Elle West

Die Partisanen


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klar, dass er nicht sein Untergebener war, sondern freiwillig entschied, ob er ihm half oder nicht. Alejandró sah dies alles und dennoch war er nicht in der Lage, etwas daran zu ändern. Orlando war erwachsen und er war, so sehr Alejandró es auch bedauerte, längst nicht mehr von ihm abhängig. Schwerer wog jedoch, dass sein Sohn wahnsinnig talentiert war. Wenn er jemanden unauffällig ausschalten sollte, dann erledigte er seine Arbeit perfekt und Alejandró wusste, wie schwer es war, so fähige und intelligente Auftragskiller zu finden.

      Alejandró nahm sich zusammen und schluckte seine Wut herunter. „Zumindest hast du Ristova ausgeschaltet, wie wir es besprochen hatten.“, sagte er und versuchte seine Wut durch diese Zufriedenheit zu verdrängen. „Wie viele Schüsse hast du abgegeben?“

      „Einen.“, antwortete Orlando wahrheitsgemäß.

      Sein Vater blickte unabsichtlich überrascht drein, denn dem gebührte Anerkennung. Er selbst hatte es auch in seinen jüngeren Jahren nicht geschafft, einen Menschen mit einem Scharfschützengewehr aus nicht geringer Entfernung diskret und schnell zu töten. Sein Sohn übertrumpfte ihn, doch dies war für ihn nicht so schlimm wie die Tatsache, dass sein Sohn über dieses Wissen zufrieden grinste.

      „Was ist bei den Verhandlungen mit den Russen heraus gekommen?“, wiederholte Orlando seine Frage. Der eigentliche Plan seines Vaters hatte beinhaltet, dass er die russischen Gebiete nach Ristovas Tod an sich reißen würde. Allerdings hatte Orlando das deutliche Gefühl, dass dies nicht bei seinen Gesprächen mit den Russen heraus gekommen war.

      Alejandró fuhr sich verlegen über die Stirn, weil er den Rückschlag, den er erlitten hatte als plötzlich ein Bruder Ristovas auftauchte, nicht vor seinem Sohn zugeben wollte. Ihm war jedoch bewusst, dass es sein eigenes Verschulden gewesen war, weil er sich nicht gründlich genug über die Familienverhältnisse des Mannes informiert hatte. Dieses Versäumnis würde ihn nun dazu zwingen, vor seinem Sohn zurückzustecken.

      „Ich nehme an, du musstest dich mit Wladimir Vostinov auseinandersetzen?“, sagte Orlando, nachdem sein Vater noch immer schwieg. „Hat er dir zumindest einige Bezirke überlassen oder war der ganze Zirkus umsonst?“

      Alejandró starrte seinen Sohn fassungslos an. „Woher weißt du von Vostinov?“, fragte er.

      Sein Sohn zuckte neuerlich die Schultern. „Bevor ich Ristova erschossen habe, habe ich mich informiert.“, antwortete er aufrichtig. „Ich hab’ mich schon gefragt, wie du dir dennoch alle Gebiete aneignen willst, aber dann hab’ ich erfahren, dass dieser Russe eigentlich nichts mit illegalen Geschäften zu tun hat und dachte, dass du ihn vermutlich ganz gut über den Tisch ziehen kannst. Jetzt wird mir allerdings klar, dass du nichts von einem Bruder gewusst hast.“

      Alejandró schlug die Faust auf den Tisch. Sein Kopf wurde rot vor Wut. Orlando hatte es gewusst und ihm nichts gesagt! Er hatte ihn nicht einmal darauf aufmerksam gemacht, nachdem für ihn klar gewesen war, dass die Pläne seines Vaters nicht schlüssig waren. Und nun wagte er es auch noch, über seinen Zorn zu grinsen, als ginge es ihn nichts an. „Du hast es gewusst! Du hast das gewusst und mir verschwiegen!“, fuhr Alejandró ihn an. „Wie konntest du die Dreistigkeit besitzen, mich nicht darüber zu informieren und mich ins offene Messer laufen lassen?“

      Orlando trank sein Bier aus und stellte die leere Flasche auf den Schreibtisch seines Vaters. „Ich habe nur getan, was du mir aufgetragen hast.“, sagte er mit beinahe gleichgültiger Ruhe. Er mochte es nicht, wenn sein Vater ihn anschrie, als wäre er noch ein kleines Kind. Und er würde sich ganz sicher nicht schuldig fühlen, für etwas, das sein Vater versäumt hatte in Erfahrung zu bringen. „Und du selbst warst es, der mir verboten hat, mich ansonsten in deine Geschäfte einzumischen. Ich bin nicht gewillt, mir deine Vorwürfe anzuhören, nur weil es dich erzürnt, dass ich umsichtiger war als du selbst.“

      Alejandró hätte aufschreien mögen, aber er schwieg, so irritiert war er. Bisher hatten immer ausgeglichene Machtverhältnisse zwischen seinem Sohn und ihm geherrscht, oder zumindest hatte Alejandró dies so empfunden. Sein Sohn war ihm gegenüber nie so direkt wie jetzt gerade entgegen getreten und hatte ihm nie vor Augen gehalten, dass er besser als sein Vater geworden war. Er hatte ihm Respekt entgegen gebracht, weil er das Familienoberhaupt war. Nun jedoch hatte sich sein Sohn über ihn erhoben. Alejandró ärgerte dies vor allem deshalb, weil sein Sohn ein so schwieriger, selbstzerstörerischer Mensch war. Man konnte ihm keine Befehle erteilen. Orlando war einfach besser geworden. Er prahlte nicht einmal damit, auch wenn es sich sowohl an seiner Wortwahl, als auch an seiner Haltung zeigte. Alejandró hätte mit einem hinterhältigen Versuch seines Sohnes, ihn aus dem Geschäft zu drängen, vielleicht sogar besser leben können als mit der bloßen Überlegenheit, die Orlando ausstrahlte. Je länger er jedoch darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass sein Sohn seinen Zorn nicht verdiente. Er mochte vielleicht eigensinnig und eventuell sogar respektlos sein, aber er war sein Sohn, sein Erbe und er war der Beste, in allem, was er anfing. Alejandró erkannte, dass er sich die Intelligenz und die Fähigkeiten seines Sohnes nicht mehr würde zunutzen machen können, wenn er ihn verärgerte.

      „Ristovas Bruder will die Geschäfte so weiter führen, wie sie bisher gelaufen sind. Allerdings gibt er mir die russischen Bezirke in Spanien und Portugal, damit ich ihm zur Seite stehe, wenn er seinen Feind gefunden hat und seinen Bruder rächen kann.“, erzählte Alejandró ruhig. „Ich war vor ein paar Tagen in Moskau bei Ristovas Beerdigung. Vostinov sieht in mir seinen Verbündeten und Freund und ich glaube, ich kann ihn bald endgültig von der Schuld Michél Tripoutêts überzeugen.“

      Orlando nickte. „Du bewegst dich da auf dünnem Eis, Vater.“, sagte er feststellend. „Und obwohl ich weiß, was du dir davon versprichst, bin ich nicht sicher, ob dein Plan langfristig der Beste ist.“

      „Was meinst du damit?“, wollte Alejandró wissen.

      Orlando stellte beide Füße auf den Boden und stützte die Ellenbögen auf die Knie. „Wenn jetzt kein Bandenkrieg ausbricht, was ich sogar noch annehmen könnte, wird das spätestens dann passieren, wenn die Franzosen herauskriegen, wer sie aufs Kreuz gelegt hat. Du bist sicherlich nicht der Einzige, der es beherrscht zu manipulieren. Die Franzosen werden auch Verbündete haben und vielleicht glauben die Russen ihnen irgendwann ihre Unschuld. Wer fängt schon einen Bandenkrieg an, wenn er sich selbst etwas vorzuwerfen hat und gerecht behandelt wurde?“

      Alejandró schluckte merklich. Aus dieser Perspektive hatte er seinen Plan und die Zukunft noch nicht betrachtet. Es war durchaus möglich, dass sein Sohn Recht hatte. „Was schlägst du vor, was ich machen soll?“, fragte er schließlich, wenngleich er sich nicht ganz wohl dabei fühlte, seinen Sohn um einen Rat zu bitten.

      „Seh’ zu, dass deine Verbündeten Feinde der Russen sind und stärker als die Franzosen und deren Gefolge.“, antwortete Orlando. „Du bist da schon drin und kannst nicht mehr raus, Alejandró.“ Obwohl er die Amerikaner hasste, musste er gestehen, dass eben diese ein Geschäftspartner wären, der viele andere einschüchtern würde. „Du musst dir eine Rückversicherung zulegen und ich glaube, wir denken dabei beide an die Amerikaner, da die italienische Mafia ohnehin auf deiner Seite steht.“ Der Anführer der italienischen Mafia, Fabrizio della Monta, war ein Cousin seines Vaters. Orlando und Bonita hatten damals oft die Ferien bei ihrem Onkel Fabrizio in Italien verbracht und sich gut mit dessen Kindern angefreundet. Um seine Loyalität brauchte sich Alejandró demnach am wenigsten zu sorgen. „Außer Ristova wusste keiner seiner Leute, dass er Verhandlungen mit den Amerikanern führen wollte und Vostinov is’ ein Idiot und versteht ohnehin nichts davon. Mach dir das zunutze. Am besten du tust es schnell, ehe die Amerikaner sich von selbst an Vostinov wenden und dir das Heft aus der Hand nehmen.“

      Alejandró nickte bestätigend. „Ich werde mich gleich darum kümmern.“, versicherte er. „Und nun geh’ deiner Mutter und deinen Schwestern Hallo sagen. Und schick mir Benini rein.“

      Orlando nickte und erhob sich. Er nahm es seinem Vater nicht übel, dass er ihm nun wieder Befehle zu erteilen versuchte. Immerhin war er das Familienoberhaupt und zumindest in dieser Position respektierte er seinen Vater auch angemessen.

      Alejandró hielt ihn noch einmal auf, ehe er den Raum verlassen konnte. „Danke, Orlando.“, sagte er aufrichtig. „Ich bin froh, dass du auf meiner