Hans-Jürgen Setzer

Braunes Eck


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verstehe mal einer die Frauen“, fiel Leon nur kleinlaut ein. Auf eine neuerliche Diskussion hatte er im Moment ganz bestimmt keine Lust. Also fuhren sie zurück zum vielversprechenden Frühstücksbuffet. Die Bedienung schaute mindestens genauso verdutzt wie Leon sich fühlte, als sie nach wenigen Minuten erneut das Restaurant betraten.

      Sehr zur Überraschung von Leon haute Vanessa nun tatsächlich rein, lud sich ganze Berge von Leckereien auf ihren Teller und aß diese zu seinem Erstaunen ohne zu murren und mit deutlich vernehmbaren Geräuschen auf. Zunächst streiften die Themen den Vorgänger von Vanessa in der Sportredaktion, Paffrath, den Chef, Dinge die man tun und solche die man besser lassen sollte beim Tageskurier und gegen Ende wurde es etwas privater.

      „In meinem Genre, bekommst du ohne Witz die wichtigsten Hinweise beim Essen mit den Informanten“, gestand Leon. „Deshalb war stets eine meiner wichtigsten Regeln: ich versorge sie mit etwas Leckerem, sie mich mit etwas Pikantem“, verriet er mit einem Lächeln und genoss kauend sein Spiegelei. „Gut, für den Sportteil gelten sicher andere Gepflogenheiten. Ich kann dich mal mit Karlchen bekannt machen, wenn du willst. Er dürfte Fußballer eigentlich sogar bis zur Bundesliga trainieren, hat hauptberuflich aber immer in verschiedenen Sportredaktionen gearbeitet und nur nebenher zweit- und drittklassige Mannschaften betreut, der alte Idealist und Sozialromantiker. Er hat sicher ein paar Tricks für dich auf Lager. Sein Chef sagte immer, dass Karlchen noch einem Beduinen in der Wüste Sand verkaufen könnte. Von den alten Hasen kann man oft noch was lernen, auch wenn das die Jüngeren nicht so gerne hören“.

      „Bist du in einer festen Beziehung?“, fragte sie völlig unvermittelt und aus dem Zusammenhang gerissen und blickte auf seine Hand, nahm diese schlussendlich mit ihrer Hand als wäre es ein Juwel. „Du trägst keinen Ring, dein Kleidungsstil – entschuldige bitte - lässt ganz sicher auf einen eingefleischten Single schließen und so manch andere kleine Details auch“, verriet Vanessa und tat geheimnisvoll und neugierig zugleich, wechselte dabei auch den Tonfall ins Verführerische.

      „Nein, frisch getrennt quasi“, antwortete er überrumpelt und etwas verwirrt. „Deshalb wollte ich heute Morgen lieber alleine sein. Die Sache geht mir noch ziemlich nach“, gestand er und der Gesichtsausdruck sprach Bände. „Gefällt dir mein Kleidungsstil etwa nicht?“, fragte er an sich herunterschauend.

      „Oh, sorry. Doch, klar. Ich wollte dir nicht zu nahe…“

      „Nein, schon okay. Es ist ja nicht zu übersehen wie es mir wirklich geht, und bevor die Umgebung meine schlechte Laune noch auf sich bezieht, ist es vielleicht besser mit der Sprache endlich rauszurücken. Also, ich bin unglücklich getrennt seit einer Woche. Jetzt ist es raus. Es scheint leider endgültig. Sophie und ich gehen uns aus dem Weg und außerdem“ – Leon stockte, „es gibt ganz offensichtlich einen anderen in ihrem Leben und wenn Sophie sich erst einmal für etwas entschieden hat … sie hat einen gewaltigen Dickschädel musst du wissen.“

      „Oh, scheiße! Entschuldige den Ausdruck“, rutschte es Vanessa spontan heraus. „Das tut weh! Ich kenne das leider zur Genüge. Mit mir hält es auch niemand länger aus. Wie lange seid ihr zusammen gewesen?“

      „Fast zwei Jahre wären es jetzt“, antwortete er traurig. „Stürmische Zeiten, einerseits mit den schönsten Erlebnissen meines Lebens und andererseits den tiefsten Tiefen – leider. Also bildlich gesprochen echt wie auf einer Achterbahn im Freizeitpark“, fügte er an. „Mittelmäßigkeiten waren nicht so ihr Ding, immer nah dran an den Extremen. Je außergewöhnlicher desto besser und heute so und morgen so, keine konstante gerade Linie erkennbar“, philosophierte Leon etwas wehmütig. „Dabei wirkte sie anfangs so lieb, vernünftig und ausgeglichen auf mich. Je näher wir uns kannten, desto skurriler wurde ihr Auftreten.“

      „Also langweilig war es dann mit ihr bestimmt nicht. Klingt eigentlich nicht wie die Frau zum Verlieben und Altwerden, klingt eher wie … ich“, entgegnete Vanessa überrascht. „Passt irgendwie gar nicht zu dir, Leon“, fügte sie nachdenklich an.

      „Doch, unbedingt! Völlig chaotisch, unberechenbar, aber ohne Zweifel liebenswert, so süß verpeilt, zickig und dazu auch noch gesegnet mit einem sexy Körper“, Leon weinte fast, zog ein Foto aus der Brieftasche und legte es vor Vanessa auf den Tisch.

      „Wow, bildhübsch. Polizistin, Wahnsinn! Diese Augen, die Haare, Hammerfigur und was für ein tolles Gesicht. Ja, keine weiteren Fragen, euer Ehren“, sagte sie kleinlaut. „Freispruch in allen Punkten für dich. Dagegen bin ich ein hässliches Entlein. Ab – zurück ins Gehege zu den anderen grauen Enten“, seufzte sie leise hinterher.

      „Vanessa, jetzt hör aber mal auf damit. Du bist eine bildhübsche intelligente junge Frau. Hast vielleicht auch, genauso wie ich, Pech gehabt und bist immer an die falschen geraten. Wir können ja eine Selbsthilfegruppe gründen“, lenkte er ab und versuchte ein Lächeln, obwohl ihm eher zum Heulen zumute war.

      „Gründungsversammlung heute Abend nach dem Laufen?“, fragte sie verschmitzt und blitzschnell die Chance ergreifend.

      „Sei mir nicht böse, ich brauche wirklich noch etwas Zeit“, antwortete er.

      „Schon gut! Dann muss ich meine Kalorien wohl doch alleine loswerden – irgendwie. Ein guter Käse und ein guter Wein müssen ja auch reifen“. Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm ein Küsschen auf die Wange.

      „Oh Mist, stimmt, ich hatte dir ja versprochen, dass wir das Essen gemeinsam wieder abtrainieren. Ein Mann, ein Wort. Dann fahren wir jetzt erst mal was arbeiten und entscheiden einfach später, ob und wie wir das machen könnten – okay?“, fragte er.

      „Gut, ich für meinen Teil würde mich jedenfalls auf eine gemeinsame Trainingseinheit freuen. Reden wir später drüber“, kam die spontane und im Tonfall etwas zweideutige Antwort mit einem Augenzwinkern.

      Chefsekretariat Koblenzer Tageskurier

      „Ist mal wieder typisch, wir haben einen der sensationellen Mordfälle im Koblenzer Sportmilieu der letzten zehn Jahre und alle zuständigen Reporter sind wie im Bermuda-Dreieck verschollen“, fluchte die Chefsekretärin von Herrn Paffrath. „Mir reicht es jetzt langsam! Letzter Versuch mit einer Nachricht aufs Handy. Mit diesen Journalisten zu arbeiten ist tausendmal schlimmer, als einen Sack Flöhe zu hüten“, dachte sie.

      Fast zeitgleich gaben die Smartphones von Leon und Vanessa den jeweils bevorzugten Signalton ab. Beide sollten im Auftrag vom Alten sofort gemeinsam zu einem Koblenzer Sportverein fahren. Eine Leiche sei am Basketballkorb hängend in einer Turnhalle gefunden worden.

      „Wusste der Alte etwa schon wieder von dem kleinen Ausflug der beiden“, fragte sich Leon. Es würde ihn jedenfalls nicht wundern. Leon war klar, die besten Fotos und Informationen waren nur in den allerersten Minuten möglich, bevor die Polizei alles abgesperrt hatte. Der Tageskurier bekam seine Informationen durch diverse Kontaktleute, oft sogar bevor die Polizei zum Tatort gerufen wurde. Danach lief alles nur noch über den Pressereferenten der Polizei und war langweiliger Einheitsbrei für alle. Sollte es ein Selbstmord gewesen sein, würde die Sache ohnehin schwierig werden, denn ein alter Ehrenkodex verbat dann jegliche detaillierte Berichterstattung aus Angst vor Nachahmern.

      „Was hat das überhaupt mit Sport zu tun?“, tobte Vanessa.

      „Na, ist Basketball für dich etwa kein Sport?“, sagte Leon lachend. „Sieh es doch mal sportlich, das ist eine prima Möglichkeit direkt die wichtigsten Führungspersonen dieses Sportvereins in kürzester Zeit kennen zu lernen. Nutze diese perfekte Gelegenheit einfach für dich als Türöffner“, fügte er beschwichtigend an. „Außerdem scheint der Alte uns ja, warum auch immer, explizit beide in diesem Fall haben zu wollen. Also … füttern wir ihn mit seinen Lieblingsfischen und alles andere findet sich mit Sicherheit vor Ort“, witzelte er.

      „Vielleicht hast du ja recht“, kam nach einer Weile des Nachdenkens. „Besser frische Fische, als Konserven“, stimmte sie in Leons Bild ein.

      „So gefällst du mir schon besser. Das wäre doch