Rudolf Jedele

Shandra el Guerrero


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auch schon schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada und im Osten schimmerte dunkelblau das Mar Mediterano. Und im Westen, das konnte Shandra nicht sehen, doch er wusste es, lagen der Torqual de Antequera, dahinter Ronda und die Grazalema.

      Shandra hatte das Gefühl, sein Geist öffnete sich und nahm all diese Bilder und Eindrücke in sich auf, um sie niemals wieder zu vergessen.

      Das war sein Land, seine Heimat und dieses Land stand unter seinem Schutz.

      Als die Sonne untergegangen war, wurde es kalt auf dem Gipfel. Sehr kalt und doch wiederum nicht kalt genug, als dass sich Shandra in seinem Bärenfell unwohl gefühlt hätte. Er setzte sich auf eine flache Stelle des Gipfeleises, zog seine Beine unter sich und überkreuzte sie, dann griff er über seine linke Schulter und zog den weißen Wolf aus der Scheide. Er trieb die Spitze der Klinge so tief in das Eis, dass die Klinge von allein senkrecht stehen bleiben konnte, dann legte er seine Hände auf die Parierstangen und wartete.

      So wenig wie er wusste, weshalb er auf den Gipfel des Götterberges gestiegen war, so wenig wusste er nun, weshalb er sein Schwert auf diese Art vor sich auf aufgebaut hatte. Er hatte es tun müssen und nun hoffte er, eine Antwort auch auf diese Frage zu bekommen.

      Eine Zeitlang saß Shandra nur unbeweglich da und ließ auf sich wirken, was der Berg der Götter ihm zu bieten hatte.

      Es war kalt. Bitterkalt. So kalt, dass Shandras Atem eine dichte, weiße Wolke um ihn bildete und sich rasch in Form von Eiskristallen auf ihm niederschlugen. Schon bald war sein Gesicht, seine nackt unter dem Bärenfell hervor gestreckten Arme und auch sein Schoss und seine übereinander geschlagenen Beine so dicht mit Eis besetzt, dass ein zufälliger Beobachter den Eindruck bekommen hätte, irgendjemand hätte aus Gletschereis die Figur eines sitzenden Menschen geformt und über diese dann das große Fell eines riesigen, grauen Bären gehängt.

      Doch Shandra fror nicht, denn aus seinem Schwert floss über die Parierstangen in seinen Händen ein ununterbrochener Strom an starker Energie in seinen Körper und hielt die Temperatur so hoch, dass er sich einfach nur wohl fühlte.

      Die Nacht war wolkenlos klar, der Vollmond war noch nicht aufgegangen und Shandra hatte einen Sternenhimmel vor Augen, wie ihn noch wenige Menschen vor ihm gesehen haben mochten. Er hatte das Gefühl, er müsste nur die Hand ausstrecken und könnte aus den einzelnen Sternbildern ein Teil heraus pflücken, es in seiner Hand halten und genau studieren.

      Noch während er den Sternenhimmel bewunderte, erhob sich im Osten der weiß strahlende volle Mond als runde Scheibe. Er stieg auf und übergoss die einsame Gipfelwelt des Mulhacen mit einem blassen Licht, das alle Kontraste unnatürlich überzeichnete. Was Schwarz war erschien noch Schwärzer und Weiß ließ das Mondlicht noch Weißer werden. In diesem überzeichnenden Licht konnte er das gesamte Panorama seiner Heimat noch einmal betrachten und auch diese Bilder und Eindrücke brannten sich unauslöschlich in Shandras Geist ein.

      Dann aber veränderte sich etwas.

      Plötzlich war er nicht mehr allein. Wie schon einmal lag völlig unerwartet der scharfe Raubtiergeruch des grauen Bären in der Luft, im nächsten Augenblick hatte Shandra das Gefühl, über dem Gipfel des Mulhacen zu schweben und auf sich selbst hinunter schauen zu können. Neben sich spürte er die Anwesenheit seines Bären und dann war auch schon dessen Stimme in seinem Geist.

       „Ich grüße dich Bruder und ich darf dir noch sagen, wie stolz ich darauf bin, dass ich gerade dir meine Kraft übergegeben durfte. Ein würdigeres Gefäß hätte ich nur schwerlich finden können. Doch nun muss ich dich auf etwas vorbereiten, das noch nie ein Mensch erleben durfte.

       Du wirst Geistern einer fernen und einer nahen Vergangenheit begegnen, zu denen du in einer sehr engen Verbindung stehst. Ich will dich wissen lassen, dass du – auch durch meine Kraft und durch das Schwert, das du trägst - vor allem aber durch dich selbst, durch das wer du bist und was du bist, von allen fünf Besuchern mit Meister angeredet werden wirst. Das hat einen guten Grund. Du bist der Meister.

       Drei werden dir Raten, zwei werden dich auch um etwas bitten und alle fünf zusammen werden etwas von dir fordern. Du wirst wissen, was du zu tun hast. Doch überlege gut und handle weiße, dann machst du mir auch dieses Mal Ehre.“

      Der Bär verschwand, doch Shandra blieb in seinem schwebenden Zustand. Er sah sich um und da sah er von Westen her fünf Gestalten auf sich zu kommen, die in zwei getrennten Gruppen unterwegs waren.

      Die erste Gruppe bestand aus drei Männern. Zwei dieser Männer waren relativ klein und schlank und hatten pechschwarzes Haar und schräg stehende, mandelförmige Augen. Shandra kannte beide.

      Inaka, der Schmied des weißen Wolfes und Myamota Asako, der Schmied des in seinem Schwert ebenfalls gebundenen Warans waren ihm schon begegnet. Inaka ja schon vielfach, ihn betrachtete Shandra fas als so etwas wie einen persönlichen Berater.

      Der Dritte dieser Gruppe, war ebenfalls nicht sehr groß, aber derart mit Muskeln bepackt, dass er Shandra fast so breit wie hoch vor kam. Dieser Mann besaß ebenfalls schwarzes Haar und schwarze Augen, doch seine Augen waren groß und rund und standen weit auseinander, seine Nase, sein Mund und sein Kinn erinnerten Shandra sehr stark an den Krieger Sternenstaub, den Bruder des Trägers der Schlangenklinge.

      Er stellte sich mit einem unglaublich tiefen Bass als Santos de Barquilla, den Schmied der Schlangenklinge vor.

      Die drei Schmiede stellten sich Shandra auf der halblinken Seite gegenüber. Halbrecht aber bauten zwei Männer auf, die durch Shandra Hand den Tod gefunden hatten.

      Der riesige Gurth de Sax und der schlanke, drahtige Oncamann Sternenkrieger.

      „Wir grüßen den Meister der Schwerter. Wir grüßen dich, Shandra el Guerrero.“

      Die Worte hatten trotz unterschiedlicher Tonlage geklungen, als wären sie nicht aus fünf sondern aus einem Mund gekommen.

       „Ich grüße euch ihr Schmiede und ich grüße euch, die ihr mir in ehrenvollem Kampf euer Leben und euer Schwert überlassen habt.“

      Eine allseitige, kurze und dennoch höfliche Verneigung, dann setzten sich die fünf Männer in genau derselben Pose hin, wie Shandra sie eingenommen hatte. Lediglich mit dem Unterschied, dass keiner von ihnen ein Schwert trug, auf dessen Parierstangen er seine Hände hätte stützen können.

      Dann begannen sie reihum zu sprechen.

      Inaka, der Inuit sprach zuerst und seine Shandra so vertraute Stimme klang wie immer.

       „Meister, ich bin gekommen, um dir zusammen mit meinen Brüder und den von dir besiegten Meistern zu raten. Wir wollen dir helfen, deinen Weg in Anstand und Würde, Ehrenvoll und dennoch siegreich zu Ende zu gehen.

       Leicht, junger Meister, wird es nicht werden. Doch wir vertrauen dir, wir denken, du wirst erfolgreich sein.

       Wir raten dir aber dringend, dich nicht allein auf den Kampf mit König Edward und jenen zu konzentrieren, die du Anglialbions und Chrianos nennst. Ninive stellt eine genauso große Aufgabe dar und wir wollen dir den Rat geben, erst Ninive auszuschalten, ehe du dich zum Schluss mit dem Träger des Schwertes Pendragon, der Klinge des fünfköpfigen Drachens – des Fünfdrachen - auseinander setzt.“

       „Ich danke dir, mein treuer Inaka, Seele meines Schwertes und zugleich mein guter Ratgeber. Ich habe die Rolle Ninives in diesem Spiel schon weitgehend durchschaut und ich werde eine zweite Front gegen die ehemals fliegende Stadt eröffnen.“

       „Welche Krieger wirst du an dieser zweiten Front einsetzen?“

      Die Frage war von Myamota Asako gestellt worden und Shandra antwortete:

       „Mein leiblicher Vater, Shaktar al S’Andorin, ehemals mächtigster Rat und dann Verstoßener der Stadt Ninive wird an meiner Seite kämpfen und neben ihm seine Söhne, meine Halbbrüder Erin und Kerin. Ebenso mein Mutter, die Kunstgeborene Sombra und auch der klügste und stärkste aller Mutanten, der Dämon Samuel werden mich unterstützen.“

      Diesmal