Elle West

Die Partisanen


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zu ihr zurückkehrte.

      Christina wandte den Blick ab und nahm ein Buch hervor.

      Er betrachtete sie beim Lesen und fand Gefallen daran, ihre Augen dabei zu betrachten, wie sie über das Papier huschten. Manchmal kräuselte sie die Stirn oder biss sich gedankenversunken auf die Unterlippe oder den Fingernagel ihres Zeigefingers. Wenn sie das tat, musste er lächeln. Er konnte sich nicht erinnern, ob er jemals einer so faszinierenden Frau begegnet war, aber er glaubte, dass er sich daran erinnert hätte. Sie war schön, aber vielmehr ging ein Licht von ihr aus, dem er sich nicht entziehen konnte. Es war, als strahle sie von Innen heraus. Als sei sie ganz mit sich selbst im Einklang und wenn sie ihn ansah, kam es ihm so vor, als würde ihr Licht seine inneren Schatten vertreiben. Ihr Licht war das Gegenteil zu seinem Dunkel, seinen Erinnerungen, seinen Dämonen. Und je länger er darüber nachdachte, desto verrückter fand er selbst diese Überlegung. Es war nur ein Gefühl und er vertraute lieber auf seinen Verstand.

      „Also schön.“, sagte Christina nach einer Weile ärgerlich. Sie klappte ihr Buch zu, ließ jedoch einen Finger auf der aufgeschlagenen Seite und blickte ihn an. „Sie beobachten mich die ganze Zeit und ich kann mich dabei nur schwerlich konzentrieren. Würden Sie das also unterlassen, bitte?“

      „Sie fühlen sich durch meine bloßen Blicke belästigt?“, fragte er und ärgerte sie damit absichtlich. „Bedeutet das, dass Sie sich zu mir hingezogen fühlen?“, setzte er grinsend hinzu.

      Christina musste sich ein Lächeln verkneifen, weil er nicht wissen musste, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Stattdessen versuchte sie verärgert auszusehen. „Es bedeutet, dass ich mich lieber meinem Buch widme, als Ihrem unsinnigen Gerede weiter Beachtung zu schenken.“, erwiderte sie.

      „Sie sind schlagfertig, das gefällt mir.“, sagte er lächelnd. „Und das obwohl Sie offensichtlich andere Dinge im Kopf haben.“

      Sie blickte ihn verwundert an, nicht sicher, worauf er anspielte. „Was meinen Sie damit?“, fragte sie widerwillig.

      „Ich bin nicht sicher.“, antwortete er. „Aber Sie haben geweint, das verraten Ihre Augen.“

      Sie wandte einen Moment lang verlegen den Blick ab. Es war ihr unangenehm, dass er dies bemerkt hatte und sie ärgerte sich, dass er es ihr so dreist ins Gesicht sagte. „Sie sind frech.“, sagte sie und blickte ihn nun doch wieder an. Er hatte etwas in seinen Augen, das sie immer wieder dazu bewog. „Sie wissen überhaupt nichts von mir, also hüten Sie vielleicht besser Ihre Zunge.“

      „Sie wollen mir drohen?“, fragte er amüsiert. Dann beugte er sich zu ihr herüber. „Aber Sie haben Recht, ich weiß nichts von Ihnen. Allerdings ließe sich das ändern. Würden Sie nach der Landung mit mir ausgehen?“

      Wie auf sein Stichwort hin, setzte sich das Flugzeug in Bewegung. Christina hielt den Atem an, denn sie hasste das Fliegen. Leider musste sie häufiger als andere darauf zurück greifen. Es war der schnellste Weg Distanzen zu überbrücken und deshalb hatte sie diesbezüglich keine Wahl. Um gegen ihre Angst anzukämpfen, schloss sie die Augen, drückte sich in den Sitz und umklammerte die Lehnen. Es war furchtbar für sie, nicht die Kontrolle zu haben.

      Er bemerkte ihre Angst sofort. Während er sich selbst bequem hinsetzte, griff er ihre Hand und hielt sie fest umschlossen.

      Sie blickte ihn irritiert an, doch er lächelte nur und machte keine Anstalten, ihre Hand loszulassen.

      „Sie brauchen sich nicht zu fürchten.“, sagte er entspannt. „Es ist nur ein kurzer Flug.“

      „Ich fürchte mich nicht.“, protestierte sie affektiv.

      Er wandte den Kopf und blickte sie amüsiert an. „Gut.“, sagte er. „Dann schlage ich vor, dass Sie wieder anfangen zu atmen.“

      Christina wollte etwas ebenso Freches erwidern, aber da er Recht hatte, musste sie lachen. Während sie lachte, löste sich ihre Anspannung und sie dachte nicht mehr über die Gefahren eines Fluges nach.

      Als sie in der Luft waren und das Flugzeug leicht dahin schwebte, entzog sie ihm ihre Hand.

      Er blickte sie an. „Verraten Sie mir Ihren Namen?“, fragte er.

      „Habe ich einen Grund dazu?“, erwiderte sie und versuchte wieder kühl und unnahbar zu wirken. Dass er ihr so sympathisch war, machte es ihr nicht leichter, sich auf ein endgültiges Leben mit Damian zu freuen. Und nun, da sie dem Fremden in die ungewöhnlichen Augen sah, erkannte sie, dass sie sich genau davor fürchtete: Das es endgültig sein könnte.

      „Es wäre eine Frage der Höflichkeit.“, antwortete er. Dann griff er erneut ihre Hand. „Aden Hall. Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.“

      „Skylla Luna Christina Testilopoules.“, sagte sie schnell. Im nächsten Moment ärgerte sie sich, dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatte. Während ihre Freunde und auch Damian nur von ihrem Zweitnamen wussten, wussten ihre irakischen Bekanntschaften und ihre Geschäftspartner nur ihren Erstnamen und einen erfundenen Nachnamen. Christina wurde sie eigentlich nur von ihren Eltern, besonders von ihrem Vater genannt und ihren echten Nachnamen schützte sie vor allen außer ihren Eltern, denn dieser Name war ihr wahres Ich, könnte sie in die größten Schwierigkeiten bringen und ließ sich nicht so leicht wieder ablegen. Und eben diesen Namen hatte sie nun diesem Fremden genannt. Sie fühlte sich unglaublich unprofessionell in diesem Moment. Seit Jahren arbeitete sie mit Kriminellen und Illegalen zusammen, war dabei immer konzentriert, distanziert und erfolgreich, und nun brauchte es nur einen attraktiven Mann, der ihr sogleich ihr bestgehütetes Geheimnis entlockte, ohne sich dafür auch nur anstrengen zu müssen.

      Orlando lächelte. „Ein sehr schöner Name, so weit ich das verstanden habe. Griechisch, richtig?“, scherzte er und grinste charmant. „Und wie darf ich Sie nun nennen, um nicht jedes Mal eine Minute für die Anrede zu verschwenden?“

      „Luna.“, sagte sie und ärgerte sich neuerlich, weil sie ihn damit zu dem Persönlichen geordnet hatte. „Sie brauchen sich darum jedoch nicht zu kümmern, denn ich habe nicht vor, mich weiterhin von Ihnen bereden zu lassen.“, versuchte sie ihren Fehler zu korrigieren. Wenn er nur ein Fremder in einem Flugzeug wäre, dann wäre es nicht weiter schlimm, dass er ihren wahren Namen kannte.

      Als sie das Buch wieder aufnahm, erkannte Orlando, dass es auf Spanisch war. Er war natürlich nicht davon ausgegangen, dass sie noch mehr Sprachen beherrschte, deshalb hatte er sie auf Englisch angesprochen, weil sie sich in London begegnet waren. Nun sprach er sie in seiner Heimatsprache an: „Sie sprechen also auch Spanisch. Ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, dass wir uns zwei Mal hintereinander begegnen und auch noch die gleichen Sprachen beherrschen?“

      Christina blickte ihn erneut mit Verwunderung an. Es imponierte ihr, dass er nicht nur eine Sprache fließend beherrschte. Sie hatte bei seinem Englisch einen Londoner Akzent bemerkt, bei seinem Spanisch war sie sich, bezüglich der Ursprungsregion, nicht sicher. „Allerdings.“, erwiderte sie auf Spanisch. „Sehr merkwürdig.“ Erneut klappte sie ihr Buch zu und dieses Mal ließ sie ihren Finger nicht zwischen den Seiten stecken, sondern stellte sich auf eine Unterhaltung mit ihm ein.

      „Sprechen Sie noch mehr Sprachen fließend?“, wollte Orlando wissen. Plötzlich spürte er sein Misstrauen zurückkehren. Vielleicht war sie eine Agentin der Polizei oder arbeitete für einen seiner anderen Feinde und versuchte, ihn in die Falle zu locken? Aber sie war noch sehr jung und erweckte nicht den Eindruck einer Kriminellen. Ihr fehlte die Durchtriebenheit. Also tat Orlando diesen Gedanken ab und schalt sich, weil er sie überhaupt verdächtigt hatte. Immerhin war er es, der sie immer wieder zu einer Unterhaltung drängte und der sich neben sie gesetzt hatte. Sie hingegen schien sich gegen seine Annäherungsversuche wehren zu wollen. Sie war distanziert und stellte ihm keine misstrauischen Fragen, was ebenfalls für ihre Unschuld sprach.

      „Ich spreche Deutsch und Arabisch ebenfalls fließend.“, sagte sie ehrlich, wenngleich sie vorsichtshalber die anderen Sprachen, die sie ebenfalls beherrschte, unaufgezählt ließ. „Und Sie?“

      „Nur Spanisch und Englisch.“, log er vorbeugend. „Allerdings beherrsche ich auch einige Broken aus anderen Sprachen, die man auf Reisen so lernt.