, ob sie nun Kinder hätten oder nicht. Wenngleich er diesen Plan eher auf unbestimmte Zeit verschoben hatte, als ihn abzuschreiben. Dann hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht. Sie hatte ihn gefragt, ob er es nur getan hatte, um zu verhindern, dass sie ihn verließ, aber er hatte geantwortet, er habe es ohnehin vorgehabt. Er hatte ihr einen schönen Verlobungsring gekauft und sie hatte seinen Antrag wage angenommen. Mit derlei Dingen kannte sie sich nicht aus. Sie wusste nicht einmal, wie man einen gemeinsamen Haushalt führte, weil sie nie mit einem Mann zusammen gelebt hatte. Ihr Leben wurde von ihrer Arbeit bestimmt, nicht von einem Mann und dabei wollte sie es durchaus belassen. Dass sie zugestimmt hatte, ihm in den Irak zu folgen, hatte mehr damit zu tun, dass sie dort einige geschäftliche Angelegenheiten regeln könnte. Und da sie eine Invasion durch die Amerikaner kommen sah, stellte sie sich auf einen Guerillakrieg ein, bei dem sie nicht untätig bleiben wollte. Es würde eine Menge zu tun geben, wenn der Krieg erst käme und wenn sie ehrlich war, war eben das der Grund für ihre Reise. Doch sie hatte Damian glauben lassen, dass sie es aus Liebe zu ihm tat. Dieser Glaube schien ihn mehr zu überzeugen, als ihre bloße Annahme seines Heiratsantrages. Und ihr war es nicht wichtig, was genau ihn in seinem Vertrauen zu ihr bestärkte. Wichtig war nur, dass er ihr traute und keine misstrauischen Fragen stellte. Die Wahrheit würde ihn in seinen Grundfesten erschüttern, die Lügen machten ihn hingegen zufrieden. Christina schämte sich dafür, ihn immer wieder zu belügen. Nicht weil sie Schwierigkeiten mit dem Lügen an sich hatte, sondern weil sie wusste, sie hätten keine Zukunft, wenn er die Wahrheit kennen würde. Und auch dafür gab sie sich selbst die Schuld. Er war nur ein Mann. Und sie