mit Wasserkühlung. Damit war die Wolfsburger Modelloffensive erst einmal zu ihrem Ende gelangt.
Die Autoverkäufe zogen weltweit langsam wieder an und vorsichtiger Optimismus machte sich breit. Parallel dazu stiegen die Börsenkurse der Automobilhersteller. Mitte des Jahres 1975 schließlich war die Ölkrise vorbei und die Konjunktur sprang an. Statt über Kurzarbeit wurde in den deutschen Werken plötzlich wieder über Sonderschichten gesprochen. Dabei profitierten BMW, Daimler-Benz und Porsche zusätzlich von der Investitionszulage, die gut verdienende Selbstständige und Firmen in Anspruch nehmen konnten.
Zur sich wandelnden Situation schreibt der VW-Konzern: »In der größten Not geschehen bisweilen Wunder. Schmücker ist ein Glückskind: Mitte 1975 kommt die wirtschaftliche Wende. Der Dollar steigt wieder, und am heimischen Markt löst sich die Verkrampfung der Käufer. Schon im August müssen in Wolfsburg und Emden Sonderschichten gefahren werden, weil 50.000 bestellte Autos fehlen.«29 Mehr noch: Während noch Mitarbeiter aus dem Notprogramm den Konzern verließen, hob die VW-Konzernleitung im Spätsommer 1975 eilig den geltenden Einstellungsstopp auf und bot stattdessen 2.750 neue Arbeitsplätze an, die möglichst schnell besetzt werden sollten.
Die Ölkrise war durchgestanden, doch unzweifelhaft war in Deutschland eine Ära zu Ende gegangen. Die Grenzen des Wachstums, so der Titel eines zu dieser Zeit viel diskutierten Buches, hatten nun auch die Deutschen zu spüren bekommen. In anderen Worten ausgedrückt: Die Ära des deutschen Wirtschaftswunders war vorbei. Das Konzept, das den VW-Konzern aus der Krise führen sollte, ging jedenfalls auf: der Golf wurde wie der Passat und der Scirocco sofort zum Bestseller. Dabei war den Planern bei VW das Kunststück gelungen, den kompakten Golf als klassenloses Fahrzeug zu etablieren – als »Volkswagen« im besten Sinne.
In den Golf konnte sich ein Arzt oder eine Rentnerin genauso selbstverständlich setzen wie eine Hausfrau oder ein Student – unpassend oder gar peinlich war der VW Golf niemals. Ein Artikel im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL fasste die neue Situation anschaulich zusammen: »Der Golf brachte die starren Märkte in Bewegung. Unter dem Golf-Erfolg schrumpften die Marktanteile der Konkurrenten Opel und Ford. Im Oktober 1974 wurden vom Golf mehr verkauft als von sämtlichen Opel-Personenwagen zusammen. Und Opels Konkurrent Ford, einstmals zu 18 Prozent am deutschen Markt beteiligt, fiel auf acht Prozent Marktanteil zurück.«30
Doch die Wettbewerber schliefen nicht und reagierten ihrerseits auf die Modelloffensive von VW. In diesem Sinne begann im September 1975 bei Opel die Produktion der Mittelklasselimousine Ascona B sowie des davon abgeleiteten Sportcoupés Manta B. Bei der Technik des Ascona B blieben die Ingenieure auf vertrautem Terrain: Frontmotor mit Kardanwelle und Hinterradantrieb, dazu die alten Motoren. Der Rückstand von Opel hinsichtlich moderner Motoren und Packaging-Konzepte war bei GM jedoch nicht unbemerkt geblieben, weshalb sich für die Fahrzeuge der europäischen Kompakt- und Mittelklasse bereits neue, in ihrer Konzeption fortschrittlichere Modelle in der Entwicklung befanden.
Trotz seiner eher konservativen Konzeption wurde der Opel Manta B sofort zu einem Erfolg. Gerade junge Familienväter, die auf der Suche nach einem zuverlässigen, formschönen und bezahlbaren Sportcoupé waren, griffen zu. Die verbaute Technik markierte zwar nicht die technologische Führerschaft, dafür war sie mit ihrer Solidität über alle Zweifel erhaben. Gerade im direkten Vergleich zu sportlichen Fahrzeugen aus englischer, französischer oder italienischer Produktion machte der Manta B eine glänzende Figur.
Das Jahr 1975 endete für den VW-Konzern mit einem Verlust von nur noch 157 Millionen Mark (ca. 79 Millionen Euro), während es unverändert steil bergauf ging und der Gewinn von Monat zu Monat stieg. Dieser Erfolg von VW brachte die Automobilkonzerne in Deutschland in Verlegenheit. Gerade die traditionellen Anbieter von Mittelklassemodellen wie Ford und Opel mussten erkennen, dass mit Volkswagen plötzlich ein ernstzunehmender Wettbewerber auf den Plan getreten war, über den man vorher eher gelächelt hatte. Fakt war: Während viele Autohersteller in Deutschland unter der Ölkrise gelitten hatten, ging VW aus dem vorangegangenen Desaster gestärkt hervor.
Zu Jahresende 1975 sickerte eine technische Neuigkeit durch, die allenthalben für Staunen sorgte: Ferdinand Piëch, Enkel von Professor Ferdinand Porsche und mittlerweile zum Leiter der gesamten Motorenentwicklung im VW-Konzern aufgestiegen, hatte den Benzinmotor des Audi 80 zu Testzwecken in einen Dieselmotor verwandelt. Bei nahezu unverändertem Gewicht, so war aus der Gerüchteküche zu hören, sollte das Aggregat 50 PS (37 kW) leisten und 30 Prozent weniger Treibstoff konsumieren. Und mehr noch: Die Serienfertigung sollte vom Vorstand bereits beschlossen worden sein.
Das Jahr 1976 begann mit einer verblüffenden Nachricht: Dem neuen VW-Chef Toni Schmücker schien es gelungen zu sein, die Konzernspitze soweit auf Linie zu bringen, dass sie dem Bau eines VW-Werkes in Nordamerika zustimmte. Damit wäre ihm genau das gelungen, was sein Vorgänger Rudolf Leiding nicht hatte durchsetzen können. Dieses Werk würde zwar den US-Markt unabhängiger von den deutschen Produktionsstätten machen, doch die Vorteile für den VW-Konzern waren nicht von der Hand zu weisen. Mit einem Werk in Übersee könnten die dort produzierten Fahrzeuge direkt vor Ort ohne aufwändige Verschiffung, ohne Einfuhrzölle, ohne Währungsrisiken und ohne hohe deutsche Lohnkosten verkauft werden.
Und noch zwei weitere Gerüchte machten die Runde: So das Gerücht, dass die VW-Konzernleitung festgestellt hatte, dass rund 50.000 Kunden pro Jahr einen Golf oder Polo nicht kauften, weil sie ein klassisches Stufenheck einem Fließheck vorzogen. Aus diesem Grund wurde geplant, die Modelle Polo und Golf ergänzend als Stufenheckmodelle zu bauen.
Das zweite Gerücht drehte sich um einen kostengünstigen Sportwagen auf Basis des Golf, der unter dem Namen Golf GTI im Herbst 1975 auf der IAA präsentiert worden war. Geplant war eine limitierte Auflage von 5.000 Exemplaren des Golf GTI, die mit dem von Audi übernommenen 1,6-Liter-Einspritzmotor (mechanische Einspritzanlage K-Jetronic von Bosch) ausgerüstet werden sollte. In Anbetracht der Motorleistung von 110 PS (81 kW) und einem Gewicht von deutlich unter 1.000 Kilogramm bot der Golf GTI seit seiner Vorstellung reichlich Stoff für Gespräche. Über 180 km/h sollte er schnell sein. Skeptiker im VW-Konzern hielten das Unternehmen allerdings für finanziell riskant, denn wer sollte solch einen Renn-Golf kaufen. 5.000 Verrückte?
Im Juni 1976 schließlich kamen die Spekulationen zu einem Ende, denn der erste Golf GTI rollte vom Fließband. Lieferbar war der Golf GTI in den Farben Marsrot und Diamant-Silbermetallic. Neben seinem starken Motor glänzte der Golf GTI mit sportlicher Ausstattung: So wurden auf diesen Golf breitere Reifen der Dimension 175/70 HR 13 aufgezogen, das Fahrwerk wurde gestrafft sowie vorne und hinten mit Stabilisatoren ausgerüstet. Zusätzlich wurde das Fahrwerk vorne um 10 mm und hinten um 20 mm abgesenkt. Überdies wurde der Frontspoiler vergrößert.
Auch optisch zeigte der Golf GTI, wofür er gebaut war: So schreibt VW auf seinem Portal VOLKSWAGEN CLASSIC: »Die Ausstattung ist sportlich: Unter anderem werden alle Chromteile durch schwarz lackierte Komponenten ersetzt, der Kühlergrill trägt den GTI-Schriftzug und erhält die rote Umrandung. Der Dachhimmel ist ebenso wie Sonnenblenden und Teppiche tiefschwarz. [...] Im Innenraum gibt es körpergerecht ausgeformte Sportsitze mit dem bekannten Schottenkaro, geschaltet wird mit dem berühmten Golfball.«31 Auch wenn Neider den sportlichen Golf verunglimpften und die Abkürzung »GTI« als »Größenwahn, Temporausch, Imponiergehabe« übersetzten, zeigte sich bald, dass sich das Marketing von dem Plan, 5.000 Exemplare zu bauen, verabschieden musste.
Denn: Der Golf GTI wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem Klassiker der Moderne, dem von Beginn an Kultstatus zukam. Durch seine enormen Fahrleistungen, seine Alltagstauglichkeit und seinen günstigen Preis wurde er beim vor allem jüngeren Publikum zu einem Erfolg. Sofort stellte sich die Zubehörindustrie auf den Golf GTI ein, die den Käufern eine unüberschaubare Fülle von Tuningkomponenten und Zubehör anbot. So dauerte es nicht lange, bis der Golf GTI auch auf der Rennstrecke Erfolge einfuhr. Mit dem Golf GTI hatten die Planer ein Kultauto geschaffen, dessen Ruhm über Jahrzehnte fortdauern sollte.
Im Juni 1976 erhielt auch der Scirocco den 110 PS (81 kW) starken, auf 1.600 cm³ vergrößerten Motor mit der mechanischen K-Jetronic-Benzineinspritzung von Bosch. Allerdings waren aufgrund der gestiegenen Leistung zahlreiche technische Änderungen notwendig. So musste in der Motorperipherie der Wasserkühler angepasst werden, hinzu kam ein