K.P. Hand

Das Gold der Felder


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      Gérard schmunzelte mit geschlossenen Lidern. »Mhm. Schwert.«

      Es dauerte einen Moment, während er Brix` bohrende Augen auf dem Gesicht spürte, bis dieser schließlich begriff, wovon Gérard sprach.

      Ein Auflachen wie ein Bellen entstieg Brix` Kehle. »Ich wüsste nicht, was Euch mein Schwert angeht, Sergent.«

      Gérards Mundwinkel zuckten, er zog die Lippen zwischen die Zähne, um nicht frech zu grinsen. »Ich auch nicht, Capitaine, ich auch nicht.«

      Aber bei Gott, wenn er es wüsste, würde er sich vielleicht nicht mehr innerlich so zerstreut fühlen.

      Brix warf sich neben ihn auf die Wiese. Er lag nahe, sogar etwas zu nahe für einen unbeteiligten Betrachter, doch bei weitem nicht nahe genug für Gérards Geschmack. Der leere Raum zwischen ihnen knisterte, sodass sich die Haare auf Gérards Arm aufstellten.

      Sie blickten beide eine Weile gen Himmel und genossen den Kuss der Morgensonne auf ihren Gesichtern. Brix hatte noch eine Gänsehaut vom Bad im Bach, Gérards Gänsehaut hatte jedoch nichts mit Kälte zutun.

      Irgendwann ließ Gérard beiläufig seinen Arm fallen und legte ihn neben seinem Körper auf der Wiese nieder, sodass er nur einen Fingerbreit entfernt von Brix Ellenbogen lag. Es fehlte nicht viel und sie würden sich berühren. Nur ganz leicht und nur an einer sittlichen Stelle, aber allein die Vorstellung ließ ihn schwitzen und schwer atmen.

      Brix drehte den Kopf, und Gérard fühlte seine wandernden, hellbraunen Augen auf seinem Gesicht. »Wie alt bist du wirklich?«

      Diese Frage überraschte Gérard. Er öffnete die Lider und wandte Brix das Gesicht zu. »Neunzehn.«

      »Das glaube ich dir nicht«, erwiderte Brix rau und funkelte ihn herausfordernd an.

      Gérard musste sich ein Schmunzeln verkneifen, denn der Capitaine verlor mit jedem verstreichenden Augenblick an Strenge – jedoch nur, weil Gérard ihn plötzlich anders wahrnahm. »Aber so ist es.«

      »Wo kommst du her?«, verlangte er zu erfahren.

      Gérard freute sich insgeheim derart über das Interesse des Capitaine an seiner Person, dass er am liebsten breit gegrinst hätte. »Aus Paris. Ich wurde in der Stadt geboren.«

      »Bist du ein Straßenjunge?«, fragte Brix mit leiser Stimme, als würde er dieses Geheimnis für ihn bewahren. »Und hast dich älter gemacht, als du bist, um der Armee beitreten zu können und so deinem Schicksal als Bettler oder Dieb zu entgehen?«

      Gérard schüttelte eilig den Kopf – zu eilig – und antwortete: »Nein.«

      Brix lächelte ihn schief und humorlos an. »Lügen ist eine Sünde.«

      »Das ist es«, raunte Gérard und blinzelte Brix in die Augen, »und vielleicht bin ich ja ein Sünder.«

      Umgehend verflog Brix` Lächeln. Er senkte unwillkürlich den dunklen Blick auf Gérards leicht geöffneten Mund.

      Ja, dachte Gérard und leckte sich über die Lippen, wenn das Sünde ist, bin ich ein Sünder.

      Brix runzelte plötzlich wieder äußerst kritisch seine Stirn. »Ich glaube erst an die Richtigkeit von Gottes Wort«, sagte er rau, »wenn Gott es an mich persönlich richtet.« Damit stand er auf, nahm sein Handtuch und ging.

      Verwirrter denn je, stützte Gérard sich auf und sah ihm nach, bis er im dichten Gestrüpp verschwand.

      ***

      »Das war gut!« Brix stolperte mit dem Schwert in der Hand atemlos zurück. Gérard konnte ihn im ersten Moment nur verdutzt ansehen.

      Hatte Brix ihn gerade gelobt?

      »Gleich noch mal!« Brix nickte und winkte ihm, ihn erneut anzugreifen.

      Gérard schüttelte den Kopf, um sich wieder zu konzentrieren. Er nahm eine Angriffsstellung ein und …

      »Stopp!«, rief Brix dazwischen. Nun klang er wie üblich genervt.

      Gérard richtete sich auf und breitete fragend die Arme aus. Allmählich zermürbte ihn Brix` Genörgel.

      »Nicht so!«, tadelte Brix ihn streng und fuchtelte mit der Klinge vor ihm in der Luft herum, als wollte er ihm die Kleider vom Leib schneiden. »Ihr dürft Eure Deckung nicht fallen lassen, Sergent!«

      Gérard atmete gereizt aus. »Das habe ich doch gar nicht!«

      Dafür erhielt er nur ein bedauerndes Schnauben vom Capitaine. Brix schüttelte noch einmal genervt den Kopf, sodass sein braunes Haar wackelte und in der Sonne feucht vom Schweiß glänzte.

      Die sechste Lehrstunde erwies sich von Gérards Seite aus trotz aller Nörgelei an seiner Person als äußerst ertragreich, denn es war ihm an jenem Tag zumindest gelungen, Brix zu zeigen, dass er mehr als ein unbearbeitetes Stück Metall war, das er erst schmelzen und dann formen musste.

      Was größtenteils auch daran lag, dass Brix geringfügig nachsichtiger geworden war.

       Sehr geringfügig.

      »Gut, wenn Ihr meint.« Brix richtete die Klinge auf ihn und winkte ihn zu sich heran. »Greift mich an!«

      Darum ließ Gérard sich nicht zwei Mal bitten. Er nahm wieder seine Angriffshaltung ein und vollführte zwei blitzschnelle Hiebe, die Brix mühelos abwehrte, während er leichtfüßig nach hinten auswich.

      Gérards Zunge schaute ein Stück heraus, solange er in tiefer Konzentration versunken Brix` Körper nach einer Schwachstelle absuchte, aber der Capitaine war stets schnell genug, jeden Angriff abzuwehren. Er blockte Gérards nächsten Schlag ab, wich zur Seite aus und rammte ihm das spitze Knie in den Schenkel, direkt unterhalb des Hüftknochens.

      Gérard brüllte, als der Schmerz in seinem Bein explodierte. Unversehens ließ er oben die Deckung fallen, er konnte nichts dafür, das Brennen in seinem Muskel war einfach zu stark, und er geriet ins Straucheln.

      Brix riss den Arm hoch und rammte Gérard den Unterarm auf die Kehle, sodass er gurgelnd rückwärts umfiel, und mal wieder auf dem Rücken landete.

      Seufzend trat Brix neben ihn und verzog bedauernd die Lippen. »Die Deckung, sagte ich Euch!« Er legte die Schwertspitze auf Gérards schmerzenden Kehlkopf, das Metall kratzte sacht über die zarte Haut, und Brix´ Blick wurde schwer und dunkel. »In einem echten Kampf, wärt Ihr nun tot, Sergent.«

      Gérard hatte genug davon, gedemütigt zu werden. Noch bevor ihn sein gesunder Menschenverstand abhalten konnte, trat er gegen Brix` Knöchel und brachte ihn zu Fall.

      Der Capitaine riss die Arme hoch, doch er konnte seinen Sturz nicht verhindern. Er verlor das Schwert und landete neben Gérard auf dem Rücken.

      Er lag kaum, da sprang Gérard auf ihn drauf, schnappte sich dabei den Panzerbrecher und legte die Klinge an Brix` Kehle. Überrascht blinzelte Brix ihn an.

      »Immer auf die Beine achten, Capitaine«, keuchte Gérard atemlos. »Immer auf die Beine achten.«

      Er hatte gesiegt, oder? Ja, er hatte tatsächlich den Capitaine besiegt!

      Brix schnaubte, doch es klang eher belustigt statt wie üblich herablassend. Er zog die Knie an – sodass Gérard beinahe einem Katapult ähnlich über Brix hinweg geschossen wurde – und warf Gérard dann von sich runter.

      Auch wenn er wieder im Dreck landete, lachte Gérard und sonnte sich im Glanze seines Sieges.

      Brix stand auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Dann beugte er sich zu Gérard und reichte ihm die Hand, ein leichtes Schmunzeln spielte um seine Lippen.

      Gérard sah zunächst überrascht auf die ihm dargebotene Hand, dann konnte er nicht anders und musste breit grinsen. Er schlug ein und spürte sofort einen heftigen Hitzeblitz durch jede Faser seines Körpers zucken.

      Sie berührten sich!

      Aber nur flüchtig, denn Brix ließ so unvorhergesehen