K.P. Hand

Das Gold der Felder


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Gott, manchmal war es wirklich anstrengend, mit Brix eine Unterhaltung zu führen. Er konnte Fragen stellen, deren Antworten nur allzu offensichtlich waren.

      Aber Gérard begriff auch meist nie, worauf Brix eigentlich hinauswollte. An jenem Tag sollte er jedoch nicht lange auf die Folter gespannt werden.

      »Es ist nicht tief«, warf Brix ein und nickte auf die Wasseroberfläche, »das tut nicht weh.«

      Gérard wollte es dennoch ungern überprüfen. »Trotzdem …«

      Brix schüttelte amüsiert den Kopf. »Wenn du deine Angst nicht überwinden kannst, musst du dich ihr eben stellen.«

      Gérard sah ihn erschrocken an, doch da legte Brix ihm bereits eine Hand auf die Brust und schubste ihn, gleichzeitig zog er ihm mal wieder die Füße weg.

      Er hatte nicht einmal mehr genug Zeit um zu schreien, da brach sein Rücken auch schon durch die kühle Wasseroberfläche, und er versank im See, während ihm Brix` dreckiges Lachen hinterher wehte.

      Prustend tauchte er wieder auf und wackelte mit dem Kopf, um sein nasses Haar aus dem Gesicht zu werfen.

      Brix ging zufrieden mit sich auf dem Baumstamm in die Hocke. »Tat doch gar nicht weh, oder?«

      Gérard stieß verächtlich den Atem aus der Nase und spritzte Brix eine Fontäne Wasser entgegen, die ihn leider nicht erreichte.

      Lachend kam Brix wieder auf die Beine. »Nun, Sergent … Ihr solltet vielleicht lieber mal nach Eurem Schwert tauchen. Ohne könnt Ihr schlecht kämpfen.«

      Erst da wurde sich Gérard gewahr, dass er seine Waffe während seines Falls losgelassen hatte.

      »Ihr solltet hoffen«, hörte er Brix necken, »dass der See nicht allzu tief ist, Sergent.«

      Gérard knirschte mit den Zähnen. »Merde …«

      ***

      Später an jenem wundervollen Tag lehnte Gérard nackt im Schatten eines Baumes, während seine Sachen in der Sonne trockneten, und spielte auf seiner Panflöte.

      Er hatte nicht schlecht gestaunt, als Brix ihn dazu aufforderte, ihm etwas vorzuspielen, und das Instrument dann aus seiner Satteltasche zauberte. Zunächst war Gérard sich nicht sicher, ob er es guthieß, dass der Capitaine in seinen persönlichen Sachen gewühlt hatte, doch nachdem er zögerlich zu spielen anfing, war jeder Ärger verflogen.

      Die sanften Melodien, die durch den Wald wehten wie lieblich pfeifender Wind, ließen ihn an seine Mutter denken, und das erwärmte ihm das Herz. Er erinnerte sich an fast jedes Lied, das sie ihm beigebracht hatte, nur gelegentlich verspielte er sich und musste von neu beginnen, er schämte sich dann dafür.

      Doch von Brix war weder ein Laut des Missmuts zu hören, noch ein kritischer Blick zu sehen.

      Der Capitaine saß in der Nähe auf einem Baumstumpf, nur eine Hose am Leib, und schärfte die Klinge seines Panzerbrechers mit einem Wetzstein, während er stumm Gérards Flötenspiel zuhörte und gelegentlich dazu summte.

      Die Hingabe, die er seiner Waffe schenkte, ließ Gérard sich wünschen, Brix würde sich ihm auf diese Weise zuwenden.

      Brix runzelte bei der nächsten Melodie die Stirn und blickte auf. »Das ist schön.«

      Gérard hörte zu spielen auf und senkte mit roten Wangen den Kopf. »Das war mein Wiegenlied«, flüsterte er.

      Brix drehte ihm das Gesicht zu und betrachtete ihn eine Weile nachdenklich. Sein Haar war noch feucht und hing schwer in seiner Stirn. Er sah zum Dahinschmelzen anziehend aus.

      Für einen Moment überkam Gérard wieder Schamgefühl und Übelkeit. Es war sicherlich nicht richtig, so über einen Mann zu denken. Oder als Junge auch nur einen anderen Kerl schön zu finden. Aber er konnte nichts gegen das tun, was seine Augen sahen und was sein Herz fühlte.

      Und wenn er tief in sich hineinhorchte, stellte er sogar fest, dass es ihm immer gleichgültiger wurde, ob etwas mit ihm nicht in Ordnung war.

      Die wohl dringendste Frage war für ihn jedoch, ob Brix ähnliche Gedanken über ihn hegte.

      Wären sie gemeinsam hier, wäre dem nicht so?

      Gérard atmete tief durch und fuhr sich dann frustriert durch sein eigenes noch feuchtes Haar.

      »Spiel weiter«, forderte Brix plötzlich leise.

      Gérard schüttelte den Kopf, jedoch nicht um abzulehnen, sondern weil er die körperliche Distanz zwischen ihnen wahrlich unerträglich fand.

      Er setzte die Flöte an die Lippen und hauchte wieder in die Röhrchen. Er schloss gewöhnlich mit Hingabe die Augen, wenn er spielte, doch es gelang ihm einfach nicht, den Blick von Brix abzuwenden.

      »Nicht das«, warf Brix ein und lächelte vor sich hin, »spiel noch mal das Wiegenlied.«

      Gérard stockte und starrte ihn an.

      »Warum nicht?«, fragte Brix, als Gérard nicht weiterspielte. Er drehte den Kopf und durchforschte mit seinen hellbraunen Augen Gérards Gesicht. »Macht es dich traurig? Du schaust traurig aus.«

      Nicht wirklich, eher … fühlte er sich sehnsüchtig.

      »Hast du Heimweh?«, fragte Brix und senkte dabei den Kopf, um seine geschärfte Klinge zu begutachten.

      Gérard schluckte seinen Kummer runter. »Es erinnert mich nur an die Zeit, als mein Vater noch da war.«

      Brix sah, zufrieden mit seiner Arbeit, wieder auf. »Wo ist er?«

      »Er verschwand im Krieg, da war ich acht.«

      Wenn es Brix in irgendeiner Art berührte, so zeigte er es nicht. Keinerlei Rührung war auf seiner forschenden Miene zu erkennen.

      »Ah«, machte er und senkte durchatmend den Kopf. »Da warst du aber noch sehr jung. Muss schwer sein in diesem Alter ohne Vater.«

      Gérard nickte gedankenverloren und starrte in die Leere. Doch schließlich breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er wandte ein: »Die Erinnerung an ihn, wird ihn immer lebendig halten.«

      Brix betrachtete ihn stirnrunzelnd.

      »Was ist mit deinem Vater?«, fragte Gérard interessiert und legte den Kopf schief. »Wo stammst du her?«

      Brix steckte das Schwert in die Scheide und lehnte es an den Baumstumpf als er aufstand.

      Erwartungsvoll sah Gérard ihm entgegen, als er auf ihn zu kam. Jede Bewegung ließ die ausgeprägten Muskeln unter der samtenen Haut spielen, sodass Gérard gar nicht umhinkam, sie zu begehren. Dicht vor ihm ging er auf die Knie und krabbelte auf ihn zu.

      »Die Männer meiner Familie waren alle bei der Armee. Kavallerie«, erklärte Brix dabei. Er drehte sich um und bettete den Kopf in Gérards Schoß, während er genüsslich die Beine ausstreckte. »Ich verstand mich nicht gut mit meinem alten Herrn. Ist eine Familientradition. Er erzog mich mit strenger Hand und erwartete stets Perfektion von mir.«

      Kommt mir bekannt vor, dachte Gérard schmunzelnd. Söhne waren wohl ihren Vätern immer etwas ähnlich. Sein eigener Vater war zu Lebzeiten ein ehrlicher und liebevoller Mann gewesen. Gérard wusste nicht, ob er ihm ähnelte, aber er hoffte es.

      »Er starb, als ich gerade zur Armee ging«, erzählte Brix weiter, doch er klang nicht traurig, nur ein wenig bedauernd. »Er wurde vom Pferd geworfen und brach sich das Genick. Es geschah nicht einmal in der Schlacht.«

      Gérard sah nachdenklich hinab in Brix` Gesicht, dessen Augen sich schlossen.

      »Ich kann nicht sagen, dass ich ihn vermisse.«

      Mit zitternden Fingern hob Gérard eine Hand und wagte es, Brix einige Haarsträhnen aus der Stirn zu streichen. Sein Haar fühlte sich wahnsinnig weich an.

      »Was ist mit dem Rest deiner Familie?«, fragte Gérard, während er ihm immer mutiger durchs Haar strich.

      »Meine