Elle West

Die Partisanen


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dieses Mannes, durch den er beinahe sein Leben verloren hätte. Er sah sich nicht verpflichtet, mit ihm auf gefährliche Reisen zu gehen.

      Baran reichte ihm einen Zettel, auf den er einige wichtige Namen und deren Positionen aufgeschrieben hatte. „Ich muss mich entschuldigen, mein Freund, aber ich sehe mich wirklich nicht Imstande wieder den gleichen Weg einzuschlagen, den wir bereits vor fünf Jahren beschritten haben.“, sagte Baran schuldbewusst. „Ich kann nur für dich beten und hoffen, mein Freund. Hoffentlich wirst du dieses Mal weniger Probleme bekommen.“

      „Ich danke dir, Baran.“, sagte Orlando förmlich. Er war weder enttäuscht, noch wütend über die Entscheidung des Iraners. Da Orlando noch nicht wusste, wie er an die Waffen gelangen sollte, wollte er noch ein paar Tage in London verbringen um weitere Bekannte aufzusuchen. Seinen Vater konnte er nicht fragen, denn dieser wusste nicht, dass sein Sohn mit den Irakern sympathisierte und somit schieden auch alle Kriminellen aus, die mit seinem Vater zu tun hatten. All jene zu umgehen, war nun die eigentliche Schwierigkeit.

      Ursprünglich hatte Orlando Baran um eine Übernachtungsmöglichkeit bitten wollen, aber nun, wo er gesehen und vor allem gerochen hatte, wie dieser Mann hauste, entschied er sich anders. Er würde sich doch ein Hotelzimmer nehmen müssen, auch wenn die Russen vermutlich eben dort zuerst suchen würden. Niemand hatte ihn erkannt und er würde sich nicht unter seinem richtigen Namen ein Zimmer nehmen, sodass auch zu seinem Vater keinerlei Rückschlüsse angestellt werden könnten.

      Orlando erhob sich.

      Baran tat es ihm augenblicklich nach. „Unterrichte mich bitte, wie es dir ergangen ist und grüße meine Freunde recht herzlich.“

      Orlando nickte. „Das werde ich.“, sagte er, obgleich er sich dessen nicht sicher war. Die beiden Männer reichten einander die Hände. Schließlich konnte Orlando sich einen Kommentar zur Behausung seines Freundes nicht verkneifen. „Vielleicht bist du bis zu unserem nächsten Wiedersehen in eine Wohnung gezogen, die weniger an eine öffentliche Toilette erinnert.“

      Baran blickte ihn im ersten Augenblick verwundert an, nickte dann jedoch verstehend und brach in Gelächter aus. Er war erleichtert, dass er trotz seiner Ehrlichkeit nichts verloren hatte. Aden Hall schien ihm nichts nachzutragen und er wusste es aufrichtig zu schätzen. Es machte ihn zu einem großen Mann, der bewies, dass er den Respekt, den alle Welt vor ihm hatte, auch verdiente. „Ich werde sehen, was sich tun lässt.“

      „Auf Wiedersehen, mein Freund.“, sagte Orlando lächelnd.

      „Auf Wiedersehen, Aden Hall.“, erwiderte der Iraner respektvoll und lächelte ebenfalls. Dann begleitete er Orlando zur Tür und blickte ihm nach, bis er das Treppenhaus verließ.

      Mit einem schlechten Gewissen und doch auch erheblicher Erleichterung setzte er sich wieder vor den Fernseher und drehte sich neuerlich eine Zigarette.

      „War das eben wirklich Aden Hall?“, fragte Haschem fassungslos. Er war vielleicht kein integriertes Mitglied des Untergrundes, aber natürlich hatte er Freunde in diesen Kreisen und so hatte auch er schon mehrfach von Aden Hall gehört. Allerdings hatte er ihn mehr für eine Legende denn für einen wahren Menschen gehalten. Es gab sicherlich keinen Partisanen, der diesen Namen noch nicht gehört hatte, wenngleich ihm kaum einer je wahrhaftig begegnet war. Man erzählte sich viel über diesen Mann und sprach nur gut über seine großzügigen Taten, die alle ausnahmslos ehrenvoll und uneigennützig zu sein schienen. Haschem konnte kaum fassen, dass sein Mitbewohner tatsächlich mit diesem Mann bekannt war.

      Baran maß ihn mit einem herablassenden Blick. Der dickliche Mann war irakischer Abstammung und ein überzeugter Gegner der Briten, wenngleich er eigentlich selbst einer war, und er hasste die Amerikaner. Von Aden Hall hatte er mit Sicherheit über seinen Bruder gehört, der ein ernstzunehmendes Mitglied der Partisanenbewegung war, die sich bereits über eine Verteidigungsstrategie gegen die Alliierten im eigenen Land berieten. „Was meinst du denn wohl, Haschem?“, fragte er schließlich. Er wusste, dass sein Gesprächspartner nicht gerade durch Intelligenz bestach, aber er war ein gutherziger Mensch und dafür respektierte Baran ihn mehr oder weniger. „Natürlich war das Aden.“, setzte er kopfschüttelnd hinzu. Er steckte sich seine Zigarette an und lehnte sich im Sessel bequem zurück.

      Die Augen von Haschem funkelten voller Ehrfurcht. „Wieso kommt ein Held wie Aden Hall zu dir, Baran?“, wollte er wissen. „Wieso hast du mir nicht erzählt, dass du den Helden kennst?“

      Der Iraner lächelte wissend. „Es ist nicht ratsam, seine Geheimnisse auszuplaudern. Also schweigst auch du über diesen Besuch, so, als hätte der niemals stattgefunden.“, antwortete er entschieden. „Und nun lass uns nicht mehr davon sprechen, mein Freund.“

      Orlando setzte sich in ein Café und blickte auf die Straße hinaus. Immer wieder fragte er sich, wie ein bescheidenes Leben wohl verlaufen mochte. Ein Leben, ohne ungewöhnliche Gefahren und ständige Flucht. Ein Leben ohne Krieg, Gewalt und Not. Er selbst hatte niemals ein gewöhnliches Leben führen können, doch damals, als er sich für dieses Leben entschieden hatte, war ihm nicht bewusst gewesen, dass er praktisch hinein geboren worden war. Er war der Erbe seines Vaters und so war es nur angemessen, dass er sich schon lange vor dessen Tod mit dem Illegalen auskannte, sich einen eigenen Namen machte. Damals hatte er sich auch nicht gefragt, ob sich ein normales Leben überhaupt für ihn eignen würde. Mit dem Alter war die Zufriedenheit, die er anfänglich über seine ausschweifenden Freiheiten empfunden hatte, jedoch gewichen und er hatte angefangen, die Menschen zu beobachten, sich zu fragen, ob sie wohl zufrieden mit ihren Leben waren. Manchmal saß er stundenlang an einem öffentlichen Ort und beobachtete die vorbeigehenden Menschen einfach nur. Wenn er einen Taxifahrer sah, wunderte er sich, wie dessen Leben ausgefüllt sein konnte. Bei einem Polizisten, fragte er sich, weshalb diese Menschen sich für Retter hielten, obwohl die meisten in ihrer ganzen Laufbahn niemals einen Menschen retten konnten und, und das erschien ihm schlimmer zu sein, in ihrer Arbeit immer dem Gesetz verpflichtet waren, was sie häufig vom wirklicher Gerechtigkeit entfernte. Und wenn er einen Verkäufer anblickte, fragte er sich, ob dieser Mensch sich niemals mehr vom Leben erhofft hatte und wie man es fertig brachte, jeden Tag für eine solche Arbeit aufzustehen. Orlando verachtete ehrliche Arbeit nicht im Geringsten. Er bewunderte es vielmehr, wenn man sich damit zufrieden geben konnte. Er selbst hatte schon immer mehr gewollt. Als kleiner Junge hatte er wie Che Guevara sein wollen, ein Rebell, obwohl ihn alle dafür ausgelacht hatten, weil sie Feuerwehrmänner oder Ärztinnen hatten werden wollen. Heute machte er sich eigene Gesetze, folgte seinen eigenen Regeln und rebellierte gegen alles, was ihm falsch erschien. Nicht mit der pubertären Ideologie eines Träumers, sondern schlicht wegen dem Freiheitsdrang und dem Wissen, dass er die Möglichkeit hatte, sich einzumischen. Er hatte auf sein Ziel hingearbeitet und es erreicht, wobei ihm seine Unzufriedenheit zum Vorteil gereichte, denn sie machte ihn ehrgeiziger, entschlossener. Dennoch fühlte er sich stets so, als fehle ihm noch etwas zu seinem Glück, er fühlte sich unvollständig. Noch war er jung und sehnte sich weder nach ruhiger Geborgenheit, noch nach einem Leben ohne Angst und Nervenkitzel. Doch er fragte sich immer häufiger, wann und wie sich dies ändern würde. Er ging davon aus, dass es geschehen würde, aber er wollte die Hintergründe begreifen. Manchmal gab es Tage, da war er so deprimiert über die Welt und das Leben, dass er das Haus nicht verließ, sich betrank und sich in seine Gedanken zurück zog. Seine Mutter sagte dann stets, dass er sich endlich eine Ehefrau nehmen sollte, die ihn sicherlich von der Melancholie befreien würde. Isabella Santiago de Maliñana war fest davon überzeugt, dass ihrem Sohn eine Frau fehlte und dass dies der Grund für seine zeitweilige Unzufriedenheit war. Sie wusste nicht, dass Orlando in jeder Stadt, in die er reiste, eine oder mehrere Frauen fand, die ihn beglückten, ihm die Zeit vertrieben und zeitweilig auch die Melancholie. Er selbst erinnerte sich an keine von ihnen länger als eine Woche, aber dies ließ ihn noch mehr auf die Sinnlosigkeit der Suche nach einem festen Lebenspartner schließen. Orlando empfand das Heiraten und das Gründen einer eigenen Familie als eine wunderschöne Angelegenheit fürs Leben, aber er war nicht bereit, sich dazu irgendeine Frau zu suchen, nur damit seine Mutter zufrieden wäre. Er wollte eines Tages eine eigene Familie haben, aber dies nur, wenn er eine Frau finden würde, die seinen Ansprüchen genügte, für die er zu einem besseren Mann werden wollte.

      Orlando erhob sich. Die vielen verliebten Paare in der Stadt gingen