K.P. Hand

Das Gold der Felder


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in seinen Magen. Er wagte nicht, Brix in die Augen zu schauen oder nur laut zu sprechen, also flüsterte er. »Mir ist heiß und kalt zugleich. Mein Magen schmerzt und krampft, meine Brust ist eng und hindert mich am Atmen. In meinem Kopf herrscht Widerspruch, und meine Gedanken finden nachts nicht zur Ruhe.«

      Brix musterte ihn von Kopf bis Fuß mit einem undeutbaren Blick. Vielleicht hielt er ihn für wahnsinnig oder einfach nur einfältig, für sonderbar, und keiner würde ihm deshalb einen Vorwurf machen, denn auch Gérard zweifelte allmählich an seinem Verstand.

      »Durchgehend?«

      Gérard schüttelte den Kopf.

      »Wann dann?«, verlangte Brix zu erfahren, herrisch wie er war.

      »Im Moment«, erwiderte Gérard und sah ihn herausfordernd an.

      Lange sahen sie sich danach schweigend in die Augen. Brix´ Blick wirkte auf seine unruhige Weise fiebrig, aber vor allem schien es, als hätte er einen Schock erlitten.

      »Manchmal ist es besser, nicht zu antworten«, konterte Brix plötzlich ernst.

      Als Gérard ihn mit offenen Lippen ansah, glaubte er, so etwas wie Scheu in Brix` Augen zu lesen. Seine Atmung ging sogar schwerer als Gérards und seine muskulöse Brust dehnte sich unter kräftigen Atemzügen deutlich aus.

      Sie sahen sich einen weiteren Moment lang an, der sich wie eine süße Ewigkeit anfühlte, so nah und doch so fern standen sie sich im Mondschein gegenüber, keiner wagte es, das in Worten auszudrücken, was bereits in ihren neugierigen Blicken stand.

      Da senkte der Capitaine den Kopf und ging an ihm vorbei, als sei er vor einem feindlichen Heer auf der Flucht.

      Gérard drehte sich um und sah ihm sehnsüchtig nach. Wenn es eine Sünde war, sich zu ihm hingezogen zu fühlen, war er wohl ein schlechter Mensch, denn er war machtlos diesen Gefühlen gegenüber. Und auch nicht willens, sich ihnen zu entziehen.

      ***

      Also ging er am nächsten Morgen wieder zum Bach. Die Sonne ging gerade erst über der Provinz auf, die Blüten am Ufer waren noch fest verschlossen, und die Vögelchen zwitscherten erste Lieder in den Baumkronen. Er ahnte schon, als er zum Bach hinunter tapste, dass Brix nicht da sein würde, und er sollte sich nicht irren.

      Trotzdem spürte er eine niederdrückende Enttäuschung, als er den Bach verlassen vorfand.

      Gérard ließ die Schulter hängen und trat an das Wasser heran. Es hatte lange nicht geregnet, weshalb die Strömung einem sachten Plätschern gewichen war.

      Er streifte die Stiefel ab und streckte ein Bein aus. Er erzitterte am ganzen Körper als er den kleinen Zeh in den Bach tunkte.

      Das Wasser war eiskalt! Es stach wie tausend spitze Nadeln, als er den Fuß hineinsetzte und den anderen nachzog. Er keuchte laut, der Atem blieb ihm wegen der Kälte fort, aber er war umgehend hellwach.

      Bibbernd watete er in den Bach hinein, wollte so tollkühn sein wie Brix und wiedersetzte sich dem kalten Wasser. Schon bald stand er bis zu den Knien darin, sodass seine hochgekrempelte Leinenunterhose feucht wurde. Seine Haut wurde rot und er spürte seine Füße und Beine nicht mehr, die Eiseskälte hatte sie betäubt. Er schlang die Arme um die Brust und fragte sich ernsthaft, wie Brix darin baden konnte. Jeden Morgen. Kein Wunder, dass er immer so schlecht gelaunt war, so mochte doch niemand den Tag beginnen.

      Ein dunkles Lachen wurde ihm von einer milden Brise zugetragen.

      Erschrocken blickte er auf und sah den anderen Mann an dem Baum lehnen, hinter jenem er sich üblicherweise versteckte, die Beine überkreuzt und die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Er trug kein Hemd, nur lange Unterhosen und ein Tuch über der Schulter.

      Gérard lief peinlich berührt rot an. Na prima …

      »Ich dachte«, lachte Brix dunkel, »ich zeig dir mal, wie das so ist, beobachtet zu werden.«

      Die Worte verwirrten Gérard wieder vermehrt, aber sie ließen auch sein Herz höherschlagen.

      Er ärgerte sich trotzdem über das überhebliche Grinsen auf den Lippen des anderen Mannes. Trotzig den Kopf schüttelnd, stampfte er zum Ufer. »Es ist zu kalt!«

      Er kam aus dem Wasser und stolperte den leichten Hang des Ufers hinauf, wo er sich auf Höhe von Brix mit dem Hintern auf die saftig grüne Wiese fallen ließ.

      Brix lachte amüsiert über ihn, doch Gérard hatte das Gefühl, dass an jenem Morgen seine übliche Strenge und Schärfe – vor allem seine Enttäuschung und sein Missmut – gegenüber Gérard verflogen war. Na ja, zu einem Teil zumindest.

      Gérard schielte ihn von unten herauf an. »Wie könnt Ihr nur darin baden?«

      Brix zuckte mit den Achseln. Er nahm das Tuch von seiner Schulter und warf es Gérard ins Gesicht, dann ging er – sich die Hose öffnend – hinunter zum Bach. »Das härtet ab«, meinte er und zwinkerte.

      Ungläubig sah Gérard dabei zu, wie Brix sich die Hose abstreifte und ihm ganz unverblümt seinen nackten Hintern zeigte. Dann watete er, ohne zu zucken, in das eiskalte Wasser und spritzte es sich ins Gesicht, woraufhin er genüsslich stöhnte.

      Er wusch sich, drehte sich sogar so, dass er Gérard gelegentlich einen grübelnden Blick zuwerfen konnte, während Gérard ihm mit rasendem Herzen beobachtete. Nur am Rande bemerkte er, wie er Brix` Leinentuch zwirbelte, als wollte er es auswringen. Seine Hände waren so verkrampft, wie es sein Magen war, je länger er dem anderen Mann zusah. Wie das eiskalte Wasser von den Muskeln perlte, wie die in der Sonne glitzernden Tropfen im krausen Haar der Brust verschwanden, wie hart und spitz die Brustwarzen wurden, und wie … wie schwer seine Männlichkeit zwischen seinen strammen Schenkeln hing, von deren Spitze ebenfalls funkelnde Perlen tropften.

      Gérard wurde wieder heiß und übel zugleich. Doch Letzteres legte sich, je öfter Brix zu ihm hinaufsah, ohne ihn für sein Starren zu rügen.

      Irgendwann wurde es Gérard zu viel. Der Anblick, und natürlich die Tatsache, dass er ungeniert gaffen durfte, heizten das Feuer in seinen Eingeweiden bis zur Schmerzgrenze an.

      Zutiefst frustriert ließ er sich zurück auf die weiche Wiese fallen und schloss stöhnend die Augen.

      »Ich sterbe«, murmelte er und fuhr sich über die Stirn und ins dunkle Haar.

      »Woran?«, fragte es plötzlich von der Seite.

      Gérard linste durch schmale Lider zu Brix auf, der nackt und nass zu ihm trat und sich nach dem Tuch bückte, dass Gérard noch in den Händen hielt. Er ließ es los, und der Capitaine fuhr sich damit über das Gesicht und das nasse Brusthaar.

      »An Feuer.«

      Brix zog überrascht die Augenbrauen hoch und hielt inne. »An Feuer?«

      »An dem Feuer meines Fiebers«, philosophierte er recht ungeschickt vor sich hin.

      Er war gewiss kein Philosoph, aber Brix brachte ihn zum Philosophieren. Man könnte es wohl auch einfach schwärmen nennen, allerdings war »Schwärmen« für Gérard etwas für Mädchen, weshalb er es lieber philosophieren nannte. Oder sinnieren. Ja, Brix` Anblick brachte ihn zum Sinnieren.

      Brix lächelte unsicher, weil er offensichtlich keine Ahnung hatte, was Gérard ihm sagen wollte. Und wenn er ehrlich war, wusste Gérard es doch selbst nicht. Bei Brix rutschten ihm seltsame Worte heraus, ebenso wie ungewollte Gefühle in ihm aufkamen, die er nicht verspüren durfte. Er war diesem Chaos einfach schutzlos ausgeliefert, so wie er Brix` Klinge schutzlos bei jeder Lehrstunde ausgeliefert war.

      Die Sehnsucht schmerzte jedoch mehr als das scharfe Metall.

      Gérard legte einen Arm über die Stirn zum Schutz vor der langsam immer kräftiger scheinenden Sonne und sah Brix dabei zu, wie er sich geringfügig abtrocknete. Sein Blick blieb an der bei jeder Bewegung schwingenden Männlichkeit des Capitaine hängen.

      »Ein Wunder«, murmelte Gérard und drehte den Blick gen Himmel, wo Baumkronen im leichten Wind raschelten, »dass Euch bei der Kälte des