Hans-Jürgen Setzer

Braunes Eck


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Professor und seine Frau für eine Identifizierung mitgenommen. Schlimme Sache“.

      „Können wir kurz reden?“, versuchte Leon sein Glück.

      „Ich weiß nicht, ob das dem Herrn Professor … „

      „Wir haben schon mit Milena gesprochen. Die Arme ist völlig fertig. Sie hat ihn scheinbar in der Turnhalle gefunden. Milena sagte, sie hätten einen guten Draht zu Tobi gehabt“, versuchte Vanessa ihr Glück ein Tor zu öffnen. Leon nickte zustimmend und anerkennend.

      „Milena hat ihn gefunden, ach Gott, die Ärmste? Eine nette junge Frau. Ich habe sie länger nicht gesehen, seit die beiden nicht mehr zusammen sind. Schade, sie waren so ein schönes Paar. Kommen sie, wir setzen uns hier auf die Sonnenterrasse. Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, fragte die Hausdame.

      „Machen Sie sich nur keine Umstände. Wir haben nur ein paar kurze Fragen und sind auch ganz schnell wieder weg“, erklärte Leon und hoffte so die Angst der Dame in den Griff und sie zum Reden zu kriegen.

      „Das Verhältnis zwischen dem Professor und seinem Sohn soll ja nicht das beste gewesen sein, haben wir gehört“, eröffnete Vanessa.

      „Ach, wissen sie. Ich arbeite schon lange hier im Haus, kenne den Herrn Professor, seit er so alt war wie Tobi heute. Er selbst hatte es wirklich auch nicht gerade leicht. Sein alter Herr, also der alte Professor Haberkorn, hat ihm von klein auf zu verstehen gegeben, dass er ihm einmal seine Klinik als Chefarzt übergeben und anvertrauen möchte. Wissen sie, sein Vater Wilhelm hatte aus einer kleinen Ambulanz in Boppard über die Jahre eine berühmte Privatklinik aufgebaut. Er war so stolz darauf. Sogar Politiker aus Bonn waren da in Behandlung, damals, als noch die Regierung und alles andere wichtige in Bonn war. Der Herr Professor half schon als Jugendlicher häufig mit in der Klinik“, erklärte sie. „Er hatte doch gar keine andere Wahl. Und mit Tobi lief es dann ganz genau so, obwohl sein Vater eigentlich hätte wissen müssen, wie es sich anfühlt, fremdbestimmt zu werden“, fügte sie traurig an. „Und jetzt auch noch das … der arme Tobias.“

      „Sie meinen also, Tobias war unglücklich?“, fragte Leon.

      „Er hatte seinen eigenen Willen und seinen eigenen Kopf. Er hat einfach nicht genug für die Schule getan, um vielleicht bessere Noten zu bekommen. Dumm war er jedenfalls nicht. Andere würden sich über diese Abiturnote sicher freuen. Sein Vater wollte ihm sogar einen Medizinstudienplatz einklagen oder ihn an einer Uni im Ausland studieren lassen. Er ließ ihm keine Wahl, machte jeden Fluchtweg raus aus der Medizin zunichte. Er sah gar nicht, wie sein Sohn darunter litt, dachte immer nur an die Familientradition und … sich. Gefragt hat er nie, was Tobias eigentlich selbst möchte“, verriet die reife Dame. „Wenn das hier der Herr Professor mitkriegt, bin ich meine Stelle los. Aber ich kann nicht mehr schweigen, habe einfach zu lange stumm zuschauen müssen“, sagte sie verzweifelt. „Das muss jetzt aber auch genügen“, beendete die Hausdame ihre Ausführungen. „Bitte gehen Sie! Ich habe schon viel zu viel verraten.“

      „Dürften wir nur noch einen Blick in Tobis Zimmer …“, versuchte Leon sein Glück.

      „Nein, das geht nun wirklich nicht. Wie sollte ich das später erklären. Bitte verlassen Sie jetzt das Grundstück, bevor ich noch Ärger bekomme.“

      „Wir danken Ihnen für die offenen Worte, Frau …“

      „Petermann“, kam die Antwort.

      „Frau Petermann, wenn ich einmal etwas für sie tun kann oder für das positive Andenken von Tobi, lassen Sie es mich wissen. Hier ist meine Karte.“ Leon übergab seine Visitenkarte und verabschiedete sich und bedeutete Vanessa aufzubrechen.

      Sie verließen zügig das Grundstück. „Wow, nicht schlecht für den Einstand im neuen Genre, Frau Kollegin. Respekt, du hast es eben tatsächlich geschafft uns die Tür zu öffnen. Super! Jetzt hast du einen bei mir gut“, sagte er.

      Presseabteilung – Polizeipräsidium Koblenz

      „Komm, wir schauen mal, was die Polizei inzwischen schon alles herausgefunden hat“, sagte Leon und hielt Vanessa die Wagenschlüssel vor die Nase.

      Vanessa schnappte sich die Schlüssel und sprang auf der Fahrerseite in den Wagen. In nicht einmal fünf Minuten rasten sie zum Polizeipräsidium und unterwegs schwiegen sie ausnahmsweise. Offensichtlich waren beide sehr betroffen von dem soeben Erlebten. Leon hatte noch seine Begegnung mit Sophie zu verarbeiten und für eine Sportreporterin waren Leichen auch nicht gerade an der Tagesordnung.

      „Leon Walters, wie immer in Begleitung einer hübschen und charmanten neuen Kollegin. Was habt ihr zwei Hübschen denn noch vor?“, fragte der Polizeibeamte am Kontrolleingang des Polizeipräsidiums.

      „Darf ich vorstellen? Vanessa Herzsprung. Unsere überaus kompetente Verstärkung beim Koblenzer Tageskurier. Wir berichten gerade über den Todesfall in der Lützeler Turnhalle. Wer kann uns denn da weiterhelfen?“, fragte er.

      „Hm. Die Pressekonferenz ist erst für morgen 11 Uhr angesetzt, das müsstest du doch wissen. Viele Neuigkeiten dürfte es da bis jetzt sicher nicht geben. Die Obduktion hat noch nicht einmal stattgefunden, die Ermittlungen laufen gerade erst an. Kriminaloberrat Unterbeck kümmert sich um den Fall. Ich kann ihn zwar fragen aber nichts versprechen. Und nur weil du es bist, Leon“, sagte der Beamte. Eigentlich soll ich alle auf die Pressekonferenz vertrösten. Du kennst das ja.

      Leon zwinkerte ihm zu. „Danke, eine Hand wäscht die andere.“

      Nach einem kurzen Telefonat drückte er auf den Türöffner und sagte: „Siebter Stock, du kennst dich ja aus. Viel Glück euch beiden.“

      „Dank dir, Siggi. Wie lange geht deine Schicht noch?“

      „Noch zwei Stunden, dann geht’s zum Glück nach Hause zu meiner Frau“, sagte er strahlend.

      „Du bist ja bekannt wie ein bunter Hund“, sagte Vanessa anerkennend.

      „Siggi war mal ziemlich unter Beschuss. Es gab ein Handyvideo von ihm. Bei einer Kontrolle war es zu Handgreiflichkeiten gekommen und einige nicht so polizeifreundliche Journalisten hatten es ziemlich auf ihn abgesehen. Sie warfen ihm vor, er hätte zugeschlagen und unverhältnismäßig gehandelt, die ganze Vorgeschichte, die dazu führte, wurde großzügig weggelassen. Wir vom Tageskurier haben damals versucht, wie eigentlich immer in solchen Fällen, objektiv zu berichten. Die Polizei macht ja auch umgekehrt einiges mit und meist einen guten und harten Job. Die müssen manchmal ganz schön was einstecken, sollen immer freundlich bleiben und dabei noch blitzschnell reagieren, wenn es doch einmal kippt. Das ist fast immer eine Gratwanderung“, erklärte er.

      „Du musst es ja wissen“, sagte sie. „Warst lange Zeit nahe genug dran, bestimmt sogar drin“, fügte sie schnippisch an.

      „Hey, hey, was wird das denn? Eifersüchtig? So, wir sind da. Kriminaloberrat Unterbecks Büro. Jetzt zeig mal dein freundlichstes Gesicht. Er wird nämlich nicht begeistert sein von unserem Erscheinen. Sicher hat er gerade eine ganze Menge um die Ohren und bestimmt keine große Lust auf uns Presseleute.“

      „Boah, nee, der Walters, der hat mir jetzt gerade noch gefehlt in meiner Sammlung“, kam zur Begrüßung. Die Tür stand offen. „Kommt rein! Ihr gebt ja sonst sowieso keine Ruhe.“

      „Meine neue hinreißende Kollegin kennen sie noch nicht, Vanessa Herzsprung. Den Namen müssen sie sich merken“, versuchte er eine Einleitung.

      „Aber unbedingt. Das sehe ich schon. Endlich mal ein freundliches Gesicht beim Tageskurier. Aber seid ihr nicht ein wenig spät dran für einen Tageskurier“, machte er sich lustig. „Oder zu früh, denn die Pressekonferenz ist morgen um 11 Uhr, was Siggi eigentlich auch wissen sollte“, sagte er. „Was hat es denn heute gekostet, an Siggi vorbeizukommen? Wozu sitzt der Kerl eigentlich da unten?“, beendete er sein Donnerwetter.

      „Siggi hat sein bestes gegeben. Er konnte