vor. Nur 5 Prozent der Weltproduktion wären über 300.000 Einheiten gewesen. In einer Studie wird ein Motorrad entworfen, welches – je nach Kundenwunsch – mit den 3 wassergekühlten Motorvarianten (900 cm3, 1.100 cm3 und 1.300 cm3) des VW-Polo bestückt werden sollte. Doch wie so oft, es blieb bei der Studie. Mangelnde Wirtschaftlichkeit war der offizielle Grund, warum es die Studie nicht zum Entwicklungsprojekt schaffte.«37
Parallel zum gut laufenden Pkw-Geschäft forcierte die VW-Konzernleitung ihr Engagement in der bis dato eher vernachlässigten Nutzfahrzeugsparte. Im August wurde deshalb ein Kooperationsvertrag mit der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (M.A.N.) vereinbart, der die gemeinsame Entwicklung und Produktion leichter Lastkraftwagen zum Ziel hatte. Europaweit vertrieben würden die Nutzfahrzeuge unter dem Markennamen »MAN-VW«. 1979 sollten die ersten Fahrzeuge des Gemeinschaftsprojekts auf den Markt kommen.
Während mit dem nachdrücklichen Einstieg in die Nutzfahrzeugsparte für den VW-Konzern ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde – fand nahezu gleichzeitig ein anderes Kapitel sein Ende: Im Herbst 1977 wurde der Bau des technisch futuristischen, jedoch wirtschaftlich erfolglosen NSU Ro 80 eingestellt. Dies war für viele Mitarbeiter eine schmerzliche Entscheidung, denn mit dem Ende des NSU Ro 80 wurde im VW-Konzern nicht irgendein Modell verabschiedet. Vielmehr bedeutete diese Entscheidung gleichzeitig die kategorische Abkehr vom Wankelmotor, auf dem so große Hoffnungen geruht hatten. Der Kreiskolbenmotor war fortan passé.
Ärgerlich daran war, dass die technischen Probleme, die den Kreiskolbenmotor in Misskredit gebracht hatten, von den Ingenieuren längst gelöst worden waren. Die Witze um sich begegnende Ro-80-Fahrer, die mit zum Gruß erhobener Hand durch die Anzahl der ausgesteckten Finger anzeigten, der wievielte Motor eingebaut war, wirkten längst schal. Mit anderen Worten: Die einstigen Motorschäden gehörten der Vergangenheit an, der Wankelmotor war robust und hielt in der Regel über 200.000 km. Nicht vom Tisch zu wischen war freilich die Tatsache des prinzipbedingten hohen Kraftstoffverbrauchs des Wankelmotors.
Auf der Suche nach neuen, ungesättigten Absatzmärkten gelang dem VW-Marketing im November 1977 ein geradezu sensationeller Coup: 10.000 neue Golf sollten in die sozialistische Deutsche Demokratische Republik (DDR) geliefert werden. Ähnliche Geschäfte waren bislang mit den Ostblock-Staaten Jugoslawien und Ungarn eingefädelt worden. Bezahlt werden sollten die 10.000 Golf allerdings nicht in klingender Münze, sondern mit Zulieferteilen wie Reifen, Lampen und Scheiben im Gegenwert von 80 Millionen Mark (ca. 40 Millionen Euro), die aus der DDR in die westdeutschen VW-Werke geliefert würden. Thüringer Bratwürste für die Wolfsburger Kantine, so ein gängiger Scherz dieser Zeit, sollten allerdings nicht zum Lieferumfang gehören.
Die näheren Umstände dieses Geschäfts skizziert ein Beitrag des WDR: »Bereits sechs Wochen nach der Bestellung liefert Volkswagen die ersten 200 Fahrzeuge – von den DDR-Medien aus ideologischen Gründen gänzlich unbeachtet. Im Gegenzug schickt die DDR Pressen und Werkzeugmaschinen sowie ein Planetarium nach Wolfsburg. [...] Zwischen 27.000 und 36.000 Ostmark müssen ganz normale DDR-Bürger mit ordentlichem Sparbuch für die Westfahrzeuge berappen – viel Geld im Vergleich zu einem Trabbi, dessen Listenpreis 7.850 Ostmark beträgt.«38
Das Bedürfnis der DDR-Bevölkerung, ungeachtet des vollkommen überzogenen Preises, einen VW Golf zu bekommen, nahm groteske Züge an. Den Bewohnern, die die Summe ausgeben konnten, war es egal, wie sehr sich die Devisenabteilung der DDR an diesem Geschäft bereicherte – sie hatten genug von den rückständigen Ostmobilen, die im Fall eines Trabant oder Wartburg zudem mit Zweitaktmotoren ausgerüstet waren.
Zur Situation in den Autohäusern, die den Golf zugeteilt bekommen hatten, schreibt die FAZ: »Die Stasi sendet ihre Spitzel aus. Einer berichtet aus Ost-Berlin: „Am IFA-Vertrieb Berlin, Rummelsburger Straße, fanden sich gegen 05.30 Uhr die ersten Interessenten ein. Gegen 06.00 Uhr standen ca. 50 Personen, zum überwiegenden Teil aus anderen Bezirken der DDR, an, um einen Kaufvertrag abzuschließen. Gegen 07.00 stieg die Zahl der Interessenten laufend an, so dass der Betrieb bis zu 20 Mitarbeiter zur Abfertigung einsetzte (Schlangenbildung bis zu 500 Personen; vorsprechende Interessenten nutzten in der Rummelsburger Straße ca. 2 Kilometer als Parkfläche für ihre Wagen; Einsatz von VP-Regulierungsposten war erforderlich).“«39
Allerdings gibt es auch Stimmen, die dieser Darstellung widersprechen und sie relativieren. So schreibt DIE WELT: »Doch die Arbeiterklasse stand dem Westimport skeptisch gegenüber. Einmal machten sich die potenziellen Kunden Sorgen um die Ersatzteilversorgung, zum anderen waren ihnen die Preise zu hoch. Und da passierte, was es nie zuvor und nie danach in der DDR gegeben hat: Die Preise wurden gesenkt und dem üblichen Niveau angepasst. Der Golf kostete nun nur noch zwischen 22.000 und 26.000 Ostmark. Zum Vergleich: Ein Lada 1500 hat damals 24.000 Mark, ein Trabant um 10.000 Mark gekostet.«40
V.A.G als Dachmarke
Durch den Kraftakt der vergangenen Jahre hatte sich der Marktanteil von VW in Deutschland auf mittlerweile 31 Prozent gesteigert. Auch das Jahr 1978 bestätigte in mehrfacher Hinsicht den Aufbruch des VW-Konzerns in die Moderne. So rollte am 19. Januar 1978 im Werk Emden der letzte in Deutschland gefertigte Käfer vom Fließband. Dies bedeutete jedoch nicht das Ende des Typ 1, da er noch bis zum Juli 2003 in Mexiko weiter montiert werden sollte.
Für medialen Wirbel sorgte eine große Rückrufaktion von VW, bei der 383.000 Fahrer der Modelle Golf und Scirocco des Produktionszeitraums von Mitte 1974 bis Mai 1975 umgehend in die Werkstatt beordert wurden. Der Grund: Infolge von Verschleiß konnte ein Metallring, der die Verbindung von Lenksäule und Zahnstange sichern sollte, ausfallen. Damit wäre das Fahrzeug kaum mehr lenkbar.
Einschneidender für den VW-Konzern war indes die Eröffnung des ersten eigenen Werks am 10. April 1978 in Westmoreland (Pennsylvania). Damit war die Volkswagenwerk AG der weltweit erste ausländische Hersteller, der ein Automobilwerk in den USA errichtet hatte. Allerdings war das neue Werk keine herkömmliche Produktionsstätte mit Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei, Gießerei und der sonst für die komplette Fertigung eines Fahrzeugs notwendigen Peripherie, sondern lediglich ein Montagewerk.
Hierbei wurde die US-Version des VW Golf unter dem Namen »Rabbit« (zu Deutsch: »Kaninchen«) aus Deutschland steuer- und zollgünstig als CKD-Satz angeliefert. Die Abkürzung CKD stand für »Complete Knocked Down« (zu Deutsch: komplett zerlegt) und bedeutete schlichtweg, dass jedes Fahrzeug als großes Puzzle in das US-Werk versandt wurde. Vor Ort erfolgte dann die Endmontage, bei der auch Bauteile aus US-Fertigung eingebunden wurden. Aufgrund des anhaltenden Verfalls des Dollar hielten auch schon die ersten japanischen Scouts Ausschau nach geeigneten Standorten für den Bau japanischer Modelle in den USA.
Gravierend für den VW-Konzern war die Einführung der Konzernmarken rund um die neu geschaffene Bezeichnung »V.A.G«. Mit der 1978 ins Leben gerufenen Absatzorganisation V.A.G ging »der Einkauf und Verkauf von Dienstleistungen im nationalen wie internationalen Transportgeschäft sowie die Beratungstätigkeit für Dritte [...] auf die neu gegründete „V.A.G Transportgesellschaft mbH“ über, die zum 1. Mai die Geschäftstätigkeit aufnimmt. Die Wolfsburger Transportgesellschaft mbH wird liquidiert«41. Desgleichen wurde die »VW Kredit Bank GmbH« in »V.A.G Kredit Bank GmbH« umbenannt, die VW-Leasing-Tochter »Volkswagen Leasing GmbH« änderte ihren Namen in »V.A.G Leasing GmbH«.
Gerätselt wurde allerdings über die eigentliche Bedeutung des Kürzels V.A.G, bei dem aus Gründen der Symmetrie der Punkt hinter dem Buchstaben »G« weggelassen worden war: »Volkswagen Audi-Gruppe« oder vielleicht »Volkswagen-Audi-Gesellschaft« oder aber »Volkswagen-Audi-Gemeinschaft«? Aus VW- und Audi-Händlerbetrieben wurden nun jedenfalls »V.A.G-Partner« mit einer gemeinsamen Corporate Identity, um ein weltweit einheitliches Erscheinungsbild mit einem hohen Wiedererkennungsfaktor zu etablieren. Fortan kündete ein breites blaues Band, das rund um die Betriebsgebäude lief, von der neu geschaffenen Marke rund um VW und Audi. Von NSU oder DKW war keine Rede mehr.
Mit der Einführung der Bezeichnung V.A.G wurde primär für die beiden Konzernmarken Volkswagen und Audi eine gemeinsame Identität geschaffen. Dabei bildete die vom VW-Konzern niemals erklärte bzw. aufgelöste Abkürzung V.A.G eine Handelsmarke, unter deren