Arik Steen

Hunting Prey


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      Für einen Moment lang entschied die Inderin die Flasche nicht anzufassen. Doch sie hatte tatsächlich Durst und so trank sie schließlich doch ...

      Vielleicht gelingt mir die Flucht, ... dann ist es gut nicht plötzlich an Wassermangel zu leiden ...

      Olga stand auf und setzte sich provokativ neben Shiva: «Erzähl mal, woher kommst du?»

      «Aus Indien!», meinte Shiva und versuchte ihre Stimme selbstsicher und stolz klingen zu lassen. Aber es gelang ihr nicht ganz.

      «Aus Indien?», fragte Olga: «Ich hatte noch nie eine indische Frau. Bist du lesbisch?»

      «Lesbisch?»

      «Ja, lesbisch. Stehst du auf Titten und Muschis?»

      «N ... nein!», stotterte die Inderin.

      «Also auf Schwänze?»

      Shiva versuchte der Frage auszuweichen: «Warum haltet ihr mich gefangen?»

      «Gegenfrage: Warum nicht?»

      «Ich habe euch nichts getan ...»

      «Ach herrje, Schätzchen. Das ist das Recht des Stärkeren. Ich dominiere nun mal gerne andere Menschen. So einfach ist das!»

      «Aber ... ihr seid doch hier auf dieser Insel ... wegen diesem Spiel?»

      «Wegen der Kohle?», fragte Olga: «Ja, wegen den Moneten sind wir hier. Und die bekommt man bei dem Spiel. Ich habe allerdings nicht vor mich fangen zu lassen ...»

      «Tatsächlich!», meinte Shiva und es klang spöttischer, als sie es gewollt hatte.

      «Ja, tatsächlich. Vielleicht drehen wir den Spieß um und fangen einen der Jäger ...»

      « ... und den ficken wir dann in den Arsch!», lachte die brünette Irina. Sie hatte bisher kaum etwas gesagt. Umso derber klangen ihre Worte nun.

      «Du musst das verstehen!», meinte Olga: «Es geht ums Überleben. Überall auf der Welt geht es nur darum. Und um Macht ... Warum bist du hier?»

      «Keine Ahnung, weil ich ...»

      «Weil du scharf auf die Kohle bist, oder?», lachte Olga: «Herrje. Und deshalb lässt du dich fangen und ficken. Du weißt schon, dass du auch Kohle bekommst, wenn du den Spieß umdrehst? Wenn du dich nicht fangen lässt ... du bekommst sogar mehr.»

      «Ich weiß nicht ...», meinte Shiva unsicher.

      Olga stand auf. Sie grinste und schüttelte mitleidig den Kopf. Dann setzte sie sich wieder zu den anderen beiden.

      Malea Beach

      Florian hatte eine Weile gebraucht, bis er sich zurechtgefunden hatte. Es war gar nicht so einfach mit dem Quad einen Weg durch den Wald zu finden. Zwar hatte man eindeutig ein paar Wege angelegt, so richtig zielführend schienen diese aber nicht zu sein. Er war viel zu weit östlich gefahren und stand mit dem Quad an einer Hütte bei der Buch Malea Bay. Den Rest wollte er zu Fuß gehen.

      Er packte in den Rucksack, der sich hinten in der Box des Fahrzeuges befand, einige Ausrüstungsgegenstände, die dort ebenfalls aufbewahrt wurden. Ein Fernglas, ein paar Seile, Fesseln, Karabiner und Erdnägel. Letztere legte er für einen Moment wieder zurück, entschied sich aber dann doch dafür sie mitzunehmen. Vielleicht konnte er sie brauchen. Zuletzt schulterte er das Betäubungsgewehr und ging los ...

      Die Sonne brannte unbarmherzig auf den heißen Strand. Florian entschied nahe den Bäumen am Wald entlang zu gehen. Erstens war der Boden da deutlich fester und zweitens spendeten die Bäume ein wenig Schatten.

      Der Strand entlang des Malea Bay war riesig. Gut 400 Meter war die Bucht breit. Eigentlich eigenartig. Dieser Traumstand war perfekt geeignet um mit einem Cocktail da zu sitzen, sich zu sonnen und zu träumen. Die ganzen überfüllten Strände auf der Welt, auf denen Menschen wie Ölsardinen nebeneinanderlagen, grunzend sich drehten, mit Öl einrieben, Beachvolleyball spielten ... hier war die Natur noch in Ordnung. Hier war der Strand ein Traum. Hier war keine Menschenseele.

      Gut zwanzig Minuten war er unterwegs als er in der Ferne zwei Schatten sah. Er nahm rasch das Fernglas - es waren Zuri und Mariá.

      Höhle der Amazonen

      Shiva war froh, dass sich Olga nicht mehr mit ihr beschäftigte. Die Russin ließ sie einfach in der Ecke sitzen. Aber Shiva wusste auch, dass sich das schlagartig ändern konnte. Was auch immer die Anführerin der Amazonen vorhatte, es war nicht gut.

      Shiva schaute sich um. Die Höhle war nicht allzu groß. Vielleicht zehn Meter breit und fünf Meter schmal. Es war kühl hier unten im Berg. In Anbetracht, dass es draußen einige Grad wärmer war, natürlich ärgerlich. Für ein paar Minuten war es sicherlich angenehm sich hier abzukühlen. Aber länger hier in der Höhle zu verbringen, vor allem nackt, das war dumm.

      Sollte sie fliehen?

      Wieder kamen die Gedanken hoch. Sie entschied jedoch abzuwarten. Irgendwann würden die Russinnen schlafen oder sonst irgendwie sich eine Gelegenheit bieten.

      Shiva war klar: Olga war gefährlich. Sie musste auf der Hut sein.

      Malea Beach

      Gut dreißig Minuten waren Mariá und Zuri im Zickzack durch den Wald gegangen. Ihr Ziel war es gewesen weg vom Strand zu kommen und irgendwie in der Mitte der Insel eine Möglichkeit zu finden sich zu verstecken.

      Zuri hatte vollkommen die Orientierung verloren. Die beiden waren vom Golden Beach in den Silver Forrest gegangen. Da dieser Wald zwischen dem Golden Bay und dem Malea Bay wie eine Art Landzunge ins Meer ragte, kamen sie genau dort heraus, wo Zuri am Tag zuvor ausgesetzt worden war. Aber das registrierte sie nicht.

      «Verdammt, wir sind wieder am Strand!», fluchte Maria. Sie schaute sich um.

      Sind wir im Kreis gegangen?

      Nein, es war eine andere Bucht. Zu dumm, dass sie sich mit der Afrikanerin nicht unterhalten konnte. Dass sie keine gemeinsamen Entscheidungen treffen konnten ...

      «Wir gehen am Besten wieder in den Wald!», meinte Mariá ein wenig verzweifelt. Sie wollte weg vom Strand, um sich irgendwo im Landesinneren zu verstecken.

      Oder um ...

      ... ach, sie wusste es ja auch nicht.

      War es klug weg von der Hütte zu gehen? Immerhin gab es dort Nahrung. Und ob sie den Weg zurück durch den Wald finden würden, bezweifelte die blonde Chilenin.

      «Gaawal dellusi! Gaawal dellusi!», schrie Zuri laut: «Komm schnell zurück!»

      Mariá schaute sich erschrocken um. Sie wusste nicht, was die Afrikanerin meinte. Verstand nicht ihre Worte. Aber sie kapierte sofort, dass etwas nicht stimmte.

      Der Jäger?

      Sie sah wie Zuri rannte.

      Mariás Gehirn schaltete schnell. Synapsen rasten auf den Bahnen durch die Gehirnwindungen und sendete Signale auf den Nervenbahnen durch den Körper. Das Adrenalin schoss durch den schlanken Leib und bereitete diesen instinktiv für die Flucht vor. Die Nieren arbeiteten auf Hochtouren, schütteten Adrenalin aus. Der Blutdruck und der Puls stiegen, sodass sich das Adrenalin schneller und besser im ganzen Körper verteilen konnte. Ihre Muskeln spannten sich ...

      Und dann rannte sie ...

      Nackt, wie sie war ...

      Ein Meter, zwei Meter, fünf, sieben ... weit kam sie nicht. Nach nur zehn Metern spürte sie einen schmerzhaften Stich an ihrem Po.

      Oh Gott, was ist das?

      Wie eine Nadel, die direkt ins Fleisch stieß. Panik erfüllte die junge Frau. Sie strauchelte. Langsam machte sich ein warmes und lähmendes Gefühl in ihrem Hintern breit... ihr wurde schwarz vor Augen.

      Was hatte ihr Vater immer scherzhaft gesagt?

      Wenn dir schwarz vor Augen wird, dann bist du eingeschlafen oder schlimmer noch: tot.

      Hoffentlich nicht