Hans-Jürgen Setzer

Braunes Eck


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      „Donnerwetter, Sie gehen ja blitzschnell und ohne Umschweife aufs Ganze“, sagte er lächelnd und nickte Leon anerkennend zu.

      „Nach allem was wir bisher wissen, ist eine Fremdeinwirkung sehr wahrscheinlich. Es gab keine Leiter, keinen Stuhl. Wie soll der junge Mann sich also selbst am Basketballkorb erhängt haben? Er müsste schon hochgesprungen sein, sich festgebunden haben, um sich dann fallen zu lassen. Mehr als unwahrscheinlich würde ich meinen. Oder ein Helfer müsste den Tatort anschließend verändert haben. Eher auch unwahrscheinlich. Dafür gibt es keine Hinweise. Aber gell, ihr wisst ja, keine Details vom Tathergang im Bericht. Das könnte uns sonst gewaltig die Ermittlungen versauen.“

      „Klar, wir sind schließlich Profis. Aber wenn es kein Suizid war, können wir wenigstens überhaupt etwas darüber berichten, wie du weißt. Was habt ihr jetzt vor?“, fragte Leon.

      „Wir ermitteln wie immer in alle Richtungen. Er scheint nicht sehr beliebt gewesen zu sein, der junge Mann. Allerdings scheint er seit Wochen ziemlich neben der Spur zu laufen. Er hatte ein recht gutes Abitur, wollte wohl Medizin studieren. Das scheint vom Notenschnitt her jedoch nicht geklappt zu haben“, sagte Unterbeck.

      „Müsste wohl eher heißen: Sollte Medizin studieren“, fügte Vanessa an.

      „Ja, als Erbe der Haberkorn-Dynastie hat man es nicht immer leicht. Es gibt Verpflichtungen der Familie gegenüber“, erklärte Leon.

      „Wollt ihr damit sagen, er stand unter Druck von zu Hause?“, fragte der Beamte.

      „Sieht unseren Erkenntnissen nach bisher sehr danach aus, jedenfalls wenn wir unseren Quellen glauben schenken“, antwortete Vanessa.

      „An euch sind ein paar gute Polizisten verloren gegangen. Aber vielleicht schafft es ja Sophie doch noch, dich umzustimmen, Leon, was meinst du?“, fragte er frotzelnd.

      Leon zuckte zusammen. „Leider nein. Das mit Sophie und mir ist vorbei.“

      „Oh, Verzeihung. Ich treffe wirklich blind jedes Fettnäpfchen. Das wusste ich noch gar nicht. Schade, ein hübsches Paar seid ihr gewesen auf dem Polizeiball. Na ja, kann man nichts machen“, stammelte er. „Mehr habe ich leider heute nicht für euch. Wir sind erst ganz am Anfang“, sagte er.

      „Bis morgen früh dann. Wir sehen uns sicher“, sagte Vanessa, um den peinlichen Abschluss zu verkürzen. Diesmal zog sie Leon hinter sich her. Er wirkte seltsam abwesend und war froh, dass Vanessa so spontan übernommen hatte.

      „Jetzt sollten wir langsam sehen, dass wir etwas für die morgige Ausgabe zusammenschreiben. Dann haben wir uns den Feierabend heute redlich verdient, würde ich sagen.“ Vanessa versuchte Leon wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen.

      „Lass uns in die Redaktion fahren. Da sind wir sicher konzentrierter und hoffentlich etwas schneller fertig“, antwortete er. „Du bist wirklich nett, Vanessa. Ich weiß nicht, was ich heute ohne dich gemacht hätte. Ich danke dir!“

      „Gerne und danke für das Kompliment. Du bist übrigens auch sehr nett. Schade, dass ich in den nächsten Tagen sicher eher alleine unterwegs sein werde für den Sportteil. Zusammen ist es schon spannender und irgendwie auch schöner. Ich hätte nie gedacht, wie spannend der Lokalteil sein kann“, stellte sie fest. „Außerdem hielt ich mich nach meinen bisherigen Erfahrungen eher für eine Einzelkämpferin, Teamarbeit hat erstmalig einen gewissen Reiz für mich bekommen, das ist echt ganz neu für mich. Das ist nun wirklich dein Verdienst der letzten Stunden“, ergänzte sie und zwinkerte Leon zu.

      Der Artikel war schnell im Kasten und für einen Todesfall, der erst einige Stunden her war, ziemlich gut gelungen. „Wird dem Alten der Fisch hier schmecken?“, fragte sie.

      „Delikat“, kam die kurze Antwort. „Sei mir nicht böse, ich würde mich für heute gerne aufs Ohr legen. Ich bin wirklich platt!“, gestand Leon.

      „Kann ich gut verstehen. Wer Polizistinnen mit einem Hang zum Supermodel haben kann, will sicher den Abend nicht mit einer hässlichen grauen Sportmaus verbringen. Alle haben gesagt, ihr hättet ein gutes Paar abgegeben“, platzte es beleidigt aus ihr heraus.

      „Das darf doch wirklich nicht wahr sein. Jetzt ist die Krone vom krönenden Abschluss für heute aber doch noch ganz tief ins Klo gefallen. Mach jetzt nicht alles unnötig kompliziert und kaputt. Ich mag dich wirklich, aber …“, versuchte Leon zu erklären.

      Doch die Tür des Büros fiel schon knallend ins Schloss und weg war Vanessa.

      „Gut, an den Teil von ihr muss man sich erst einmal gewöhnen“, brummelte Leon leise vor sich hin und fuhr den Rechner herunter, schaltete die Lichter aus und ging genervt zum Fahrstuhl. Gedankenverloren trottete er über den Parkplatz.

      „Wenn du glaubst, du wirst mich so einfach los, vergiss es“, hörte er eine bekannte Stimme aus dem Dunkel hinter seinem Fahrzeug, kurz bevor er einsteigen wollte.

      „Du schaffst es wirklich meine totale Erschöpfung durch einen kleinen Adrenalin-Kick in schlagartiges Wachsein zu verwandeln. Wer sagt denn überhaupt, dass ich dich loswerden möchte, Vanessa. Ich brauchte nur eine kleine Verschnaufpause nach diesem aufregenden Tag, vor allem nach diesen letzten Wochen. Aber wenn du jetzt schon auf mich gewartet hast, komm halt mit auf ein Getränk, wenn du magst“, bot Leon an.

      „Okay edler Prinz, zeigt mir euer Schloss“, antwortete sie knapp, trat aus dem Dunkel hervor und wurde wieder quirlig.

      „Folgt mir Prinzessin Herzsprung. Steigt in meine bescheidene Kutsche mit den hundert Pferden. Sie wird uns geschwind dorthin bringen“, spielte er mit und wurde dabei fast schon wieder fröhlich und wach, obwohl er insgeheim gehofft hatte, sie würde sein Angebot ausschlagen, denn er sehnte sich wirklich nach etwas Ruhe.

      In Leons Schloss am Rhein

      Die Fahrt zu Leons liebevoll restaurierter Gründerzeitvilla im Stadtteil Oberwerth dauerte zum Glück nur wenige Minuten. Beide dachten nach, sprachen unterwegs kaum ein Wort, sie wirkten plötzlich beide total erschöpft. Leon fühlte sich ein wenig von Vanessa überrumpelt und sie konnte diese Anspannung deutlich spüren. So richtig wohl in ihrer Haut fühlte sie sich jetzt selbst nicht mehr damit. Einen guten Ausweg fand sie in ihrem aufgewühlten Gedankenchaos leider auch nicht.

      „Du, Leon, ich kann wirklich verstehen, wenn du nach diesem anstrengenden Tag überhaupt keinen Nerv mehr hast auf Smalltalk. Du kannst mich auch einfach hier rauslassen“, versuchte sie kleinlaut aber auch ein klein wenig enttäuscht den Kontakt wieder aufzunehmen.

      „Jetzt ziehen wir das durch. Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Wer in die Kutsche von Prinz Leon steigt, der wird auch ins Schloss gebracht. Prinzessinnen dürfen in den Turm, Hexen kommen jedoch ins Verlies“, sagte er mit einer schmutzigen Lache wie aus dem Gruselfilm.

      „Du machst mir Angst, Leon.“

      „Wieso das? Bist du in Wirklichkeit vielleicht eine schrumpelige alte Hexe? Nur dann besteht Gefahr für dich“, antwortete er schnell. „Keine Sorge, im Turmbereich ist es warm und gemütlich, zugegeben im Verlies eher weniger.“

      „Jetzt lass den Blödsinn, Mann!“

      „So, da wären wir schon. Schloss Walters zu Oberwerth, Prinzessin.“

      „Wow. Damit habe ich allerdings wirklich nicht gerechnet. Es scheint sich echt zu lohnen beim Koblenzer Tageskurier durchzuhalten“, bemerkte sie anerkennend. „Ein tolles Haus. Du wohnst wirklich ganz alleine in diesem großen Haus?“, fragte sie zur Bestätigung noch einmal.

      „Du kennst die Antwort bereits. Magst du eine kleine private Schlossführung?“

      „Unbedingt, Leon. Wenn es von innen nur halb so schön ist, wie von außen, wirst du mich heute so leicht nicht mehr los. Eine Nacht im Schloss, das wäre schon was“, sagte sie leichtfertig.

      „Versprich