Elle West

Die Partisanen


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Vostinov nickte zufrieden. „Das hatte ich von einem ehrenwerten Mann erwartet.“, sagte er aufrichtig. „Ich werde Sie in Moskau natürlich persönlich in meinem Haus unterbringen. Dort sollten wir dann die Besprechungen über das Geschäftliche aufnehmen.“

      Alejandró nickte und schluckte seinen Ärger herunter. Er selbst hatte die Machtmonopole des Verstorbenen einnehmen wollen, immerhin hatte er deshalb überhaupt für Ristovas Ermordung gesorgt. Nun sah es jedoch so aus, als müsse er auch noch dessen gesamte Familie ausschalten um ans Ziel zu gelangen. Doch über diese Dinge wollte er sich erst Gedanken machen, wenn der Russe wieder gegangen war. Vermutlich ließ sich auch noch vor der Beerdingung ein Weg finden, um dieser Verhandlung zu entgehen oder zumindest schlagende Argumente aufzutreiben. Alejandró musste versuchen, die Machtgebiete des Russen schon vor der Beerdigung an sich zu bringen, doch dafür fehlten ihm Zeit und Mittel. Und er würde sich zusätzlich verdächtig machen, wenn er sich Ristovas Gebiete sogleich aneignete.

      „Ehe ich gehe, habe ich noch eine Frage an Sie, Don Alejandró.“, sagte Wladimir und blickte ihm forschend entgegen. „Sie erwähnten eine Drohung der Franzosen. Ich würde mir gerne mehr darüber anhören.“

      Alejandró kratzte sich mit scheinbarer Verlegenheit am Kopf. Er hatte bereits befürchtet, seine Andeutung sei auf keinem fruchtbaren Boden gelandet und durfte nun erleichtert aufatmen. Scheinbar stand auch dem Bruder der Sinn nach Rache. „Nun, vermutlich habe ich da etwas gesagt, was ich besser verschwiegen hätte, mein russischer Freund.“, sagte er einleitend. Er wollte diese Sache vorsichtig angehen und nur auf das Drängen Wladimirs hin, weitere Verdächtigungen äußern. „Ich habe Ihren Bruder sehr geschätzt und es fällt mir vermutlich schwer, Ihre Nachricht als wahr zu betrachten. Ich wollte die französische Mafia nicht schlechter machen, als sie ist. Vermutlich hatte Roberto einen Streit mit Michél Tripoutêt, als dieser eine wage Drohung ausstieß. Sie müssen bedenken, dass mir diese Informationen auch nur zugetragen werden. Man kann sich nur selten einer Sache sicher sein.“

      Wladimir Vostinov nickte verstehend. „Halten Sie einen Anschlag der Franzosen für ausgeschlossen, Don Alejandró?“

      Dieser schüttelte leicht verneinend den Kopf. „Wir sprechen hier immerhin von Banden im Untergrund, mein russischer Freund.“, antwortete Alejandró ausweichend. „Meiner Meinung nach, sind die Bullen und die Regierung unsere größten Feinde und wir sollten uns gemeinsam gegen sie stellen. Wenn nun jedoch Roberto Ristova ermordet worden ist, sieht das Ganze schon wieder anders aus. Wenn es im Auftrag von Michél Tripoutêt geschah, dann löst dies wohlmöglich einen Bandenkrieg aus, dem auch ich mich nicht werde entziehen können. Ich wünsche mir sehr, dass die Franzosen nicht dahinter stecken.“

      Wladimir nickte. Er hatte in etwa die gleichen Überlegungen angestellt. „Auch uns ist nicht an einem Bandenkrieg gelegen, aber Sie werde sicherlich verstehen, dass wir den Mord an meinem Bruder nicht ohne Vergeltung hinnehmen können.“

      Alejandró nickte und meinte es aufrichtig. „Auch ich hätte Rache geschworen, mein lieber Freund.“, sagte er zustimmend. „Nur müssen Sie sicher sein, wer Ihr Feind ist.“

      „Das werde ich herausfinden, Don Alejandró.“, sagte der Russe inbrünstig.

      „Meinen Segen haben Sie, Wladimir Vostinov.“, erwiderte Alejandró.

      Vostinov erhob sich nun. Er reichte dem Don die Hand und zeigte ein leichtes Lächeln. „Es war mir eine Ehre Sie kennen zu lernen, Don Alejandró.“, sagte er und blickte ihn dann forschend an. „Falls es zu einem Krieg zwischen den Banden kommt, kann ich Sie da auf meiner Seite wissen?“

      Alejandró lächelte und löste den Handschlag auf. „Ich werde beten, dass dies nicht geschieht, mein Freund. Falls doch, werde ich mich der vielversprechendsten Seite anschließen oder versuchen, mich herauszuhalten.“, antwortete Alejandró glaubhaft. „Sehen Sie, auch über den tragischen Tod Ihres Bruders hinweg, müssen die Geschäfte weitergehen. Sie wollen Verbündete, das werden Ihre Feinde auch wollen. Letztendlich wird die Seite gewinnen, die sich die wichtigsten Verbündeten geleistet hat.“

      Der Russe begriff, dass es auch in dieser Hinsicht mehr um Geld, als um Ehre ging. Er selbst teilte diese Ansicht nicht unbedingt wenn es um die eigene Familie ging, aber er ärgerte sich auch nicht über den Spanier, denn er wusste, dass sein Bruder ebenso entschieden hätte. „Sie sind ein Verbündeter, den ich um meines Bruders Willen an meiner Seite wissen möchte.“, sagte Wladimir schließlich. „Ich nehme an, wir werden auch darüber in Verhandlung treten müssen.“

      Don Alejandró nickte und konnte sich kaum mehr beherrschen, um seine Zufriedenheit nicht doch über die vorgespielte Verwunderung siegen zu lassen. Vielleicht wäre dieser Russe kein schlechter Geschäftspartner. Es wäre durchaus vorstellbar, dass Alejandró auch mit Vostinov als Mafiaboss kriegen konnte, was er wollte. „Gewiss, mein Freund.“, sagte er und gab sich Mühe, seine Stimme ruhig und beherrscht klingen zu lassen. „Bitte richten Sie Ihrer Familie mein herzlichstes Beileid aus. Es ist eine Schande, was mit Roberto Ristova geschehen ist.“

      Der Russe nickte. „Ich werde es meiner Familie ausrichten.“, sagte er. „Danke für Ihre Zeit, Don Alejandró. Und bis zu unserem Wiedersehen in meiner Heimat Moskau.“ Damit verabschiedete sich Wladimir Vostinov und ließ sich von einem Bediensteten den Weg hinaus zeigen.

      Alejandró machte es sich in seinem Stuhl bequem und ließ sich von einem Bediensteten einen neuen Cocktail bringen. Er war relativ zufrieden, sowohl mit seinem Sohn, als auch mit seiner eigenen schauspielerischen Leistung. Bisher war alles zwar nicht ganz nach Plan verlaufen, was seine eigene Schuld war, da er nichts von Ristovas Bruder gewusst hatte, aber nichts schien verloren. Nun konnte er nur hoffen, dass der neue Mafiaboss der Russen weniger machthungrig als sein Bruder war. Und wenn er sich mit Vostinov einigen könnte, dann würde er ihn auch davon überzeugen können, dass die französische Mafia an dem Mord die Schuld trug. Er hoffte, der Russe wäre weiterhin für seine Andeutungen empfänglich und dass sich sein Zorn schon bald auf die Franzosen richtete. Alejandró hatte sich Michél Tripoutêt ausgesucht, weil er bereits seit vielen Jahren die größten Drogengeschäfte in Europa abwickelte und dem Don damit einige eigene Geschäfte ruiniert hatte. Zwar war die französische Mafia nicht unbedingt gut organisiert oder gar breit gefächert, aber sie war standhaft und Alejandró gefiel es nicht, dass sie Nachbarn waren. Nun, da die Russen geschwächt waren, stellten sie für seine eigenen Geschäfte keine unerreichbare Konkurrenz mehr da. Nun hatte er es mit der Hilfe seines Sohnes geschafft, sich auf dem illegalen Weltmarkt mit den Russen gleichzustellen und bald würde er sie auch übertrumpfen. Augenblicklich glaubten die Russen von ihm abhängig zu sein und dies würde er sie auch bald werden lassen. Alles schien sich für ihn zum Besten zu wenden, durch den Tod eines einzigen Mannes.

      Kapitel 2

       England, Zwölfter März 2003

      Skylla Luna Christina Testilopoules war bei einer Freundin in London zu Besuch. Sally bewohnte im Augenblick die Penthouse Suite in einem luxuriösen Hotel. Die Fensterfront, vor der die Frauen saßen, war riesig und erlaubte einen freien Blick über die Innenstadt.

      Sally kam aus der Küche in das Wohnzimmer zurück, reichte Christina ein Glas Sekt und setzte sich im Schneidersitz neben sie. „Um ehrlich zu sein, vermisse ich dich schon jetzt schrecklich, Luna.“, sagte Sally und lehnte ihren Kopf an die Schulter der Freundin. „Ich verstehe nicht, wieso du Damian einfach so in den Irak folgst.“

      Christina lächelte und leerte das Glas mit einem Mal. Sie musste sich Mut antrinken, wenngleich sie dies nicht zugeben wollte. Dann erhob sie sich, um die Sektflasche zu holen. Sie hatte die Hotelsuite für eine Woche gemietet und bereits bezahlt. Drei Tage hatte sie hier mit ihrer besten Freundin Zeit verbracht, um sich von ihr und ihrem alten Leben zu verabschieden. Den Rest der Woche würde Sally hier noch alleine verbringen können, ehe sie wieder in ihre gewöhnliche Wohnung zurückkehren müsste. Dann würde Christina bereits im Irak sein. „Er ist mein Verlobter.“, sagte sie zu ihrer Verteidigung. „Wenn er sich mit mir ein Leben aufbauen will, dann sollte ich doch nichts dagegen einzuwenden haben.“ Sie kam zurück