Frontantrieb konzipierten Kleinwagen namens Fiesta auf den europäischen Markt brachte. Gebaut wurde der Ford Fiesta kostengünstig in Spanien. Schon bald wurde klar, dass mit dem Fiesta ein weiterer ernstzunehmender Wettbewerber auf den Plan getreten war.
Diese Hinwendung zu Kleinwagen entfachte gleichzeitig das Interesse an alternativen Antriebskonzepten für die Automobile der Zukunft. So äußerte sich beispielsweise Volkswagen-Entwicklungschef Prof. Ernst Fiala in einem Interview über neue Automotoren dahingehend, dass eine Turboaufladung für Dieselmotoren wohl denkbar und auch technisch umsetzbar, jedoch bislang aus Kostengründen kaum wirtschaftlich sei.
Noch spannender war die Frage des Journalisten nach sinnvollen Zukunftskonzepten im Bereich Antriebstechnik. Hierauf erläuterte Prof. Fiala: »So leid es mir tut, ich kann Ihnen keine Revolution des Autoantriebs voraussagen. Zunächst, für die nächsten 20 Jahre, wird der Hubkolbenmotor, sei es als Diesel-, sei es als Benzinmotor, mit Abstand die wichtigste Antriebsart sein. Danach käme der Wankel, dann vielleicht die Gasturbine. dann der sogenannte Heißluftmotor, danach die Dampfmaschine. [...] Das Elektroauto kommt dann auch noch.«33
Die Abkehr von großvolumigen Verbrennungsmotoren zeigte sich beispielhaft im Verkaufsprogramm des Wettbewerbers Opel, der seine aus den Modellen Kapitän, Admiral und Diplomat bestehende KAD-Klasse einstellte. Diese an US-Straßenkreuzer erinnernden Dickschiffe mit ihren großen Motoren, die beim V8 des Diplomat mit einem Hubraum von 5,4 Litern aufwarteten, wurden kaum mehr gekauft. Um hier wieder Anschluss zu finden, präsentierte Opel 1977 auf der IAA in Frankfurt mit dem Senator und dem davon abgeleiteten Coupé Monza eine Neuentwicklung für die Obere Mittelklasse.
Der direkte Vergleich zu den überkommenen KAD-Modellen zeigte nachdrücklich die Abkehr von amerikanischen Einflüssen. Viel kleiner, straff gezeichnet und modern konzipiert traten die neuen Modelle die Nachfolge der in die Jahre gekommenen KAD-Klasse an. Alleine schon die kompakteren Abmessungen von Senator und Monza zeigten: Opel hatte sich aus der imageträchtigen Oberklasse verabschiedet, um zukünftig in den unteren Klassen präsenter zu sein.
In den USA waren die Kunden der drei großen Hersteller Chrysler, Ford und GM in ihrer Ignoranz weit entfernt von diesem neuen Trend, der sich weltweit formte. Die nach wie vor starre Geisteshaltung der amerikanischen Kunden schlug sich unverändert in technisch rückständigen Modellen der drei großen US-Automobilhersteller nieder. Großvolumige durstige V8- oder V6-Motoren bestimmten nach wie vor den Markt. Dieselmotoren, die in Europa immer stärker nachgefragt wurden, waren hingegen in den USA verpönt. Diese technische Rückständigkeit war einer der Gründe, weshalb neuerdings immer mehr japanische Hersteller auf dem US-amerikanischen Markt Fuß fassten.
So lautete im Sommer 1977 die Reihenfolge der Importeure in Nordamerika: Toyota, Datsun, Honda, dann erst kam VW. Toyota beispielsweise stand im Jahr 1977 in den USA bereits an der Schwelle von 500.000 verkauften Fahrzeugen. Demnächst sollten die für ihre Zuverlässigkeit geschätzten, japanischen Autos sogar in eigenen Fabriken direkt vor Ort in den USA gefertigt werden. In dem über viele Jahre von den großen drei Konzernen Ford, Chrysler und GM vernachlässigten Heimatmarkt wollte fortan auch VW durch sein US-Werk stärker auftreten.
Verkaufsboom und neue Märkte
Die Verkaufszahlen zeigten sich 1977 weiterhin so gut, dass das deutsche Kartellamt aktiv wurde und die Autohersteller VW, Opel und Ford vor einer überzogenen Preiserhöhung warnte. Erst nach langen Verhandlungen einigten sich die Hersteller und das Kartellamt auf eine gemäßigte Erhöhung der Neuwagenpreise um rund 4 Prozent. Im Frühjahr 1977 stiegen die Autoverkäufe aller deutschen Hersteller in ungewohnt starker Weise an, so dass bei Ford, Opel und Volkswagen Sonderschichten notwendig wurden.
Damit hatte VW-Chef Toni Schmücker plötzlich mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als noch vor zwei Jahren. Denn erstens waren mittlerweile viele VW-Modelle nur mit einer Lieferzeit von mehreren Monaten erhältlich, manche Modelle wie der unerwartet erfolgreiche Golf GTI sogar mit einer Lieferzeit von einem ganzen Jahr. Auch bei den anderen Volumenherstellern Opel und Ford wurde seit Monaten mit Sonderschichten an der Grenze der Fertigungskapazität produziert. Bei VW kam aber noch ein zweites Luxusproblem hinzu: Sollte der VW-Marktanteil auf 35 Prozent steigen, dann müsste das Kartellamt mit Sanktionen einschreiten, weil VW damit eine marktbeherrschende Stellung einnehmen würde.
Eher für Unverständnis und Belustigung sorgte hingegen die Meldung, dass VW-Chef Toni Schmücker ausgerechnet den 1928 geborenen Designer Luigi Colani (eigentlich Lutz Colani) nochmals beauftragt haben sollte, für die Volkswagenwerk AG einen modernen Kleinwagen zu entwickeln. Schon 1976 war Colani mit einem solchen Entwurf beauftragt worden, doch sein vorgestellter, grotesk geformter »Turbo Polo Concept« war optisch, technisch und konzeptionell weit von einem Fahrzeug entfernt gewesen, das in Serie gehen konnte.
In Anbetracht des gleichermaßen bärbeißigen wie selbstbewussten Auftretens von Luigi Colani, der auf Schloss Harkotten im Münsterland als selbsternannter »Meister« residierte und grundsätzlich nicht durch Bescheidenheit oder Realitätssinn bei seinen Entwürfen beindruckte, wurde der neue Entwurf mit Spannung erwartet. Gewünscht wurde diesmal ein praxistauglicheres Fahrzeug. Die Ankündigung, dass ein fahrfertiges Modell bereits in wenigen Wochen vorgestellt werden sollte, sorgte hingegen auf breiter Front für Heiterkeit.
Zur Person Luigi Colani schreibt der Journalist Erwin Koch: »Colani, die Schläfen grau, gewährt nicht Audienz, um Gewesenes zu disputieren. Sein Stoff ist die Zukunft. Redet Colani, rollt der Donner. Colani muß man, um ihn zu genießen, hören. Schwarz auf weiß ermatten seine Sätze zu Blödsinn. Colani muß man sehen. Das mediterrane Fischergesicht, sekundiert von wilder Gestik, gibt beste Operette. Es zittert und bebt.«34
Und es kam wie befürchtet: Das wenig später präsentierte Kleinwagenmodell, bei dem Colani jegliche gestalterischen und ästhetischen Konventionen über Bord geworfen hatte, sorgte für ungläubige Blicke und Entsetzen. Dabei lag dieser neuerliche Entwurf konzeptionell deutlich näher an einem zulassungsfähigen Straßenmodell als der 1976 präsentierte »Turbo Polo Concept«. Ungeachtet dessen war dieses Konzeptfahrzeug unfassbar gestaltet – die VW-Verantwortlichen jedenfalls starrten kopfschüttelnd auf dieses neue Colani-Vehikel.
Den Ablauf der Präsentation und die Reaktion der Beteiligten fasst ein Bericht des Nachrichtensenders n-tv zusammen: »Mit Siebkühlergrill und hängender Unterlippe kam der Colani-Polo beim damaligen VW-Chef Toni Schmücker und Entwicklungsexperte Ernst Fiala nicht gut an. Der Meister beschimpfte die beiden dann als „Blechpfeifen“, die mal weiter mit ihrer „Kartoffelkiste auf Rädern“ rumfahren sollen.«35 Danach zog der »Meister« beleidigt von dannen und sein präsentiertes Kleinwagenmodell verschwand auf Nimmerwiedersehen in der Abstellkammer der VW-Entwicklungs-abteilung.
Der Buchautor Jerry Sloniger schrieb hierzu ergänzend: »Am wildesten ging es natürlich bei den Styling-Arbeiten Luigi Colanis für die Wolfsburger zu, der behauptet hatte, er könne den Innenraum des Passats in die Außenabmessungen des Polo hineinzwängen. Als Schmücker und Fiala dann durch Colanis dreiste Angriffe auf die laufenden Baureihen verärgert waren, mußte wohl unvermeidlicherweise das Produkt des Exzentrikers im VW-Keller verschwinden, und der einzige Kommentar war, man habe aus seiner Formgebung gelernt.«36
Im Zuge des Erfolgs der japanischen Motoradhersteller stand die Frage im Raum, ob es für die Volkswagenwerk AG sinnvoll sein könnte, ein komplettes Motorrad-Programm zu entwickeln. Angesichts des anhaltenden weltweiten Motorradbooms war dieser Gedanke gar nicht abwegig. Die Pläne dafür waren jedenfalls weit fortgeschritten, denn sowohl das Modellportfolio als auch die Namensgebung für die einzelnen Modelle wurden schon erörtert.
Als Spitzenmodell war ein Motorrad mit wassergekühltem Vierzylindermotor geplant, der aus der Pkw-Motorenpalette stammen sollte. Als sicher galt, dass NSU als Markenname gewählt werden würde. Bei näherer Prüfung war diese Entscheidung nicht abwegig, denn NSU war zeitweise weltgrößter Motorradhersteller gewesen, bis im Jahre 1965 die Zweiradproduktion eingestellt worden war. Schließlich aber entschied sich der Vorstand dann doch gegen den Bau eigener Motorräder.
Zu den Plänen und den Gründen für das Scheitern gibt eine auf die Geschichte