Dr. Phil. Monika Eichenauer

Für ein Leben unter den Flügeln der Seele - Die heillose Kultur - Band 1


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und lebensnotwendigsten Lebens-, Beziehungs- und Arbeitsstrukturen, die in unserer Gegenwart immer noch abgewertet, gesellschaftlich weder gewürdigt noch bezahlt werden und wofür generelle Anerkennung fehlt. Es ist die tägliche Arbeit von Frauen und Müttern. Jahrelang ist Anerkennung und Unterstützung verweigert worden.

      In der Gegenwart wird so getan, als ginge es um das Leben jedes einzelnen Menschen und man wüsste, was man ihm antut und man initiiere diese milliardenschweren Hilfsmaßnahmen für Banken und Wirtschaft nur, damit es den vielen Menschen im Volk wohlergehe. Viele Beispiele belegen das Gegenteil. In unserer kapitalistischen Kultur wurde ausschließlich ein Wert immer und unter allen Umständen an die erste Stelle gesetzt: Mehrwert. Insofern fällt der Kontrast nun besonders auf, wenn ich den Selbstwert aufgreife und ihn herausstelle. Es würde befremden, wenn im Vorsatz nun etwas anderes als „Selbstwert“ stünde. Denn es ist der Selbstwert des Menschen, der durch die Mehrwertorientierung völlig abgebaut wird.

      In meinem Beruf unterstütze ich tagtäglich Menschen, die psychisch zu zerbrechen drohen. Die Seele ist bedroht und dies zeigt sich gleichfalls tagtäglich in zig Hiobsbotschaften völlig unterschiedlicher Art. Menschen werden durch Entwicklungen im Kapitalismus in ihrer Beziehungsgestaltung maßgeblich geprägt. Die im Wettbewerb durch Manager angewandten Methoden schlagen zunehmend auf jeden einzelnen Menschen in zig Varianten im Alltag durch, die zunehmend als Möglichkeit, wie mit Menschen umgegangen wird, Umsetzung in allen gesellschaftlichen Schichten erfahren. Diese Atmosphäre aufzuzeigen, ist mein Anliegen.

      Es werden die das Leben in Deutschland bestimmenden Werte aufgegriffen. Die Welt ist so komplex geworden, dass man den Wald vor Bäumen manchmal nicht mehr sieht. Deshalb lohnt es sich, diese Grundwerte unserer Gesellschaft, die über alles entscheiden, zu reflektieren: Die kapitalistische Wirtschaftsstruktur, Descartessches Wissenschaftsparadigma und die Beziehung von Mann und Frau. Wir alle tragen diese Werte mit und lassen sie leben.

      Die alles bestimmenden Werte sind zeitgleich in den Attributen Reichtum und Mannsein zu finden. Alles andere ist nachgeordnet. Mehrwert und Selbstwert folgen einer sich gegenseitig ausschließenden Dynamik, die vom Mehrwert festgelegt wird. Das kapitalistische System steuert, wer Selbstwertbestätigung bekommt und wer nicht, und zusätzlich, was als solche gilt! Hier zeigen sich künstliche den Selbstwert hebende Bestätigungen, die nicht mit dem Menschsein an sich zu tun haben, sondern mit der Möglichkeit, sich Gegenstände zu beschaffen, zu besitzen und zu präsentieren. In diesem Zusammenhang wird in aller Kürze Karl Marx in wichtigen Aussagen bezüglich des Gattungswesens Mensch zitiert. Gezeigt wird, dass der Selbstwert in sich noch einmal zu differenzieren ist, nämlich in männlich und weiblich. Mit dieser geschlechtlichen Einteilung ist nochmals ein Wertesystem verbunden, das unser Leben nachhaltig prägt. Das Weibliche schneidet im Vergleich mit dem Männlichen nach wie vor schlecht ab, weil es auf einen Männlichkeitsstandard bezogen wird – Frauen zeigen, dass sie auch so gut sind, wie Männer. Aber das Besondere am Frausein geht dabei verloren.

      Die aktuellen Vorgänge werden zu den tragenden Säulen unseres Lebens, nämlich zu Kapitalismus, zu Cartesianischem Paradigma und zu dem Geschlechterverhältnis in Beziehung gesetzt. Daraus ergeben sich einseitige Bevorzugungen von Werten, die dieses System stabilisieren, Menschen letztendlich jedoch labilisieren und die Natur wie auch das Leben nebenbei zerstören.

      Auf die Bevorzugung eines Attributes ist zur Erläuterung bereits jetzt kurz einzugehen: Es teilt die Menschheit wiederum neben den Kategorien Oben und Unten in zwei weitere, die von Mann und Frau ein, die auf der Werteleiter weitere Ungerechtigkeiten und daraus sich ergebende ökonomische Vorteile stabilisieren. Der Wertespitzenreiter vereinigt beide favorisierten Merkmale auf sich: Mann und reich. Eine biologische Differenz wertet Eigenschaften des Geschlechts der Männer auf, und das der Frauen ab. Neben der Abwertung von Gefühl und Frau ist zusätzlich die politische Funktion dieser Abwertung eine Vorrausetzung zur Systemstabilisierung von Kapital und Politik, die sich bis heute erhalten hat: Einerseits garantiert die Manipulation von Gefühlen wirtschaftliche Gewinne. Andererseits gestattet die gleichzeitige Abwertung von Frauen politische Macht und Benutzung der ihnen als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu Männern zugeschriebenen Gefühle, die Erschaffung einer politisch-ökonomischen Realität, die dem Menschen Unten zusätzlich zum Nachteil gereicht. Beispiel: Reagieren Männer ohne Besitz und Kapital emotional, werden sie gleich als zusätzlich nicht ernst zu nehmen einsortiert. Zusätzlich deshalb, weil sie schon nicht über Kapital und damit Macht verfügen.

      Die Abwertung des einen Geschlechts wird zu generellen Erfolgen und Vorteilen des anderen umgemünzt. Der zwiespältige Umgang mit Gefühlen und Frauen wertet beide ab. Damit können Männer sie für ökonomische und politische Zwecke nutzen.

      Aus dieser gesellschaftlichen Praxis leiten sich generell entsprechende Bewertungen für psychosoziale Berufe einerseits, und andererseits spezifisch die Einordnung der bewusst klein gehaltenen Berufsgruppe der Psychologischen Psychotherapeuten ab. Die wenigen zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten können dem wachsenden Bedarf von psychoökonomischen und sozialen Folgen durch kapitalistische Ökonomie und den sich daraus für Patienten und generell Menschen ergebenden Problemen, die zusätzlich qua mangelhafter Versorgungsstruktur in Deutschland gesteigert werden, nicht gerecht werden. Aber sie tun ihr Bestes. Trotz jahrelanger Unterfinanzierung.

      Erkenntnisse aus Diplom-Psychologie, Psychotherapie und generell psychotherapeutischen Methoden werden in wirtschaftlichen Bereichen für fremde Zwecke und Ziele genutzt, die oftmals gegen statt für Menschen eingesetzt werden.

      In dem vorliegenden Buch wird sowohl die existenziell sichernde Funktion von Gefühl und Intuition, als auch die Bedeutung von Vergangenheit und Bewusstsein über Menschheits- und individuelle Menschentwicklung betont. In Gefühl und Intuition spiegeln sich in Sekundenschnelle wichtige Überlebensinformationen für Menschen ebenso wie wirtschaftliche Verhältnisse und Beziehungsgestaltungen. Gespiegelt wird in nuce der Grundkonflikt der unversöhnlichen Werte von Mehrwert und Selbstwert. Bei diesem ökokulturellen Hintergrund wundert es nicht, dass Gefühle abgewertet und zur Manipulation benutzt werden, um Menschen das Gegenteil von dem, was sie selbst spüren, fühlen und wahrnehmen, glauben zu machen: Insofern werden Gefühle gegen Menschen verwandt, statt sie in aufrichtiger Mitteilung menschengerecht im Sinne einer Kommunikation des Erlebens und Erlebten zum Erhalt von Mensch und Natur und letztlich generell Lebens, zu platzieren. Kommunikation wird zur entfremdeten Farce, wenn sie der Aufgabe entkleidet wird, für die sie vom Menschen entwickelt wurde: Zur Mitteilung dessen, was in Menschen vor sich geht, was Beziehungen stiftet und trägt, um Vertrauen entstehen zu lassen. Abwertung und Missbrauch menschlicher Wesensmerkmale sind zerstörerisch und gewinnträchtig zugleich. Diese Schizophrenie raubt Verstand und Vertrauen, wie sie jede Diskussion, die in der gesellschaftlichen Mitte oder an der Oberfläche geführt oder abgebrochen wird, ad absurdum führt. Gefühl, Sprache, Mitteilung, Wirtschaft und Politik dienen nicht mehr in erster Linie dem Erhalt des Menschen, des Lebens und der Natur, sondern dem Profit, der als Nebenwirkung die seelische, psychische und körperliche Zerstörung von Mensch, Leben und Natur in Kauf nimmt. Kommuniziert wird meist nur eine Seite der Medaille. Dazu zählen entweder wirtschaftliche Gewinne oder soziale Probleme und Missstände. Politiker ziehen PR-Berater an ihre Seite. Ein Beispiel: Edmund Stoiber legte sich im Bundestagswahlkampf 2002 den Ex-Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ zu, der nun wohl auch künftig Berater für die Schulministerin (CDU) Barbara Sommer nach den Schul-Pannen sein wird, was aber nicht eindeutig von Michael Spreng (PR-Berater) bejaht oder verneint wurde. (Vgl.: „Erste Konsequenzen nach Schul-Pannen.“ In: Ruhr Nachrichten, 8.Juli 2008). Werden Menschen durch PR-Leistungen und vermutbaren Rechtsbeistand für die Öffentlichkeit erst eingekleidet, um sich äußern zu können? Was tun dann Menschen, die für diese Leistungen kein Geld haben? Sich nicht mehr äußern?

      Die Beantwortung der Frage, wie diese Entwicklung möglich war und weiterhin ist, bezieht die unverarbeitete und individuelle Vergangenheit in Deutschland als einen weiteren Erklärungsstrang, neben dem der tabuisierten Diskussion über den Kern der Mehrwerterschaffung und der Tatsache mit ein, dass der Mensch mehr als sein Körper ist, nämlich ein seelisch-geistiges Wesen. Friedrich Nietzsche werde ich als einen Menschen zitieren, der allzeit mit seinem Leib geschrieben hat. Ebenso werde ich ihn im Hinblick auf sein Grundanliegen,