Arik Steen

Sklavenschwester


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nicht anders gemacht, wenn auch andersherum.

      Als schließlich ihre jüngere Tochter Saga sich ebenfalls nach Deutschland aufmachte, war es für Elvira um einiges schwerer. Das ohnehin recht stille Haus wurde nun noch ruhiger.

      «Ich bin ja nur 14 Tage in Bayern!», meinte Saga.

      Elvira nickte: «Ja, ich weiß, mein Liebling. Aber trotzdem. Es ist für mich nicht einfach!»

      «Ich bin nicht so wie meine Schwester!», grinste die schlanke sportliche Saga. Während ihre blonde Tochter Lova sehr viel von ihrem Vater hatte, so kam Saga doch sehr nach ihrer Münchner Mutter. Saga hatte wie ihre Mutter etwas dunkleres Haar.

      Elvira lächelte ihre Tochter an und gab ihr einen Kuss auf die Stirn: «Das weiß ich auch. Ihr seid völlig verschieden. Und ich weiß auch, dass du zurückkommen wirst. Aber du musst auch mich verstehen. Die nächsten Wochen wird es ziemlich still hier!»

      «Du wirst das schon aushalten!», meinte Saga: «Und Papa ist ja auch noch hier!»

      «Er ist die nächste Woche unterwegs im Park!», seufzte Elvira: «Aber du hast schon recht. Sobald er zurückkommt, werde ich mir mit ihm ein paar schöne Tage machen. Ohne nervige Töchter ...»

      «Ha ha ha!», sagte Saga und trug ihren Koffer dann hinaus zum Auto.

      «Hast du eigentlich nun deiner Schwester Bescheid gesagt?», nachdem sie ihre Jacke genommen hatte und ihrer Tochter gefolgt war.

      «Nein, es soll eine Überraschung sein!», grinste Saga.

      «Na ja, ich weiß ja nicht. Wäre doch gut, wenn sie wissen würde, dass du kommst. Dann kann sie es sich einrichten ...»

      «Ich warne dich! Du verrätst nichts!», erwiderte ihre Tochter klar und deutlich. Sie kannte ihre Mutter und wusste, dass sie in solchen Sachen schnell schwach wurde. Und sie wollte wirklich nicht, dass ihre Schwester sie bereits vorab erwartete.

      «Ja, ich verrate schon nichts! Für mich ist das halt so eine Sache. Du allein in München ...»

      «Wieso alleine? Linnea ist doch mit dabei!»

      «Sie ist genauso jung wie du und unerfahren. Das beruhigt mich nicht.»

      «Und wir wohnen ja bei ihrem Onkel!», versuchte Saga ihre Mutter weiter zu beruhigen.

      «Nun ja!», lächelte ihre Mutter gequält: «Ich mach mir halt Sorgen und ich denke, das ist mein gutes Recht!»

      Saga stieg in den Jeep und schnallte sich an: «Können wir fahren?»

      Elvira nickte und setzte sich auf den Fahrersitz: «Ja, Liebes. Wir können!»

      «Linnea wartet sicherlich schon. Wir sind zehn Minuten zu spät!»

      «Ich kann mir denken, dass du aufgeregt bist. Aber wir sind gut in der Zeit. Keine Angst, mein Liebes, wir bekommen euren Flieger noch rechtzeitig nach Stockholm.»

      Linnea wohnte keine zwanzig Minuten von der Siedlung, in der Saga aufgewachsen war. Sie kannten sich beide von der Schule und waren seit ihrem siebten Lebensjahr befreundet.

      Die Idee in den Sommerferien nach München zu fliegen hatte Linnea gehabt. Sie hatte einen Onkel, der in Bad Tölz, rund 50 Kilometer südlich von München, wohnte.

      Da Saga schon immer mal die Heimat ihrer Mutter kennenlernen wollte, fehlte nicht allzu viel bis zur Entscheidung ihre Freundin zu begleiten. Als sie gehört hatte, dass Bad Tölz nur 50 Minuten mit der Bahn von München weg war, hatte sie schnell zugesagt.

      «Da steht sie schon!», sagte Saga aufgeregt und zeigte auf das Holzhaus, in dem die Familie von Linnea wohnte. Diese stand mit vollgepacktem Koffer an der Straße. Die ganze Familie stand mit dabei, um sie zu verabschieden.

      «Und, bist du bereit?», fragte Linnea aufgeregt und hievte ihren Koffer ins Auto.

      «Ich schon, und du?», grinste Saga und umarmte ihre blonde schwedische Freundin.

      «Wie wäre es mal, wenn du dich von uns verabschiedest? Bevor ihr in eure eigene Welt eintaucht und mit den Gedanken schon in Deutschland seid!», sagte Per, der Vater von Linnea.

      «Ja, Papa!», erwiderte diese genervt und umarmte erst ihre Mutter.

      «Grüß mir deinen Onkel!», sagte diese und erwiderte die Umarmung: «Und viel Spaß in Bayern!»

      «Trinkt vor allem nicht so viel Bier!», mahnte Sven grinsend. Der dreiundzwanzigjährige Bruder von Linnea war bereits in Deutschland gewesen. Für ihn war dieses Land vor allem das Land der Biertrinker. Was in Deutschland ein Nationalgetränk war und in Bayern sogar von vielen als Grundnahrungsmittel angesehen wurde, war in Schweden ein eher teures Vergnügen.

      «Ich trink kein Bier!», sagte Linnea und schüttelte den Kopf, als hätte er gesagt, sie solle Wurstwasser trinken.

      «Und schaut euch ein Spiel des FC Bayern an!», meinte ihr Vater.

      «Du sprichst von Fußball?», fragte Saga entsetzt: «Oh Gott, nein danke!»

      «Dann auf geht´s zu den Schneehühnern!», jubelte Linnea und stieg ins Auto ein. Der Name der nördlichsten schwedischen Stadt Kiruna kam vom nordsamischen Wort «giron», das so viel wie «Schneehuhn» bedeutet und auch das Wappen dieser Stadt ziert. Viele bezeichneten die Kirunaner deshalb gerne als die «Schneehühner».

      Von Kiruna flog die schwedische Airline in gut eineinhalb Stunden nach Stockholm und von dort ging es etwas mehr als zwei Stunden weiter Richtung München.

      «Denkt bitte daran, dass es in München abends dunkel wird!», sagte Elvira.

      «Oh!», meinte Saga: «Habe ich ja ganz vergessen. Dort gibt es ja keine Mitternachtssonne.»

      «Nein! Es wird, denke ich mal, so um 10 Uhr abends dunkel und das bleibt es auch bis fünf Uhr morgens. Zumindest jetzt im Sommer.»

      «Ja, wissen wir!», sagte Saga. Allerdings musste sie zugeben, dass sie daran gar nicht mehr gedacht hatte. Sie war es einfach nicht anders gewohnt, als dass im Sommer hier oberhalb des Polarkreises 50 Tage lang die Sonne überhaupt nicht unterging. Und sie im Winter dafür viele Tage lang erst gar nicht aufging.

      «Wir sind da!», meinte Elvira: «Ich muss gleich weiter. Das haben wir ja besprochen. Ich kann euch leider nicht zum Check-in-Schalter begleiten. Ihr bekommt das hin?»

      «Klar!», sagte Saga.

      «Logo!», meinte auch Linnea: «Und danke fürs Fahren!»

      «Keine Ursache. Euch viel Spaß!»

      Saga ging mit schnellen Schritten zum Eingang des Flughafens.

      «Was rennst du denn so? Wir sind doch pünktlich ...»

      «Ja, schon. Aber ich kann´s halt nicht erwarten!», sagte Saga: «Es ist immerhin mein erster Flug überhaupt!»

      «Das Flugzeug hebt nicht früher ab, nur weil du dich so abhetzt!», maulte Linnea und schleppte recht mühsam den Koffer mit sich. Anders als ihre Freundin, hatte sie das noch nicht ganz so raus mit den Rollen am Koffer.

      Saga drehte sich um und lachte: «Du musst den Koffer andersherum ziehen!»

      Eine Stunde später saßen die beiden Freundinnen im Flugzeug auf dem Weg nach Stockholm.

      «Was ist eigentlich mit Typen?», fragte Linnea.

      «Was meinst du?»

      «Na ja, wenn wir welche kennenlernen. Ist es okay, wenn dann was läuft?»

      «Glaubst du, ich würde es dir verbieten?», lachte Saga: «Aber mal ernst. Willst du wirklich deine Unschuld in Deutschland verlieren?»

      «Warum nicht?», meinte Linnea: «Wäre doch cool, wenn wir beide als Frauen zurückkommen.

      «Als Frauen!?», grinste Saga spöttisch: «Oh Mann!»