Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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überhaupt nicht geeignet. Im Hintergrund gruppieren sich kastenförmige Hotels, Erholungsheime, Pensionen, Jugendferienhäuser, Campingplätze sowie unendlich viele Sommerhäuschen.

      Langsam ließen wir uns treiben, bis wir am Südrand des kleinen Örtchens

      - Zanardi -

      eine lang gestreckte Mole mit weitem Blick auf den See und die gegenüberliegende Halbinsel Tihany als geeigneten Stehplatz für die Nacht auserkoren. Sehr erfreulich auch die einladende Csárda in unmittelbarer Nähe, in der wir zu abendlicher Stunde wieder ausgiebig die ungarische Küche genossen, ganz besonders köstlich der mit Pilzen, Tomaten und Zwiebeln in Weißwein gedünstete Fogas, ein Zander aus dem Balaton. Dazu mussten wir natürlich unbedingt den feinblumigen Riesling probieren, der fast ausschließlich am Südufer angebaut wird. Ein temperamentvoll fidelndes Quartett sorgte für die so typische musikalische Untermalung.

      Da der Sonntag sich wieder von seiner besten Sonnenseite zeigte, beschlossen wir noch einmal einen Faulenzertag am Ufer einzulegen. Das erwies sich jedoch als äußerst schwierig, überall die gleiche drangvolle Enge. Im nahen

      - Siófok -

      dem lebhaftesten Badeort, bekam man überhaupt kein Bein an die Erde. Hier wurde übrigens Emmerich Kálmán geboren, der die Csárdásfürstin, Gräfin Mariza und einige andere schmissige Operetten komponierte. Ein sehr schönes Restaurant in Seelage mit großem Garten, das seinen Namen trägt, fassten wir auf alle Fälle schon einmal für unser nächstes Abendessen ins Auge. Auf der weiteren Suche nach einem halbwegs leeren Stückchen Strand ließen wir also den überlaufenen Ort hinter uns und mussten noch einige Kilometer fahren, bevor wir unmittelbar am Ostufer auf einem naturbelassenen Platz unter schattigen Bäumen endlich unser Plätzchen entdeckten, wo wir in aller Ruhe noch einmal Sonne und See genießen konnten.

      Rechtzeitig zum Dinner kehrten wir fein gemacht nach Siófok zurück, wo wir im Garten des bereits auserkorenen Restaurants auch tatsächlich noch einen der hübsch eingedeckten Tische ergatterten. Für unser Abschiedsessen folgten wir gern dem Menüvorschlag des Kochs, was wir auch nicht zu bereuen brauchten. Der Wein, der den Genuss noch erhöhte, war dieses Mal kräftig und goldfarben und stammte vom Badacsony-Anbaugebiet. Natürlich durfte auch die übliche Life-Musik nicht fehlen, hier waren es drei schwarz gelockte junge Künstler, die ihren Geigen feurige Zigeunerweisen entlockten. Das Programm wurde noch erweitert durch eine Folklore-Tanzgruppe, die in ihren hübschen bunten Trachten sehr temperamentvoll den Csárdás, den ungarischen Nationaltanz im 2/4-Takt, vorführte. Ein durchweg gelungener Abend! Zum Schlafen kehrten wir an unseren schon erprobten Tagesplatz zurück, wo wir allein und völlig ungestört in den nächsten Tag hineinträumten.

      Wieder strahlte die Sonne vom wolkenlosen Himmel, als wir dem Balaton endgültig Adieu sagten. Dann ging es quer durch das sehr hügelige Bakonygebirge mit seinen bunten Laubwäldern, karstigen Höhen, malerischen Schluchten und munter plätschernden Wasserläufen. Über zeitvergessene Dörfer mit uralten Kirchen erreichten wir schließlich die Hauptstadt dieses Gebirges, das auf fünf mächtigen Dolomithügeln sehr malerisch erbaute Veszprém (Weißbrunn), im Mittelalter eine der bedeutendsten Städte Ungarns, auch Stadt der Königinnen genannt, denn nur die Bischöfe des ansässigen Bistums hatten die Erlaubnis, die ungarischen Königinnen zu krönen.

      Die Straßen sind zum Teil wie Achterbahnen, im historischen Stadtkern scheinen die alten Häuser aus den Felsen zu wachsen. Von einem benachbarten Hügel aus konnten wir wenigstens einen kleinen Blick auf das Burgviertel werfen, das auf einem 500 m langen Bergsporn thront und im Mittelalter Domizil der kirchlichen und weltlichen Aristokratie war. Es wurde wie eine Festung geschützt, Teile der mächtigen Mauern sind noch zu erkennen. Die Dächer des Viertels werden überragt von den Doppeltürmen des Sankt-Michael-Doms, 1001 als romanische Basilika errichtet, in den Türkenkriegen zerstört, erst im 18. Jh. zum Teil in spätbarockem Stil wiederaufgebaut; daneben der hohe spitze Turm der heutigen Pfarrkirche St. Stephan (ehemalige Franziskaner-Kirche) und der etwas niedrigere so genannte Feuerturm, damals als Wachturm erbaut, in den Türkenkriegen zu Verteidigungszwecken dienend und heute mit seiner rund umlaufenden Plattform ein idealer Aussichtsturm.

      Natürlich drängen sich auf dem schmalen Felsrücken noch eine ganze Anzahl weiterer Sehenswürdigkeiten, wie z.B. das Erzbischöfliche Palais aus dem 18. Jh. und in direkter Nachbarschaft das einzige Überbleibsel aus der mittelalterlichen Residenzzeit der Königinnen, die frühgotische Gisela-Kapelle, erbaut um 1230, rund 170 Jahre nach dem Tod von Königin Gisela, der Ehefrau von Stephan I., die Tochter eines bayerischen Herzogs.

      Da fast das ganze Areal autofreie Zone ist, kam eine nähere Besichtigung für uns leider nicht in Frage, also ließen wir schon bald das Bakonygebirge hinter uns, auf einsamen Nebenstrecken genossen wir die Fahrt durch saftig grüne Wiesen mit friedlich nebeneinander grasenden Kühen und Schafen oder sich mit wehenden Mähnen übermütig jagenden rassigen Pferden. Auf den Feldern war die Getreideernte in vollem Gange, ein friedliches Bild; die blitzsauberen Dörfer, jedes für sich ein Schmuckstück. In Sopron, einem der altertümlichsten ungarischen Städtchen, mit ca. 240 unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden und seinem fast vollständig erhaltenen mittelalterlichen Kern wie ein Freilichtmuseum wirkend, verabschiedeten wir uns mit einer kurzen Stadtrundfahrt vom wunderschönen Ungarn, bevor wir nach wenigen Kilometern ohne Aufenthalt die Grenze nach

      - ÖSTERREICH -

      passierten.

      Nur noch fünfzig Kilometer trennten uns von Wien, eine der historisch reichsten und schönsten Hauptstädte Europas, direkt an der Donau gelegen. Obwohl wir sie auf einer viertägigen Städtereise mit der Deutschen Bundesbahn 30 Jahre zuvor schon ausgiebig kennen gelernt hatten, ließen wir es uns nicht nehmen, noch einmal per Mobi die Erinnerung aufzufrischen.

      Zunächst war es der mächtige Stephansdom im Zentrum Wiens, der uns magisch anzog; das Wahrzeichen Wiens zählt zu den bedeutendsten gotischen Kirchenbauten. Er entstand zwischen 1300 und 1511 unter Verwendung von Bauteilen einer romanischen Vorgängerkirche aus dem 13. Jh., wovon die zwei, das steile Dach kaum überragenden romanischen Heidentürme zu beiden Seiten des westlichen Portals Zeugnis ablegen. Der 1722 zur erzbischöflichen Kathedralkirche erhobene Dom sollte zwei zusätzliche 136 m hohe Türme erhalten, wovon jedoch nur der südliche, von den Wienern liebevoll Steffl genannt, fertig gestellt wurde; auffallend das hoch aufragende, mit 230.000 farbig glasierten Ziegeln mosaikartig gedeckte Dach.

      Da wir das pompöse Innere des Doms und seine Kunstschätze schon bei unserem ersten Besuch bewundert hatten und mit unserem Gefährt sowieso keinen Parkplatz fanden, scherten wir schon bald auf die stark befahrene Ringstraße ein, Wiens 4 km langen und 57 m breiten Prachtboulevard, der zusammen mit dem Donaukanal den zentralen I. Bezirk umschließt. Hier drängen sich in großer Zahl die repräsentativen Monumentalbauten aneinander. Dank möglichem Fotostopp konnte ich wenigstens einige aufs Bild bannen. Der älteste Prachtbau an der Ringstraße ist die 1869 eröffnete Staatsoper, zusammen mit der Met in New York und der Scala in Mailand zählt sie zu den drei führenden Opernhäusern der Welt. Ein beeindruckendes Fotomotiv das neugotische Rathaus und nicht minder das gegenüberliegende Burgtheater, von den Wienern nur Die Burg genannt, mit seiner halbkreisförmigen Eingangsfront, das 1776 zum Hof- und Nationaltheater erhoben wurde. Der repräsentative neoklassizistische Bau des Parlaments (1873-83) ist heute Sitz der beiden Kammern der Legislative, während der österreichische Bundespräsident innerhalb der Hofburg am an den Ring angrenzenden Heldenplatz residiert, auf dem je ein Reiterdenkmal