Stefan Hoffmann

Die Pastorin und der Punk


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dem Turmbau zu Babel, als Gott den Menschen die Sprache verwirrte. Meiner Meinung nach ist der Chatroom ein Ort, wo sich zerstreute Menschen Gleichgesinnte aus aller Welt treffen können.

      Eine tolle Sache ist jedoch die E-Mail. Ich bin total begeistert von dieser Möglichkeit der Kommunikation. Teilweise weiß man zwar nicht genau, wem man da oder wer einem da eine Mail zuschickt, aber das ist ja auch gerade der Reiz. Extra für partnersuchende Singles gibt es die Dating-Cafés im World Wide Web, dem Internet, so eine Art moderne Partner-Vermittlungsagentur.

      Die Erfolgsquote für eine spätere Heirat halte ich auch bei Bekanntschaften im Net für recht gering. Meistens sieht es dann so aus, dass jemand aus Süddeutschland jemand anderen aus Norddeutschland kennenlernt und man sich nach interessantem, vielversprechenden Gedankenaustausch treffen möchte, obwohl man gar nicht weiß, wie der andere genau aussieht. Der Partner fürs Leben scheint gefunden zu sein. Man schickt zwar dem anderen ein Foto mit einem netten Gesicht drauf, aber dass das jedoch vor über 20 Jahren aufgenommen worden ist, gibt man nicht preis. Zudem werden die 33 Kilo Übergewicht verschwiegen, die man sich vor lauter Singlefrust in den letzten Jahren so angefuttert hat.

      Man möchte sich unbedingt in der realen Welt treffen, die Neugier ist groß. Also wird im Internet nach Billigflügen gesucht. Falls die aber alle ausgebucht sind, scheut man keine finanziellen Mittel und bucht Lufthansa. Ein anständiges deutsches Unternehmen, wo schon alleine das delikate Bordessen den Flugpreis wert ist. Oft ist es mal wieder der Mann, welcher sich dann in einen Jet setzt. Die hübschen Stewardessen verleiten den Mann zu erotischen Fantasien, hofft er doch innigst, seine neue Entdeckung möge doch so ein attraktives Äußeres aufweisen. Um der Spannung Abbruch zu tun – meistens ist es nicht so. Gerade wenn einer wie ich die vierzig passiert hat und die Unheil bringende Midlife-Crisis naht, ist es doch eher so, dass man beginnt, für ein gefährliches Motorrad zu sparen; man tingelt wieder durch dröhnende Discos. Wenn es bis zur vollständigen Verkalkung nicht mehr lang dauern kann, dann sollte man nicht annehmen, dass sich noch exzellente Ware auf dem Markt befindet. Das ist ungefähr so, als würde man meinen, in einem Kaufhaus im Wühlkasten ein Kleidungsstück von Karl Lagerfeld zu finden. Designerware gefällt nicht nur optisch, besticht auch durch den hohen Preis. Da kommt man nicht so billig dran, erst recht nicht beim Resteverkauf. Aber ich schweife wieder ab ...

      Während des Fluges träumt er davon, eine Stewardess auf der Bordtoilette zu vernaschen, wobei jedes durch ein Luftloch verursachte Absacken des Fliegers zu einer Intensivierung der Lustgefühle während des Aktes führt. Wenn durch Klatschen der Passagiere angedeutet wird, dass der Flieger glücklich gelandet ist und dann der vor Spannung und Geilheit strotzende Mann letztendlich seiner Bekanntschaft in der Ankunftshalle gegenübersteht, ja dann ...

      Wenn er dann plötzlich böse Anzeichen eines Magendurchbruches diagnostizieren kann, stellt sich ihm unweigerlich die Frage: Ist das jetzt der Lohn für die weite Anreise? Wird das einem wenigstens mit einer Nummer gedankt? Würde Sex alles korrigieren? Kann man überhaupt noch korrigieren? Wenn ja, wie? Oder wäre es schier unmöglich, dieser Farce etwas Positives abzugewinnen? Wie gesagt, ich nutze sehr viel die Mailpost als Kommunikationsmittel. So brauche ich eben nicht sofort mein Äußeres preisgeben, das leider nicht den Schönheitsidealen eines Mannes entspricht, von denen die meisten Frauen nachts träumen. Es sei denn, die Damen stehen auf ein wenig auf Horror ...

      Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich eines Tages doch noch den Partner fürs Leben finden werde – ob im Internet oder wo auch immer. Mein bester Freund lässt immer den nicht unklugen Spruch los: Im Leben passieren dir manchmal die dollsten Dinger und man lernt neue Leute kennen, da kommst du gar nicht drauf!

      Noch mal was zu den Internetkontakten. Ich bin der Meinung, man sollte schon bei der Wahrheit bleiben, wenn eine Mailbekanntschaft wissen will, ob die Haare lang oder kurz sind. Oder die Nase. Halt wie man so aussieht. Einfach ehrlich antworten, denn alles kommt ja doch irgendwann ans Licht – wird enthüllt. Das griechische Wort für Enthüllung heißt übrigens Apokalypse. Fälschlicherweise übersetzt man heute häufig das Wort Apokalypse mit Weltuntergang. Dieser wird ja auch im letzten Buch der Bibel, der Johannesoffenbarung, mit Bildern, Symbolen und allegorischen Szenen beschrieben. Aber hey Leute, ich will euch keine Angst einjagen, denn glücklicherweise erschafft Gott eine neue Erde. Gott hält – im Gegensatz zu den meisten Menschen, insbesondere Politikern – das, was er verspricht. Überdies ist Gott nicht bestechlich – im Gegensatz zu den meisten Menschen, insbesondere ...

      Diese neue Erde wird bevölkert von allen, die im Buch des Lebens eingetragen sind. Mehr zum Thema sollte euch eigentlich der örtliche Pfarrer sagen können. Den müsstet ihr darauf mal mutig ansprechen. Wie gesagt, ich habe mal versucht, mit der Pastorin per Mail in Kontakt zu kommen. Was daraus geworden ist? Tja, lest selbst ...

      Blind Dates

      Um nochmals die Gefahr von Blind Dates zu verdeutlichen, erzähle ich nun folgende heikle Story, die meine Lebensgeschichte vorweisen kann. Durch eine Antwort auf eine Kontaktanzeige in einer Tageszeitung meldete sich ein Käfer. Eine weiblicher Käfer mit Namen Wilma. Wir telefonierten eine Weile und amüsierten uns prächtig. Während des Gespräches verstärkte sich mir der Eindruck aufgrund zweideutiger Bemerkungen, die sie so vom Stapel ließ, dass die liebe Wilma nicht in der Lage ist, den Wunsch auf sexuelle Befriedigung richtig zu artikulieren. Zum Glück gab sie mir ihre Telefonnummer und ich bekam im Computer ihre Adresse heraus. Wie wäre es mit einem Überraschungsbesuch? Dachte ich mir.

      Die Geisterstunde rückte zwar näher, aber egal. Also organisierte ich, Kavalier alter Schule, mir einen hübschen Blumenstrauß. Das kommt immer gut an! Dachte ich mir. Aber woher nehmen um diese Uhrzeit? Ich schlich mich also in die elterliche Wohnung, da ich ganz genau wusste, dass sich dort noch ein Strauß befand, weil Muttertag erst vor zwei Tagen gewesen war.

      Die Blumen geklaut setzte ich mich in meinen frisierten Fiat Panda, brachte die Tachonadel gewaltig zum Zittern, überholte auf der Autobahn einen Alfa Romeo bei Tempolimit 50 mit Tempo 130 auf der rechten Spur und gelangte schließlich sicher zu Wilmas Wohnung. Und so klopfte ich kurz nach Mitternacht an ihre Wohnungstür. Dieses riskante Manöver könnte der Anfang einer vielversprechenden Aktion sein, die am Schluss mit einem Nümmerchen belohnt werden könnte. Ich spielte in Gedanken Pornopoly. Gehe mit ihr ins Bett. Begib dich direkt dorthin. Leg sofort mit dem Bumsen los. Ziehe keinen Pariser über. Dachte ich mir. Wer nichts riskiert, kann auch nichts gewinnen. Welch fataler Fehler, der mit nichts zu vergleichen wäre, es sei denn, man hätte den im Gletschereis gefundenen Ötzi damals auf die Sonnenbank zum Auftauen platziert. Am Telefon hörte sich ihre Stimme gut an. Hübsches Stimmchen bedeutet aber noch lange nichts. Vorsicht, bei Frauen mit solchen Eigenschaften ist meistens etwas faul. Als sie mir die Tür öffnete, diagnostizierte ich sofort ihre astrologische Zugehörigkeit. Sternzeichen: Nilpferd. Aszendent: Mops.

      Meine schlimmsten Befürchtungen gingen also in Erfüllung. Hier befanden sich Optik und Akustik nicht im Einklang. Wilma die Wuchtige, war, wie der Name schon andeutet, halt eine etwas in die Jahre gekommene zweieinhalb Zentner schwere promovierte Fleischfachverkäuferin. Vollschlanke Akademikerin in den besten Jahren, stand da übrigens in der Anzeige. Mit so einer Reizüberflutung an unerotischen Accessoires war ich noch nie konfrontiert worden. Dass ich in diese Situation gekommen bin, hat wahrscheinlich etwas mit meinen karmischen Schulden zu tun. Badelatschen, Trainingshose, weiße Tennissocken. So was kannte ich eigentlich nur von mir. Diese Aufmache einer Frau sollte übrigens mal in die Genfer Konvention aufgenommen und verboten werden. Auch nützte es recht wenig, als das dicke Luder begann, sich auf dem Sofa verlockend zu rekeln und zu rollen. Auf mich wirkte dies jedoch nicht besonders einladend. Auch noch ein Rollmops!

      Da sprang absolut kein Funken der Begeisterung für ein kleines Abenteuer bei mir über. Wie viel Bier muss jemand wie ich eigentlich trinken, damit da eine sexuelle Inspiration in Gange kommt? Schnell raus hier! Um aus ihren Fängen zu entkommen, verließ ich unter einem Vorwand hektisch ihre Wohnung. Die floristische Kavaliersgeste nahm ich wieder mit und brachte sie am nächsten Tag wieder zurück nach Muttern in die Blumenvase, da wo sie hingehörte. Aber diese Aktion interessiert ja jetzt niemanden mehr. Dachte ich mir.