K.P. Hand

Das Gold der Felder


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Capitaine waren zuvor durch das eiskalte Bachwasser gewatet, weshalb seine Leinenhose noch hochgekrempelt war, und Gérard sich fragen konnte, woher die wulstige Narbe stammte, die sich von einem wirklich strammen Unterschenkel soweit hinauf schlängelte, dass sie unter dem ausgeblichenen Leinenstoff wieder verschwand.

      Schon seit einer Ewigkeit starrte er dieses Bein an, das erst vom Schein der Abendsonne und nun vom Flackern der Flammen angeleuchtet wurde. Er konnte nicht genau bestimmen, was ihn neugieriger machte, die lange Narbe oder diese mit hellen Löckchen übersäten strammen Muskeln, die ihm selbst mehr als deutlich fehlten.

      Gérard hatte immer hart trainiert, doch sein Körper war im Vergleich zu dem des Capitaine nur knabenhaft und schlaksig. Je länger er den Capitaine anstarrte, je mehr wurde ihm bewusst, wie dürr er im Gegensatz zu diesem war. Umso mehr sollte er sich fragen, weshalb es ihm nicht gelingen wollte, ihn nicht ständig anzustarren.

      Zumal er sich bei jedem Blick maßlos ärgerte. Der Anblick des Capitaine sorgte durchweg dafür, dass Gérard einen gereizten Magen hatte, der unentwegt vor unterdrückter Wut rumorte.

      Er konnte aber immer noch nicht bestimmen, was ihn eigentlich so zornig werden ließ.

      Vielleicht, weil Brix täglich mit diesem selbstsicheren Gang herumstolzierte, obwohl er nicht einmal die Rüstung trug, die ihn als Kämpfer und Anführer kennzeichnete. Und ganz bestimmt wegen der Art, wie er arrogant die Augenbrauen hochzog.

      Wie er sich allgemein benahm, bewegte und sich zeigte. Als wäre er über alles erhaben und als wäre er etwas so Besonderes mit seinen hellbraunen, strengen Augen und dem kastanienbraunen, längeren Haar. Als wäre er der imposanteste Mann ganz Frankreichs, mit den breiten Schultern, den strammen Schenkeln und schlanken Bauch- und Brustmuskeln, die er jedem präsentieren musste, weil er nur in diesen leichten Kleidern durch die Sonne stakste.

      Als hätte er den brütenden Blick bemerkt, drehte der Capitaine plötzlich den Kopf und sah Gérard ohne Umschweife in die Augen.

      Wie jedes Mal, wenn das geschah, blieb Gérard aus unerfindlichen Gründen der Atem fort.

      Der Blickkontakt hielt einige Momente lang stand, und Gérard konnte sich nur bis tief in den brodelnden Bauch darüber ärgern, wie das warme Licht der Flammen das markante Gesicht des Capitaine anstrahlte und dessen lange Wimpern, seine geschwungenen Lippen und das federleichte Haar, das sich in einer leichten Windbrise bewegte, hervortreten ließ. Sein Anblick war für Gérard auf eine ihm unerklärliche Weise so fesselnd, als würde er ein exotisches Tier im Unterholz entdecken. Er war nicht fähig, wegzusehen, noch sich zu bewegen. Sein Herz klopfte so schnell und hart in seiner Brust, als wollte es ihm wie ein Vogel davonfliegen, direkt in diese hellbraunen Augen, die ihn mit ihrem bohrenden Blick festhielten.

      Alles an diesem Mann reizte ihn so sehr, dass er sich buchstäblich die Haare ausreißen könnte. Sein Anblick war das Allerschlimmste an ihm, weil Gérard einfach außerstande war, die Augen von ihm zu nehmen. Doch er konnte sich nicht erklären, warum.

      Wäre Brix wenigstens nicht so arrogant!

      Er zuckte zusammen, als Jean ihm unerwartet in die Seite stieß.

      Jean lachte: »Worüber denkst du immer so angestrengt nach?«

      Gérard antwortete nicht gleich, er sah von Jean zurück zum Feuer, aber Brix hatte seine Aufmerksamkeit längst wieder seinen Männern zugewandt.

      »Ach … über gar nichts«, murmelte Gérard und senkte aus unerfindlichen Gründen enttäuscht den Blick. Ein bitterer Geschmack, wie von giftigen Pilzen, machte sich auf seiner Zunge breit.

      Jean lehnte sich zu ihm und gab ihm den guten Rat: »Leg dich nicht mit dem Capitaine an. Mal abgesehen davon, dass du sein Sergent bist, genießt er auch ein hohes Ansehen.«

      Gérard runzelte neugierig seine Stirn. »Du meinst, über diese Kompanie hinaus?«

      Jean nickte eifrig. »Oh ja, er war wirklich ein begnadeter Schwertkämpfer, und Held einiger Schlachtfelder, bevor er verwundet wurde.«

      Nachdenklich betrachtete Gérard erneut Brix, sein Blick glitt zu dessen Bein. »Hat er daher die Narbe?«

      Jean nickte bestätigend. »Hat er sich bei einer Schlacht gegen die Habsburger zugezogen. Der Feind hat ihn beinahe komplett aufgeschlitzt, sagt man. Von der Hüfte bis zum Knöchel. Es war ein Wunder, dass er das überlebt hat und das Bein behalten konnte. Sie sagten, er würde nie wieder kämpfen können, doch er biss sich durch. Anfangs konnte er nur humpeln, davon merkt man fast gar nichts mehr. Trotzdem wollen sie ihn nicht in die Schlacht ziehen lassen. Obwohl er ja wieder ganz der Alte ist, wa?« Jean schlug ihm gegen den Arm, sodass Gérard beinahe samt Fass, auf dem er lehnte, umgekippt wäre.

      Gérard starrte weiterhin auf den Capitaine. Die Vorstellung, ihn blutend inmitten eines Schlachtfelds liegen zu sehen, gruselte ihn, obwohl er ihn doch gar nicht leiden mochte. Gleichzeitig verspürte er eine wirklich ärgerliche Bewunderung, die bei dieser Geschichte unversehens aufkam, die heller und heißer brannte als jede trübe Verärgerung.

      Jean sprach plötzlich ernst weiter: »Und dann schicken sie dich! Sieht fast so aus, als solltest du ihn zu gegebener Zeit ersetzen. Würde mir dann auch nicht gefallen, wäre ich der Capitaine.«

      Damit stand er auf, legte Gérard zum Abschied noch ein letztes Mal die Hand auf die Schulter, als wollte er ihn trotz seiner Bemerkung aufmuntern, und torkelte dann betrunken vom Wein zu seinen Kameraden, die ihn grölend empfingen.

      Gérard lehnte sich auf das Fass und stützte das Kinn auf seinen Handrücken, während er weiterhin ungeniert den Capitaine beobachtete, der gelegentlich zu ihm hinübersah und die stummen Blicke erwiderte.

      Das warme Glühen des Lagerfeuers spiegelte sich in seinen hellbrauen Augen, während er über den Rand seines Bechers hinweg Gérard unmissverständlich in die Augen blickte, als wollte er ihn herausfordern.

      Gérard seufzte innerlich wohlig unter diesem Blick, konnte sich aber nicht erklären, was die plötzliche Hitze, die seinen Magen verbrannte, zu bedeuten hatte.

      ***

      Es war der Morgen des dreizehnten Tages, als Gérard runter zum Bach ging, um sich eine kleine Waschung zu gönnen. Wie jeden Morgen brauchte er das eiskalte Wasser im Gesicht, um sich den klebrigen Schweiß der schwülen Nacht abzuwaschen und gleichzeitig seine Müdigkeit abzuwerfen, die er wegen zu heißer Nächte verspürte, in denen er keinen Schlaf finden konnte.

      Doch an jenem Morgen war er dort nicht allein.

      Als er den leichten, von Bäumen bestickten Wiesenhang zum Bach hinunter schlenderte, und die Blätterkronen Schatten spendeten, glaubte er noch, das leise Plätschern in der Umgebung gehörte zum Bachverlauf. Doch je näher er kam, je lauter und unregelmäßiger wurde es.

      Langsam näherte Gérard sich dem Ufer, es könnte ja gut sein, dass eines der Bauernmädchen durch den Bach watete, und vielleicht könnte er einen Blick auf ihre zarten Fesseln erhaschen. Dann hätte er später Jean etwas zu erzählen, der sich vor Neid in den Hintern beißen würde.

      Aber es war kein Mädchen, das im Bach badete, sondern Brix. Und er stand vollkommen nackt im Wasser.

      Über seine strammen Muskeln perlten Wassertropfen, die im schwachen Schein der Morgensonne funkelten. Sie flossen wie ein Wasserfall aus Diamanten über seinen stählernen Körper. Auf seinem Rücken zeichneten sich kreuz und quer blasse Striemen auf der gebräunten Haut ab, sodass Gérard im ersten Moment glaubte, über Brix` Rücken läge ein weißes Netz. Tatsächlich waren es aber alte Narben, wie von brutalen, blutigen Peitschenhieben, die ihm die Haut von den Knochen geschlagen hatten.

      Wurde er ausgepeitscht? Wann? Wo? Von wem?

      Gérard gingen so viele Fragen im Kopf herum, als er Brix zusah, jedoch verloren sie sich in dem Wirrwarr der gleisenden Gefühle, die bei seinem Anblick unter der Oberfläche zu brodeln begannen.

      Er war so … männlich. Seine Schenkel so stramm, dass man hineinbeißen wollte, seine Muskeln von weichem Haar umgeben, das man streicheln wollte. Sein Körper war eine