Elle West

Die Partisanen


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Ambrose seine Lieferungen über die Armeen bezog, kam es manchmal zu Verzögerungen oder Engpässen, die Orlando dann selbst ausbügeln musste. „Was kannst du mir von der Liste innerhalb einer Woche besorgen?“, fragte er einlenkend.

      Edgar betrachtete den Zettel eingehender. „Uzis sind kein Problem, wenn ich auch nur Hundert beschaffen könnte. Die russische Armee verkauft ihre immer ganz gerne an mich. Handgranaten kannst du auch bekommen und vielleicht hole ich auch noch ein paar Pfund Sprengstoff raus.“ Er fuhr sich mit der Hand über Kopf und Kinn und grübelte angestrengt. Je weniger Alexander Schuster mit ihm zufrieden war, desto weniger Geld bezahlte er. Vermutlich würde er nicht einmal die Angaben erfüllen können, die er eben selbst gemacht hatte. Allerdings fürchtete er, seinen Geschäftspartner an die Mafia zu verlieren und deshalb musste er vorgeben, dass es möglich war, dass er es möglich machen konnte. „Um den Rest kümmere ich mich ebenfalls, aber ich kann dir wirklich nicht sagen, wann du das ganze Zeug bekommst.“

      Orlando nickte unzufrieden. Er würde nicht einmal die Hälfte von dem, was er verlangte, bekommen. Dies bedeutete, dass er sich einen anderen Weg überlegen musste, falls Edgar Ambrose zu lange zögerte. Orlando schob Edgar erneut ein Stück Papier zu. Darauf waren alle nötigen Angaben für die Auflösung eines Kontos in der Schweiz festgehalten. Ein Konto, das Orlando auf den Namen seines Geschäftspartners eröffnet hatte und auf das er Geld einzahlen wollte, wenn er die Ware erhalten hatte. „Ich werde dir vermutlich nicht die ganze Summe zahlen, da ich auch nicht die ganze Ware erhalte. Und je länger ich warten muss, desto weniger zahle ich, Edgar.“, sagte Orlando ruhig, obwohl er innerlich vor Wut schäumte. Vielleicht hatte er von Edgar Ambrose zu viel erwartet, doch all die anderen Male ihrer Zusammenarbeit waren stets erfolgreich verlaufen. Und er hatte keine Wahl.

      Edgar nickte geknickt. „Ich werde sehen, was sich tun lässt um deine Wartezeit zu verkürzen.“, sagte er und dachte dabei nicht so sehr an den Zeitdruck, den sein Geschäftspartner auszustehen hatte, als viel mehr an das Geld, was ihm durch die Finger gehen würde. „Wie lange bleibst du in London?“

      „Ich werde noch heute abreisen.“, antwortete Orlando. Er reichte Edgar erneut einen kleinen Zettel. „Wenn du neue Nachrichten hast, setz dich mit diesem Mann in Verbindung und ich melde mich wieder bei dir.“, versicherte er. Dann stand er auf, reichte seinem Geschäftspartner kurz die Hand und verließ kurz darauf, die Kapuze aus Misstrauen beinahe ins Gesicht gezogen, dessen Haus.

      Vorerst musste er sich mit diesem kleinen Rückschlag zufrieden geben, bis er eine Lösung gefunden hatte, die alles vereinfachte. Und er hatte noch immer die Hoffnung, dass der Holländer es vielleicht doch schaffte. Er vertraute dabei voll und ganz auf die Geldgier seines Geschäftspartners. Wenn es die Liebe war, die bei den meisten Menschen zum Bergeversetzen führte, so war es bei Edgar Ambrose einzig und allein das Geld, das ihn antrieb.

      *

      Alejandró und seine Frau Isabella saßen gemeinsam am Swimmingpool ihrer Villa. Die Sonne ging bereits langsam unter, aber keiner der beiden beachtete es. Sie waren in ein Gespräch über ihren Sohn vertieft. Während Alejandrós Sorge jedoch dem Auftrag seines Sohnes galt, sorgte sich seine Frau, weil Orlando noch immer keine Frau gefunden hatte. In letzter Zeit dachte sie viel über Noah, ihren verstorbenen Sohn nach. Sie fragte sich, ob alles einfach wäre, wenn er noch lebte. Sie fragte sich, ob sie sich weniger Gedanken um Orlando machen würde, wenn sie noch immer einen zweiten Sohn gehabt hätte. Manchmal glaubte sie, ihr Mann und sie sorgten sich mehr um Orlando als um ihre Töchter. Aber in einer spanischen Familie wäre er ihr nächstes Oberhaupt, seine Rolle war wichtig. Auch fand Isabella, dass ihre Töchter sich hervorragend entwickelten und sie ihnen nicht erst zu sagen brauchte, was ihre Aufgaben und Verpflichtungen in der Zukunft wären. Orlando hatte sich natürlich ebenfalls gut entwickelt, er war ein beeindruckender Mann geworden. Aber wenn sie ehrlich war, konnte sie nie sagen, was sich auch nur hinter der ausdruckslosen Miene ihres Sohnes verbarg. Sie hatte keine Ahnung, womit er sein Geld verdiente und wenn sie ihn danach fragte, gab er ihr ausweichende Antworten und verstand es doch, sie irgendwie nicht damit zu beunruhigen. Wäre er verheiratet, so glaubte Isabella, würde sich sein Temperament schon zügeln. So war es immerhin auch bei ihr und Alejandró gewesen. Erst die Ehe hatte ihren Mann ruhiger werden lassen.

      „Ich bitte dich, er ist noch jung, Bella.“, sagte Alejandró gerade und trank einen weiteren Schluck seines Cocktails. „Außerdem hat er viel Geschäftliches um die Ohren, da fehlt ihm einfach die Zeit, sich eine anständige Ehefrau zu suchen.“

      Isabella verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihren Mann ärgerlich an. „Und was sind das für Geschäfte?“, fragte sie, nicht zum ersten Mal. Aber ihr Mann verzog nur das Gesicht. Er würde ihr nicht antworten, diesbezüglich war er ebenso verschwiegen wie sein Sohn. Also fuhr Isabella mit dem ursprünglichen Thema fort: „Jedenfalls ist mir das ganz egal. Immerhin ist Orlando ja nicht gezwungen zu arbeiten. Du hast so viel Geld in deinem Leben verdient, dass es für die Leben all unserer Kinder reicht. Es ist an der Zeit, dass unser Junge endlich einmal sesshaft wird und ruhiger. Ich will Enkelkinder, Alejandró. Und Orlando ist ein so gut aussehender Mann, mit der richtigen Frau, würde er uns wunderschöne Enkelkinder bescheren. Und so jung, wie du sagst, ist er auch nicht mehr. Schon fast 30.“

      Alejandró rollte die Augen und atmete seufzend durch. „Es ist seine Entscheidung und ich finde es mehr als richtig, dass er zu stolz ist, um mein Geld als Geschenk zu betrachten und stattdessen selbst etwas auf die Beine stellen will. Zumindest in dieser Beziehung hat er meine Erwartungen an sich perfekt erfüllt.“, verteidigte er seinen Sohn. Immer wieder fragte er sich jedoch, ob Orlando Erfolg gehabt hatte. Doch darüber konnte er nicht mit seiner Frau reden. Er versuchte die Familie aus seinen illegalen Geschäften herauszuhalten und bisher hatte dies auch immer hervorragend funktioniert –wenn man davon absah, dass er hin und wieder gezwungen war, seinen eigenen Sohn anzuheuern. Orlando war zu gut in seinem Job, um ihn nicht zu nehmen. Würde seine Frau jedoch davon erfahren, dann war er sich sicher, die Hölle auf Erden erleben zu müssen. „Er soll heiraten, wenn er eine Frau gefunden hat, die ihm dafür geeignet erscheint. Oder willst du ihn vielleicht mit irgendeinem dummen Ding verheiraten, das er am Ende nicht einmal ansehen mag?“ Diese Vorstellung war absurd. Orlando würde niemals eine Frau heiraten, nur weil seine Mutter es verlangte. Dazu hatte er auch lange genug seine eigenen Entscheidungen getroffen, war zu selbstbestimmend.

      Isabella setzte sich neben ihren Mann auf die Hollywoodschaukel und kuschelte sich an ihn. „Nein, natürlich nicht.“, räumte sie ein. „Ich will, dass er mit seiner Ehefrau so glücklich wird, wie wir beide es sind.“

      Alejandró lächelte erleichtert, da er seine Frau vorerst hatte überzeugen können. Orlando wäre mehr als genervt, wenn sein Vater es nicht einmal versucht hätte, obgleich er gerade für ihn die Drecksarbeit erledigte. Und doch war ihm bewusst, dass diese Diskussion bald von Neuem beginnen würde. Vielleicht sollte ich ihr sagen, dass ihr Sohn ein Auftragsmörder ist und es da sicher nicht so leicht wird, ihm die passende Frau auszusuchen, dachte er böse. Dann schüttelte er jedoch Kopf und vertrieb die Gedanken. Augenblicklich ließ sie ihn damit in Ruhe und ruhige Momente waren selten für einen so viel beschäftigten Mann wie Alejandró Santiago de Maliñana.

      Während Alejandró sich also nach Außen hin ruhig und ausgeglichen zeigte, herrschte in seinem Inneren die Besorgnis um seinen Sohn und dessen Auftrag. Er wusste noch immer nicht, ob Orlando das Attentat geglückt war und er wusste nicht, wie es seinem Sohn nun erging oder auch nur, wo er war. Orlando sagte ihm im Vorwege nie, wie, wann und wo er vorgehen würde. Diese Eigenart seines Sohnes hatte vermutlich weniger mit Misstrauen als mit seiner generellen Verschlossenheit zu tun und doch ärgerte sich Alejandró häufig genau darüber. Immerhin war er in dieser Sache der Auftraggeber und nicht nur sein Vater. Dass Orlando auch in dieser Hinsicht tat, was er für richtig hielt, war für ihn schon manchmal eine Art Mangel an Respekt. Doch er hatte seinen Sohn bereits als Kind in ein militärisches Ausbildungscamp gesteckt um ihm Gehorsam beizubringen. Und am Ende hatten auch die Soldaten ihre Probleme mit seinem Dickkopf gehabt und hatten ihm überhaupt nichts beibringen können, außer, wie man noch besser mit einer Schusswaffe umging und welche Schläge so effektiv waren, dass sie eine Schlägerei schneller beendeten. Sie hatten ihn noch gefährlicher gemacht, an seiner Einstellung jedoch nichts ändern können.