K.P. Hand

Das Gold der Felder


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entstammte Brix scheinbar einer wohlhabenden Familie. Er war aus gutem Haus, was vermutlich auch seinem hohen Rang in der Armee dienlich gewesen war. Aber Brix stand seinen Blutsverwandten offensichtlich nicht sonderlich nahe. Was vermutlich ein Grund dafür war, dass er lieber in den Krieg zog als zu Hause zu sein.

      »Hast du …«, Gérard räusperte sich nervös, »… hast du keine Frau und Kinder?«

      Ein schiefes Lächeln trat auf Brix` Züge, das tiefe Grübchen in seinen Mundwinkeln hinterließ. Gérard hätte sich zu gerne hinab gebeugt, um sie … zu … küssen.

      Als er den Gedanken zu ende dachte, raste sein Herz. Es war das erste Mal, dass er seinen Gefühlen eine Form gab. Dass er sie derart deutlich zuließ.

      »Was ist mit dir?«, fragte Brix ausweichend und öffnete die Augen, um Gérard anzusehen. »Hast du ein Mädchen, das in der Heimat auf deine Rückkehr wartet?«

      Gérard grinste breit. »Nein. Aber es gibt bestimmt ein paar, die trotzdem warten.«

      Kopfschüttelnd lachte Brix über ihn. »Da bin ich sicher.«

      Dabei hatte Gérard nicht viel mit Mädchen zu tun gehabt. Natürlich hatte er die ein oder andere hübsche Dame auf dem Mark gesehen und ihr nachgeschmachtet, er hatte sich auch den ein oder anderen ersten Kuss in einigen Seitenstraßen gestohlen. Aber welcher Vater hätte seiner Tochter schon erlaubt, einen mittellosen Jungen zu heiraten? Welches Mädchen hätte freiwillig einen armen Burschen zum Gatten genommen?

      Nicht, dass Gérard es sich gewünscht hätte. Er trauerte nicht um diese verpasste Gelegenheit, vor allem nicht, wenn er Brix betrachtete. Solch starken Sehnsüchte wie bei ihm, hatte Gérard bei keinem Mädchen verspürt.

      Brix streckte eine Hand aus und berührte Gérards Haar, hielt es ihm aus dem Gesicht, um ihn ganz ungehindert betrachten zu können.

      Gérard blieb der Atem fort und das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er konnte gar nicht anders, als sich dem Gesicht zu nähern …

      »Ja, ich habe eine Frau und einen Sohn«, sagte Brix plötzlich. Etwas Trauriges lag in seinem Blick, als er Gérard danach ausgiebig betrachtete. »Sie leben auch in Berry bei meiner Familie.«

      Gérard blinzelte ihn überrascht an. »Ach so …? Du vermisst sie sicher sehr.« Es war schwer, sich in jenem Moment unverfänglich zu geben und mitfühlend zu lächeln.

      Brix schnaubte trocken. »Wenn du meinst.«

      Eigentlich hätte Gérard es sich selbst denken können, deswegen hatte er ja gefragt. Denn Brix war ein Mann schätzungsweise Mitte dreißig. Natürlich hatte er eine eigene Familie gegründet, natürlich hatte er eine Frau und mindestens ein Kind, immerhin stammte er aus gutem Haus.

      Warum Gérard sich trotzdem fühlte, als hätte sich ein Pferd auf seinen Brustkorb gesetzt, konnte er sich nicht erklären.

      »Er müsste in ein paar Jahren in deinem Alter sein«, flüsterte Brix nachdenklich, während er Gérard das Haar immer wieder aus dem Gesicht strich. »Dreizehn ist er jetzt vielleicht. Hab ihn lange nicht gesehen, bestimmt erkennt er mich gar nicht mehr.«

      Gérard schluckte einen Kloß im Hals runter, doch er wollte nicht rutschen. Er räusperte sich und blickte kummervoll in den Wald. »Dann siehst du das, wenn du mich ansiehst? Ich erinnere dich an … an deinen Sohn?«

      »Nein, ganz und gar nicht. In keiner Weise«, hauchte Brix mit grimmigem Gesicht. Als Gérard ihn wieder verwundert ansah, schloss er die Augen. »Das ist ja das Problem.«

      Fragend schüttelte Gérard den Kopf. »Was ist das Problem?«

      Doch Brix grinste nur stumm.

      »Was ist das Problem?«, verlangte Gérard zu wissen und stieß ihn an. Brix lachte auf, während er sich weigerte, ihm zu antworten, und Gérard ihn deshalb schubste und fordernd schlug.

      Nicht, dass Brix es wirklich gespürt hätte.

      »Spiel noch was!«, forderte Brix, nachdem er Gérards Handgelenke gepackt und seine Fäuste unschädlich gemacht hatte. »Irgendwas. Spiel einfach.«

      Gérard seufzte, als wäre ihm das zuwider. Doch er griff zur Panflöte und spielte mit einem Lächeln ein Lied an. Er mochte es, Brix etwas vorzuspielen, er war ein sehr guter Zuhörer.

      Auf Brix` Lippen lag ein entspannter Ausdruck, während sein Kopf in Gérards Schoß lag und er zur Melodie der Flöte vor sich hindämmerte.

      Gérard spielte eins, zwei Lieder für ihn und schloss dieses Mal die Augen. Eine leichte Sommerbrise strich ihm dabei durch sein langsam trocknendes Haar. Er genoss Brix` Kopf in seinem Schoß, seine allgemeine prickelnde Nähe und das Herzklopfen, das sie in ihm auslöste.

      Er wünschte, er könnte diese Gefühle näher ergründen. Wünschte, dass er den Mut hätte, Brix zu berühren, wie er ihn berühren wollte. Wünschte, er wäre dahingehend nicht so unerfahren und deshalb gehemmt, obwohl sich sein Leib so sehr nach Brix verzehrte, dass es bereits schmerzte.

      Er hörte plötzlich zu spielen auf und fragte in die idyllische Stille des Waldes hinein: »Hältst du es für falsch?«

      Brix brummte mit geschlossenen Augen: »Hm? Was meinst du?«

      Gérard starrte in den dunklen Wald hinein und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht«, hauchte er angespannt, »sag du es mir.«

      Denn er konnte es nicht aussprechen. Unmöglich. Undenkbar!

      Brix öffnete die Augen. Er wirkte verschlafen, als er zu Gérard hinaufsah und ihn eine süße Ewigkeit lang anstarrte. Dann griff er plötzlich mit seiner starken Hand in Gérards Nacken und zog ihn zu sich herab. Gérard schnappte überrascht nach Luft, doch da spürte er schon eine Berührung an den Lippen, die eine heiße Welle der Erregung durch seinen Körper sandte. Er schloss die Augen, als Brix` Mund den seinen sanft berührte und sich zu einem Kuss spitzte. Falsch herum küssten sie sich, allerdings machte es das für Gérard nur umso spannender.

      Es war ein zärtlicher, leichter Kontakt, so lieblich und sacht, dass Gérard umgehend das Bedürfnis verspürte, ihn leidenschaftlicher zu halten. Aber er wagte in jenem Moment ja nicht einmal zu atmen, ihm entfloh sogar ein leises, überraschtes Stöhnen. Zu mehr war er nicht fähig.

      Als Brix seinen Mund aus dem sachten und kurzen Kuss löste, sah er Gérard mit dunklem Blick in die Augen und strich ihm erneut liebevoll das Haar aus dem Gesicht.

      Gérard starrte ihm noch verträumter als sonst an, schmeckte Brix` Lippen auf den seinen und war wie berauscht von dem unbekannten Geschmack.

      »Fühlt sich für mich nicht falsch an«, raunte Brix heiser, während er weiterhin mit einer kräftigen Hand erstaunlich zart durch Gérards dunkles Haar strich.

      Nach Atem ringend, sah Gérard sich außerstande, irgendetwas zu erwidern.

      Etwas zurückhaltend, was sehr untypisch für Brix war, sah er Gérard leuchtend in die Augen. »Darf ich dich nochmal küssen?«, fragte er leise und beinahe flehend.

      Gérard schluckte und nickte stumm, dann zog Brix ihn schließlich wieder herab.

      Als sich ihre Lippen ein weiteres Mal trafen, wurde Brix leidenschaftlicher. Drängender. Sein Mund war gierig, suchte, verlangte und stahl sich, was er begehrte. Gérard schloss genüsslich die Augen und spürte, wie die Sehnsucht in seinem Inneren gestillt wurde und gleichzeitig einem anderen, warmen Gefühl wich, das nicht minder drängender schien. Süße Empfindungen plätscherten in sein Bewusstsein, wie zarter Regen in einen ruhigen See. Er wurde sacht aufgewühlt von den lauwarmen Empfindungen, die wie kleine Tropfen in ihn sanken und sich mit seinem Ich vermischten, wodurch er sich fühlte, als würde er mit Brix verschmelzen. Nicht nur körperlich, sondern vielmehr geistig, wie zwei Winde, die sich über einer saftigen Wiese fanden, der eine sanft und lieblich, der andere reißend und fordernd, und die sich zusammen zu einem wüsten Sturm zusammentaten, der alles mit sich riss, dass nicht fest mit dem Boden verwurzelt war. Ein Wirbelwind aus süßen und heißglühenden Emotionen, als würde man