Elle West

Die Partisanen


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eine so seltsam verhaltene Familie kennen gelernt zu haben und wenn er ehrlich war, hätte er gerne darauf verzichtet.

      „Und meine 19-jährige Tochter Anabelle. Sie ist letztes Jahr ausgezogen und nur zu Besuch.“, erklärte Edgar und es blieb offen, ob er ihren Entschluss gut hieß.

      Orlando lächelte und machte in Gedanken bereits Amish-Witze. „Freut mich, Sie kennen zu lernen.“, sagte er und blickte ihr in das harte Gesicht.

      Die Rothaarige erwiderte sein Lächeln mit einer Kühnheit, die im Rahmen ihrer Familie völlig hervorstach. „Freut mich auch.“, sagte sie.

      Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen ohne ein Wort zu sprechen. Dann fragte sie schließlich: „Und wie ist Ihr Name doch gleich? Mein Vater stellte uns sehr ausführlich vor, doch wir kennen nicht einmal Ihren kompletten Namen.“

      Edgar schnaubte ärgerlich auf, aber da berührte Orlando bereits seine Schulter, beinahe so, als wären sie Freunde, und lächelte ihm ebenso zu. Offensichtlich durfte in seinem Haus niemand außer ihm selbst unaufgefordert sprechen. Orlando konnte mit dieser Prüderie nichts anfangen und es erheiterte ihn, dass zumindest eine Frau in diesem Haus sich darüber hinweg setzte. Er konnte sich ganz gut vorstellen, warum sie ausgezogen war. „Mein Name ist Alexander Schuster. Ich bin ein alter Bekannter Ihres Vaters.“, sagte er und diese Lüge ging ihm so leicht über die Lippen wie jede andere davor und danach.

      Anabelle nickte. „Und warum suchen Sie meinen Vater zu so unpassender Stunde noch auf, Mr. Schuster?“

      Orlando trank genüsslich einen Schluck des herben Weines und blickte sie dann erneut an. Sie begann ihm zu gefallen, da er eine besondere Vorliebe für schwierige Frauen hatte. Er mochte es, wenn Frauen unabhängig, selbstständig und frech waren und sich nicht unterdrücken ließen. „Ich fürchte, dies werden Sie nie erfahren, Anabelle.“, sagte er, um sie zu reizen, aber auch, weil es eine Tatsache war. „Vermutlich sind diese geschäftlichen Dinge auch nicht unbedingt etwas für Sie.“

      Anabelle blickte verlegen auf die Tischplatte hinab um seinem Blick auszuweichen. Orlando hoffte, sie würde etwas Spitzes erwidern, aber sie schwieg und traute sich nicht erneut, das Wort an ihn zu richten. Augenblicklich hatte Orlando das kaum geweckte Interesse an ihr verloren. Er schalt sich im Stillen, weil er überhaupt in Erwägung gezogen hatte, mit ihr zu schlafen. Immerhin war sie erst 19 und was noch viel mehr wog, sie war die Tochter seines Geschäftspartners.

      Während Orlando der Essenseinladung nachkam, wunderte er sich, dass sich diese Familie nichts zu sagen hatte, denn sie schwiegen nun alle samt ohne Ausnahme. Entweder es liegt an mir, dachte er, oder diese Familie liebt sich nicht einmal genug, um sich normal miteinander zu unterhalten. Im Haus seiner Eltern war es sowohl gewöhnlich, dass man die Etikette bei einem feinen Abendessen einhielt, als auch ein leidenschaftliches und spaßiges Essen mit der Familie abzuhalten. Ein so verschwiegenes Essen in dieser verlegenen Atmosphäre hatte er jedoch noch nicht häufig durchstehen müssen.

      Als sie endlich das Essen beendet hatten, folgte Orlando seinem Geschäftspartner in dessen Büro im ersten Stock. Oben entdeckte er dann auch die Männer vom Sicherheitsdienst, mit denen er gerechnet hatte.

      Einer der Männer verschwand gerade im Nebenzimmer, das, so weit er das durch das kurze Öffnen der Tür beurteilen konnte, wie eine Überwachungszentrale eingerichtet war.

      „Entschuldige mich kurz.“, sagte Orlando und folgte dem Sicherheitsmann in eben diesen Raum. „Hey Mann, is’ das die Aufnahme von heute?“, fragte er und deutete auf einen der Monitore.

      Der Wachmann sah ihn forschend an. Da sein Boss jedoch hinter dem Fremden stand, wagte er keinen Einwand vor zu bringen. „Ja, ist es.“, antwortete er.

      Orlando nickte und klopfte dem Mann auf die Schulter, wobei er es nicht versäumte, Druck auf selbige auszuüben. „Lösch es.“

      „Alexander, was soll denn das?“, fragte Edgar Ambrose verwirrt.

      Orlando warf ihm nur einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Dein ganzes Spielzeug hier geht mir am Arsch vorbei, Edgar, aber da du mich aufgenommen hast, kann ich wohl erwarten, dass du mir den Respekt erweißt und das Bildmaterial löschst.“, antwortete er und sein Tonfall machte, ebenso wie seine Körpersprache, deutlich, dass er nicht vorhatte, darüber zu diskutieren. „Natürlich gilt das auch noch, wenn ich dein Haus wieder verlasse. Also?“ Er sah den Holländer abwartend, auffordernd an.

      Edgar nickte nachgebend. Er hatte zwar das Haus voller Wachleute, aber er wollte es nicht auf den Versuch ankommen lassen. Sein Geschäftspartner war ihm körperlich um das Vielfache überlegen und ließ, da er nun den direkten Vergleich hatte, auch sein Sicherheitspersonal schwächlich aussehen. Außerdem konnte er es sich nicht leisten, ihn als Investor zu verlieren. „Macht, was mein Freund verlangt.“, wies er seine Männer also an.

      „Und keine Kopien, mein Freund.“, fügte Orlando drohend hinzu.

      Nachdem er sich selbst davon überzeugt hatte, dass der Mann die Aufnahmen gelöscht hatte, folgte er Ambrose in dessen Arbeitszimmer.

      Als Edgar die Tür hinter seinem Gast verschloss, atmete er erleichtert auf. Endlich konnten sie sich auf einem Gebiet treffen, auf dem er sich auskannte und sich nicht vor dem Zorn seines Gegenübers fürchten musste.

      „Wie ich sehe, lässt du es dir durch deine Gewinne richtig gut gehen, mein Freund.“, sagte Orlando und redete nun wieder mit ihm, als hätte er nie eine Drohung in seine Richtung angedeutet. Letztendlich war dieses Thema nun auch für ihn erledigt, nachdem er bekommen hatte, was er verlangt hatte. Er hatte sich selbst schützen müssen und er vertraute dem Holländer lange nicht so weit, dass er sich dabei nur auf dessen Wort verlassen hätte.

      Orlando lächelte und nahm unaufgefordert vor dem Schreibtisch Platz.

      Auch Edgar setzte sich. „Nun ja.“, sagte er etwas verlegen. Er schämte sich nicht für seinen Reichtum und die Art, wie er ihn zur Schau stellte, er schämte sich, weil sein Gegenüber genau wusste, woher das Geld kam und weil er es ihm zu verdanken hatte. „Das hier habe ich meiner Familie schon immer bieten wollen.“

      Orlando sah ihm an, dass dies nicht ganz stimmte. Edgar Ambrose hatte sich selbst ein solches Leben finanzieren wollen und hatte dabei weniger aus Nächstenliebe, denn aus Egoismus gehandelt. Dennoch lächelte Orlando erneut. „Natürlich, ich verstehen das sehr gut.“, sagte er um seinem Bekannten die Verlegenheit zu nehmen. „Ich hoffe, du fühlst dich nicht unwohl, weil ich unangemeldet hier auftauche?“

      „Nein, nein.“, sagte Edgar und winkte ab. „Ich bin gespannt, welches Angebot du mir mitgebracht hast.“

      Orlando wusste, dass es Edgar darum ging, möglichst schnell möglichst viel Geld heraus zu schlagen, aber dies war für ihn nicht von Bedeutung. Im Gegenteil, diese Gier kam seinen eigenen Vorhaben stets zugute, da es den Holländer zur Höchstform antrieb. „Ich brauche Waffen und ich brauche sie schnell.“, sagte er also ohne weitere Umschweife.

      Edgars Gesicht entspannte sich und er steckte sich genüsslich eine Zigarre an. „Wie viele Waffen und welche?“

      Orlando schob ihm einen Zettel herüber und beobachtete Edgars Miene aufmerksam.

      Dieser blickte verwundert auf. „Das ist ’ne Menge.“, brachte er hervor. „Wozu brauchst du so viel Sprengstoff?“

      Orlando zuckte die Schultern. „Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“, sagte er mit freundlicher Stimme, die dennoch keine weiteren Fragen zuließ. „Kannst du mir das alles in einer Woche besorgen?“

      Edgars Augen weiteten sich. „Eine Woche?“, spie er aus. „Niemals! Dafür brauche ich sicherlich einen ganzen Monat und selbst dann kann ich dir nicht versichern, dass du so viel Sprengstoff bekommst, wie du forderst.“

      Orlandos Gesicht wurde ärgerlich. „So viel Zeit habe ich nicht.“, sagte er entschieden. Allerdings würde er nichts anderes tun können, als auf das Angebot des Holländers einzugehen, denn er kannte keinen weiteren Mann, der dies möglich machen konnte ohne dass sein Vater davon erfuhr. Das war überhaupt