Für ein Leben unter den Flügeln der Seele - Die heillose Kultur - Band 1
reagieren. Menschen lassen sich von ihnen steuern, weil sie auf die in Bildern und Tönen enthaltenen Gefühle reagieren und schematisch nach dem Hund-Wurst-Prinzip entscheiden „Freund oder Feind“, „gut oder schlecht“, „Existenz sichernd oder Existenz vernichtend.“
Manche Metaphern oder Bilder verlieren ihre Stärke und Durchschlagkraft, weil man sie nicht mehr hören oder sehen kann. Menschen sind dann übersättigt und haben erkannt, was wirklich damit gemeint ist oder war und beachten sie nicht mehr. Der ursprüngliche Kern ist abgegriffen, ausgepresst wie eine Zitrone. Die sprachliche Darstellung von Bildern, also Metaphern, funktioniert aufgrund der emotionalen Repräsentanz in Menschen so gut. Emotionen knüpfen an Vorerfahrungen an. Sprachliche Repräsentationen knüpfen an Emotionen von Menschen in Bezug auf Bilder und vice versa an. An diesen Transformations- oder Schnittstellen ist Forschung interessiert: Man möchte wissen, wie man Assoziationen herstellen kann, die das gewünschte Ergebnis bringen. An diese Stelle knüpfen die unterschiedlichen Medien an, benutzen die wissenschaftlichen Grundlagenforschungen und setzen sie oftmals gegen Menschen ein. Man benutzt die Gesetzmäßigkeit menschlicher Wahrnehmung, Emotion und ihre sozialen Einstellungen. Das semantische Differential und deren Bezugssysteme bildeten die logische Fortsetzung der Wahrnehmungstheorien in unserem kulturell-ökonomischen Raum. Ursprünglich wurde das semantische Differenzial vor allen Dingen in Teildisziplinen der Psychologie und der Soziologie verwandt. In einer meiner ersten Forschungsarbei-ten im Rahmen meines Psychologiestudiums arbeitete ich mit diesem Konzept des semantischen Differenzials.
Was ist das semantische Differenzial? Der hier angesprochene Urteilsparameter spielt eine Rolle in der Theorie der Einstellung von Menschen. Ein Messinstrument, das es gestattet, Einstellungen als die evaluative Bedeutung eines Begriffs, zugleich aber auch die Quelle einer Einstellung auf ihre konnotative Bedeutung zu bestimmen, ist das semantische Differential. Wird einem Reiz Bedeutung zugesprochen – attribuiert -, dann impliziert Bedeutung immer die Einstellung bzw. ist gleichbedeutend mit der Einstellung, die man dem jeweiligen Meinungsgegenstand entgegenbringt. (Vgl. Osgood, 1952, Hofstätter 1955, Bergler 1975).
Ohne nun diese Forschung weiter vertiefen zu wollen, seien dennoch zwei wichtige theoretische Begriffe in diesem Zusammenhang mitgeteilt, die sich in dieser Forschung und dem nachfolgenden Markt als konstituierend erwiesen: Einmal ist es der Begriff des semantischen Raumes, der als euklidischer Raum von unbekannter Dimensionalität definiert wird. Hypothetisch wird er in jedem Menschen wirksam angenommen. Die Konstruktion bipolarer Adjektivpaare in Skalen gestattet das Erfragen der Bedeutung in Bezug auf dargebotenes Bildmaterial (oder auf Hör- und Sehmaterialien). Ziel ist es, durch statistische Auswertung den Ursprung dieses semantischen Raumes zu ermitteln. In der Praxis ist die so wissenschaftlich ermittelte „Bedeutung“ der Ausgangspunkt „guter“, sprich gewinnträchtiger Werbung oder Darstellungs- und Kommunikationsarbeit in Bezug auf Nachrichten und wie diese vom Hörer und Seher aufgefasst werden sollen. Nun kann es aber sein, dass Menschen nicht von vornherein die gewünschte Reaktion zeigen (z. B. Kauf des Produktes). Also muss man sich etwas einfallen lassen und dazu braucht man das Know-how, wie man Einstellungen und Empfindungen verändern kann. Hier kommt die Adaptationsforschung ins Spiel, d.h., die gewünschte Reaktion muss beim Käufer (Empfänger des neuen Zeichens / Produkts) freigesetzt werden. Man wird also das neu einzuführende Produkt mit bewährten, d.h. einschlägig und unfehlbar wirkenden Bedeutungen zusammen kombinieren. Die als positiv wahrgenommene Eigenschaft wird allmählich oder sofort auf das Produkt durch Gefühl übertragen. Dieses Vorgehen folgt also nicht der Logik – denn was hat ein schöner Frauenkörper mit einem Luxusauto zu tun? Sondern der Psychologik. Die Praktiker gehen wiederum insofern logisch vor, als sie die psychologischen Mittel logisch auf ihr Ziel bezogen einsetzen. Oftmals ist das Ziel, ein Produkt zu verkaufen. Generell gilt, dass ein „Produkt“ alles mögliche sein kann, auch „Kommunikationsstruktur“ und juristisch ausgearbeitete „Verträge“ oder die „Kommentierung von Bildern“, die über das Fernsehen dem Zuschauer eine Interpretation von Ereignissen nahebringen, die nach dem Motto „Wie sage ich es meinem Kind“ aufgebaut sein kann! Zum Beispiel, wie kann man im Resultat Menschen dazu bringen, zu glauben, es ginge wieder nach „oben“ und der Aufschwung sei Unten angekommen. Ich hätte noch nicht gehört, dass Unternehmer Bereitschaft zeigten, auf Profit zu verzichten oder ihn auch nur um ein paar Grad reduzieren zu wollen. Wie bringt man es fertig, Menschen, die nichts mehr in der Tasche haben, glauben zu machen, dass sie doch etwas in der Tasche haben und sie darüber mehr oder weniger schweigen? Hier wirkt die wissenschaftliche Forschung im Dienste der Ökonomie und der Politik, die der Ökonomie die Stange hält. Poltisch vertritt man dann die Auffassung, dass man Menschen vor zu viel Wahrheit bewahren müsse, um Menschen sicher leiten zu können. Allerdings muss man sich dann fragen lassen, wohin man Menschen leiten will. Wie sich diese politische Rücksichtnahme mit der demokratischen Verfassung, dass Menschen mit dem 18. bzw. 21. Lebensjahr als erwachsen mit allen Konsequenzen gelten, und damit auch als verantwortlich, verträgt, ist klärungsbedürftig. Meines Wissens ist in der demokratischen Verfassung nicht festgelegt, dass man Menschen nur die halbe Wahrheit sagt und sie damit daran hindert, selbstständig darüber nachzudenken, wo Veränderungen im Leben notwendig sind, damit sich positive Veränderungen in der Gesellschaft überhaupt entwickeln können. Die Verfassung spricht an keiner Stelle davon, Menschen zu entmündigen und von Verantwortung freizustellen, und dass der eine Mensch sich über den anderen Menschen aufgrund irgendwelcher Privilegien erheben könne.
Mittel anderer Natur, die im Sinne der Anpassung funktioniert, sind psychoanalytischen Studien zu entnehmen. Die Psychoanalytikerin Alice Miller stiftet transgenerationelle Zusammenhänge, also psychische Zusammenhänge, die von einer Generation auf die nächste Generation so wirken, als würde ein alter Pullover aufgeribbelt, neu verstrickt, weitergegeben und getragen. Sie schreibt:
„Wenn die Züchtigung des Kindes als ein Liebesbeweis ausgegeben wird, führt das zu einer Verwirrung, die später ihre Früchte trägt. Wenn sich diese Kinder auf der politischen Ebene betätigen, setzen sie das einst an ihnen begonnene Zerstörungswerk fort und tarnen dies ebenfalls mit ihrer Rolle als Heilbringer, wie es einst ihre Eltern taten. Sowohl Stalin als auch Hitler wollten angeblich nur Gutes. Das Morden war ja nur ein notwendiges Mittel zum guten Zweck. Diese Ideologie haben sie von beiden Eltern vermittelt bekommen. Wäre dies nicht so, wäre ein Elternteil als helfender Zeuge aufgetreten und hätte das Kind vor Brutalität und Lieblosigkeit des anderen geschützt, diese Kinder wären später nicht zu Verbrechern geworden.“ (Miller, Alice: „Der geheime Schlüssel.“ Buchdeckeltext 1996)
Darüber hinaus ist zu konstatieren, wie auch die jüngsten Erkenntnisse aufgrund psychologischer Fallstudien zeigen, dass unverarbeitete Gefühle – zum Beispiel in Traumatisierungen – unbewusst an Kinder und Enkelkinder weitergegeben werden. Viele Eltern, die direkt oder indirekt erheblich unter dem Krieg zu leiden hatten (und welche Eltern hatten das nicht!), zeig(t)en sich gegenüber ihren Kindern in Folge von Traumatisierungen emotional distanziert. Seelische Erlebnisse halten sie in ihrem Bann. Auswirkungen, die das Fehlen elterlicher Stärkung und Liebe im einzelnen Menschen durch eigene Erfahrung betreffen, hat Alice Miller in den zitierten Zeilen oben pointiert ausgedrückt. Hinzu treten die Wirkungen unverarbeiteter Gefühle aus dem Leben der Eltern und/oder Großeltern durch Erziehungsmaßnahmen, die durch Emotionslosigkeit gezeichnet sind. Generell zeigt sich bis in die Gegenwart hinein ein durch Gewalt und Bevormundung geprägter Erziehungsstil, der sich in Schlägen und Brutalität zum Wohle des Kindes immer noch allgemeiner Akzeptanz erfreut und unreflektiert weit über die Nachkriegszeit hinaus bis 2000 (Abschaffung des elterlichen Züchtigungsrechtes) durch keine Gesetzgebung das Gegenteil, nämlich den Schutz von Kindern, verbürgte. Die Einsicht, dass Brutalität und Schläge schädliche Erziehungsmittel sind, unterscheidet sich national. Soweit man in Deutschland zumindest offiziell darüber einen Konsens erzielen kann, ist es in Polen noch gänzlich anders: Es ist vollkommen normal und akzeptiert, wie ich von einer Polin 2008 hörte, Kinder zu schlagen, und zwar auch heute noch! „In einem polnischen Kinderlied werden Gewalt und Schläge verherrlicht“, erzählt sie mir. Auch wenn Schläge und Brutalität in Deutschland für Eltern unter Strafe stehen, so sieht die Realität vieler Kinder auch heute noch wie eh und je nicht völlig anders aus. Auch diese lange Zeit des zur Normalität erklärten Erziehungsstils zählt mit zur Vergangenheitsbewältigung. Wie diese Gewalt