Walter Landin

Wenn erst Gras wächst


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und Barren. Barren. Blutergüsse am Oberarm.

      Im Ersten Weltkrieg waren in der Turnhalle Kriegsgefangene untergebracht. In den fünfziger Jahren und Anfang der Sechziger war in der Turnhalle ein Kino. Als „Die Sünderin” lief mit der Knef, wo die nackt im Garten liegt, hat Pfarrer Leer von der Kanzel runtergedonnert: „Kein Katholik geht mir in den Teufelsfilm.“

      „Und keiner ging“, sagt meine Mutter stolz. Und konnte die Knef nicht ausstehen. Ich will wissen, wie Pfarrer Leer zu den Nazis stand.

      „Der war nicht für sie und nicht gegen sie.“

      Vorbei an der Turnhalle, die ein Kriegsgefangenenlager war, eine Turnhalle, ein Kino, wieder eine Turnhalle und heute eine Schreinerei. Fuzzy-Filme waren der große Renner. Fuzzy, immer betrunken, immer eine auf die Schnauze und am Ende immer lachender Sieger auf der Seite von Recht und Ordnung. Wir bezahlten für die erste Reihe, und wenn Wochenschau, Werbung und der ganze Schmu vorbei waren, schlichen wir uns nach hinten auf den Sperrsitz oder in die Loge. Und flogen mehr als einmal raus. Einmal blieb ich vorne sitzen. Das war mit meinem Vater.

      „Das Geld für den Sperrsitz können wir sparen.“

      Im Vorfilm stießen zwei Dampflokomotiven frontal zusammen. Der Hauptfilm hieß „Die Brücke”.

      „Das ist ein Film gegen den Krieg, den schauen wir uns zusammen an“, hatte Vater gesagt.

      Ich muss endlich vorbei an dieser Turnhalle oder diesem Kino, was immer es war. Kocher biegt mit dem Flieger, dem er die Hände auf den Rücken gebunden hat, am Ende der Friedhofsstraße nach rechts ab. Dieser Weg führte zur Dorfwaage. Heute gibt es die Waage nicht mehr, die ganze Ecke ist neu bebaut. Damals war auf der rechten Seite ein Weinberg bis hin zum Friedhof, links stand der alte Bahnhof. Vor dem Zweiten Weltkrieg verkehrte eine Bummelbahn zwischen dem Dorf und der Stadt. Eine Fahrt nach Frankenthal kostete dreißig Pfennige. 1939 wurde die Strecke stillgelegt. Als sie sich der Waage nähern, verlangsamt Kocher den Schritt. Für einen Moment spürt der englische Gefangene nicht den Lauf der Pistole im Rücken.

      „Langsam, Kerl, zischt Kocher.“

      Der Flieger begreift den Sinn, obwohl er die Worte nicht verstanden hat. Das Bahnhofsgelände steht immer noch, bis in die Siebziger war ein Textilhandel darin untergebracht, heute wohnen Asylbewerber in dem Gebäude. Auf der Dorfwaage wurden die Rübenfuhrwerke gewogen, die Schweine, deren Gewicht, dann von der Ration der Lebensmittelkarte abgezogen wurde. Auf dieser Waage stand mein Bruder, hielt sich sein blutendes, rechtes Auge, war es das rechte? Ich lag mit meinem Cousin hinter einem Schotterhaufen. Wir führten eine erbitterte Steinschlacht gegen die zwei Jungen, deren Eltern den Textilhandel im alten Bahnhof betrieben. Jürgen, damals vielleicht acht, stopfte sich die Taschen voller Stein, stürmte los, auf die feindliche Stellung zu, wir gaben Deckungsfeuer, wie wir es nannten, warfen, was das Zeug hielt. Ich bewunderte meinen Bruder. Obwohl ich vier Jahre älter war, wäre ich nie losgerannt. Ich wagte es kaum, mich beim Werfen aufzurichten, um genauer zielen zu können. Jürgen war schon wieder auf dem Rückzug, jetzt war er genau auf der Waage, ich warf blind hinter dem Steinhaufen hervor. Jürgen schrie, es flogen keine Steine mehr, ich richtete mich auf, sah sein blutverschmiertes Gesicht. Ich hatte ihn einen Zentimeter unterhalb seines Auges getroffen. Das ist auch so eine Geschichte.

      Kocher bleibt auf der Waage stehen, der englische Flieger, der ganz jung war, bleibt ebenso ruckartig stehen.

      „Jetzt reden wir mal deutsch.“

      Was das heißt, wissen wir. Der Druck im Rücken lässt nach. Der englische Flieger spürt den Gewehrlauf im Nacken. Das Bild verschwimmt vor meinen Augen. Aus dem englischen Flieger wird eine russische Mutter, die ihr Kind an sich drückt. Kocher ist ein namenloser Soldat, der, das Gewehr im Anschlag, breitbeinig dasteht. Niemand wird etwas gesehen, etwas gehört haben.

      „Zwischen halb zwölf und Mitternacht“, wird der Dolmetscher im Prozess übersetzen. Übereinstimmendes Kopfschütteln.

      Es ist halb vier, als Kocher nach Hause kommt. Seine Frau liegt wach im Bett. Er ist noch durch das Dorf gegangen. Die Brände sind alle unter Kontrolle.

      „Der Führer wird es denen heimzahlen.“

      „Endsieg.“

      Dieses Wort gebraucht Kocher oft in dieser Nacht. Er setzt sich auf die Bettkante, erzählt die Sache mit dem Flieger. Als er das Erschrecken seiner Frau sieht, redet er von Gegenschlag, Vergeltung, kramt wieder dieses Wort hervor, Endsieg, für Führer, Volk und Vaterland. Sie lässt sich beruhigen, ja, es kommt sogar so etwas wie Stolz bei ihr auf.

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